Antreten zur neuen Weltordnung

Die PKK kündigt ihren Abschied vom bewaffneten Kampf an

Mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit ist die PKK in den letzten Wochen den aus dem Gefängnis verkündeten Aufrufen Abdullah Öcalans zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes gefolgt (Jungle World, Nr. 33/99). Entgegen allen Spekulationen über eine bevorstehende Spaltung der Organisation sind die Partei und ihre Unter- bzw. Nebenorganisationen ihrem großen Vorsitzenden in bemerkenswerter Geschlossenheit - bis hin zu den wichtigen bekannten Guerillakommandeuren - gefolgt. Selbst der als Hardliner geltende Apo-Bruder Osman Öcalan schloß sich dem Rückzugsaufruf an und setzte auf die Bereitschaft der Nato, sich nach getaner Arbeit im Kosovo "auch ihren Problemen im Inneren (zu)zuwenden".

Offenbar hat die PKK-Führung inzwischen nicht nur den Abschied vom bewaffneten Kampf nachvollzogen, sondern auch begrifflich an die Mainstreamdiskurse angedockt. Statt Antiimperialismus, Antiamerikanismus und entschiedener Gegnerschaft zur "faschistischen türkischen Republik" sollen jetzt das "Projekt demokratische Republik Türkei", zivilgesellschaftliche Politik und schließlich gar Anpassung an die zu Golfkriegszeiten von US-Präsident Bush ausgerufene "neue Weltordnung" angesagt sein.

Auch wenn die Umsetzung der Abzugspläne angesichts der Situation im Nordirak und Iran alles andere als geklärt ist, muß man von einer historischen Zäsur in der Geschichte der kurdischen nationalen Befreiungsbewegung um die PKK ausgehen.

Mit dem allseits beliebten Gerede von der "Kapitulation" ist dem allerdings nicht beizukommen. Sicher haben militärische Niederlagen der Guerilla sowie die Verschleppung und das Todesurteil gegen Öcalan ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Jedoch hat sich damit nur eine Entwicklung zugespitzt, die schon seit langem in der Orientierung und Politik der PKK abzulesen war.

Die Erkenntnis, daß der militärische Kampf nicht zu gewinnen ist und ein alternativloses Setzen auf seine Fortführung statt dem "Sieg im Volkskrieg" und einem "unabhängigen Kurdistan" nur endloses Blutvergießen verheißt, ist alt. Sie führte bei der PKK-Führung schon seit 1993 zu den bekannten wiederholten einseitigen Waffenstillständen und Verhandlungsangeboten.

Parallel dazu wurde verstärkt auf Diplomatie gesetzt. Öcalan bemühte sich um internationale Anerkennung als Staatsmann in spe im Stile Arafats und schlug auch gegenüber dem türkischen Regime in den letzten Jahren bereits zunehmend staatstragende Töne an. Unter dem Druck der Verhältnisse entstand ein zunehmend realpolitischer, d.h. grundsätzlich positiver Bezug der PKK auf die internationalen Machtverhältnisse in der globalkapitalistischen Staatenwelt.

Die PKK - durchdrungen von der Idee eines normativen Sozialismus der Werte des revolutionär zu entwickelnden "neuen kurdischen Menschen" - entdeckte wie andere linke Bewegungen weltweit die berühmte "normative Kraft des Faktischen".

Öcalan und seine diplomatischen Kader versuchten nun vor allem, die europäischen Staaten - allen voran die BRD - über deren geopolitische Konkurrenz zu den USA für sich zu gewinnen. Denn diese unterstützten bedingungslos den Kriegskurs der Türkei und ihre Reduzierung des Kurdenkonfliktes auf ein bloßes "Terrorismusproblem". Nach dem Fehlschlag dieser Bemühungen - manifest geworden an der stillschweigenden internationalen Übereinkunft, Öcalan an die Türkei auszuliefern - war die Enttäuschung über Europa entprechend groß.

Gleichzeitig mußte die PKK auch noch mitansehen, wie die kosovo-albanische UCK mit Unterstützung der "internationalen Gemeinschaft" all das tun durfte, was der PKK immer als Beweis für ihren "terroristischen" Charakter vorgeworfen wurde: Zwangsrekrutierungen durchführen, Spendengelder erpressen, drogenmafiose Verbindungen unterhalten, etc. Selbst das, was die PKK - bei aller Kritik am völkischen Nationalismus in ihrem politischen Diskurs - nie propagiert oder praktiziert hat, nämlich offen "ethnisch" motivierte Vertreibungen und Massaker, hat bei der UCK bis heute zu keiner internationalen Verdammung als Terroristenorganisation geführt.

Das mußte natürlich auch bei PKK-Kadern den Eindruck erzeugen, daß der eklatante Unterschied in der Behandlung, die PKK und UCK von der "internationalen Staatengemeinschaft" zuteil wird, u.a. darauf zurückzuführen ist, daß letztere sich gleich vorbehaltslos dem Westen und der Nato an die Brust geworfen hat. "Wir haben verstanden", mag sich da die PKK-Spitze gesagt haben, klopft nun untertänigst bei den USA an und versichert, künftig "anstatt gegen die Neue Weltordnung zu kämpfen, ihren Platz darin behaupten" zu wollen.

Die Lektion in internationaler Machtpolitik seit Ende letzten Jahres - "Diejenigen Kräfte, die sich nicht gemäß den neuen Anforderungen anpassen können, werden in der Bedeutungslosigkeit verschwinden" (ZK der PKK Ende Juli) - wirkt so nachhaltig, daß auch gleich noch ein Parteikongreß zur Neufassung des erst vor vier Jahren neu verabschiedeten PKK-Programms angekündigt wurde. Auf diesem werden dann wohl auch die letzten rhetorischen Bezüge auf Sozialismus und dergleichen zugunsten eines zivilgesellschaftlichen Demokratiediskurses gestrichen werden. Denn das Festhalten an der "Mottenkiste des Marxismus-Leninismus" macht sich nicht gut als Entrebillet für die neue Weltordnung.

Dies ist natürlich ein Sieg der Vernunft bei den kurdischen NationalistInnen der PKK, und es kann nun nur gehofft werden, daß diese endlich auch auf Seiten des türkischen Staates Raum greift. Die Alternative des Festhaltens an Antiimperialismus und bewaffnetem Kampf würde die PKK in barbarische Formen eines Kampfes mit Selbstmordanschlägen, Autobomben und dergleichen führen, der seine Motivationskraft nur aus irrationalen völkischen oder religiösen Heilsversprechen und einem zu jeder Mordtat bereiten moralischen Rigorismus ziehen könnte.

Trotz der Tatsache, daß solche Elemente in ihren bisherigen Diskursen und Praktiken durchaus vorhanden waren, hat die PKK offenbar in ihrer überwiegenden Mehrheit eine rationale politische Entscheidung getroffen, die natürlich einer zweckrationalen instrumentellen Vernunft folgt und das Bestehende affirmiert. Für ein weiteres Festhalten an revolutionsromantischen Projektionen dürfte die zur neuen Weltordnung gewendete PKK endgültig keinen Anlaß mehr bieten.