Moskitos und Sicarios

Die USA ergreifen neue Initiativen zur Aufstandsbekämpfung in Kolumbien

Mörderischer Alltag in Kolumbien: Mitte vergangener Woche waren es 24 Bauern in der Provinz Bol'var, die von den Paramilitärs wegen ihrer angeblich linken Einstellung erschossen wurden. Eine Woche zuvor war der Journalist und Moderator Jaime Garz-n den Kugeln eines Killerkommandos zum Opfer gefallen.

Während das Massaker an den Bauern kaum Schlagzeilen machte, hat die Ermordung Garz-ns für öffentliches Aufsehen gesorgt. Weit über 50 000 Menschen demonstrierten gegen den Mord an dem populären Radio- und TV-Moderator. Für den Sender Caracol hatte Garz-n die humoristische Figur des Schuhputzers "Heriberto" kreiert, der Fragen stellte, die in Kolumbien ansonsten niemand öffentlich vorzubringen wagt. Kritik an Armee und Establishment gehörten zum Repertoire "Heribertos", und so zweifelt kaum jemand daran, daß der Mord an Garz-n auf das Konto rechtsgerichteter Kreise geht.

Für Rafael Pardo, Ex-Verteidigungsminister Kolumbiens, ist die Armee für den Anschlag auf Garz-n verantwortlich. Der habe die Militärs mit seiner Kritik und seinen Bemühungen, die Verhandlungen mit der Guerilla voranzubringen, "gereizt", so Pardo am vergangenen Donnerstag in der Tageszeitung El Espectador. Zwar wiesen Generäle umgehend die Beschuldigungen Pardos zurück. Aber die Stimmen, die hohe Militärs für den Auftragsmord an Garz-n verantwortlich machen, wollen nicht verstummen.

Vom Motorrad aus hatten zwei sicarios - wie Profikiller in Kolumbien genannt werden - am 13. August auf den engagierten Journalisten gefeuert, der sich auf dem Weg zur Arbeit befunden hatte. Schon zuvor hatte Garz-n reichlich Morddrohungen erhalten, aber er ließ sich nicht einschüchtern.

Zuletzt war er angeblich mit der inoffiziellen Mission aus dem Präsidentenpalast beauftragt, das Nationale Befreiungsheer, die ELN, in den sogenannten Friedensprozeß zu integrieren. Die zweitgrößte Guerillaorganisation Kolumbiens hatte bisher in den Verhandlungen zwischen Regierung und Farc (Bewaffnete Kräfte für die nationale Befreiung) keine Rolle gespielt und mit spektakulären Entführungsaktionen auf sich aufmerksam gemacht. Für seine einseitige Verhandlungsstrategie wurde Präsident Andrés Pastrana in den letzten Monaten heftig kritisiert, und so erscheint es recht plausibel, daß er dies mit Hilfe Garz-ns zu korrigieren suchte. Garz-n wollte laut Terminkalender an seinem Todestag mit zwei ELN-Comandantes zusammentreffen, um die Gespräche mit der Regierung vorzubereiten.

Eine Einbeziehung der ELN in die derzeit auf Eis liegenden Verhandlungen mit der Farc könnte dem Friedensprozeß neue Impulse geben. Genau dies widerstrebt allerdings einflußreichen Kreisen, die um ihre Positionen bangen, sollte die Regierung sich auf die von der Guerilla geforderten sozialpolitischen und ökonomischen Reformen einlassen. Der verlängerte Arm dieser Kreise sind die Paramilitärs, die vielfältigen Indizien zufolge von wichtigen Großgrundbesitzern und Industriellen finanziert werden und über beste Kontakte zur Armee verfügen.

Die größte paramilitärische Organisation, die von Carlos Casta-o befehligten Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), hat sich in einem Bekennerschreiben zum Mord an Garz-n bekannt. Doch wird auch über die Existenz einer neuen paramilitärischen Organisation neben der AUC spekuliert, die direkt aus dem Regierungsapparat unterstützt wird und für das Attentat verantwortlich sein soll. Ziel dieser auf 4 000 Mann geschätzten paramilitärischen Truppe sei es, den Dialog mit der Guerilla zu verhindern und den status quo um den Preis der Weiterführung des Bürgerkriegs zu erhalten.

Ohnehin spricht derzeit wenig für die Aufnahme der Friedensverhandlungen. Die Streitkräfte des Landes bereiten sich unverhohlen auf die Eskalation des Konflikts vor und haben zusätzliche Militärhilfe in Höhe von 500 Millionen US-Dollar in Washington beantragt. Unterstützung erhalten sie vom US-Antidrogenzar Barry McCaffrey, der von einem "regionalen Notstand" spricht und dafür plädiert, dem Land eine Finanzspritze von einer Milliarde US-Dollar für die Drogenbekämpfung zuzubilligen.

De facto lassen sich Aktionen zur Drogenbekämpfung jedoch ohnehin nicht von Antiguerilla-Einsätzen unterscheiden. Die Grenzen sind fließend, und allzuoft dienen sogenannte Antidrogeneinsätze als Deckmäntelchen für militärische Aktionen gegen die Guerilla.

Erst am 23. Juli war ein US-Flugzeug mit zwei kolumbianischen und fünf US-Soldaten an Bord im Süden des Landes auf einem "Kontrollflug" über Kokapflanzungen abgestürzt. Als man die Leichen barg, fand man allerdings auch hochsensible Infrarot- und Nachtsichtgeräte, so daß anzunehmen ist, daß die Maschine eingesetzt wurde, um Guerillakolonnen auszuspähen. Auch die Aufstellung eines US-amerikanisch-kolumbianischen Antidrogen-Bataillons, welches mit hochmodernem Kriegsgerät, u.a. Apache-Kampfhubschraubern, ausgerüstet wird, richtet sich weit eher gegen die Guerilla als gegen die Koksbarone.

Zudem haben Landemanöver in der Bucht von M‡laga in der Nähe von Buenaventura, dem wichtigsten Pazifikhafen des Landes, im Laufe der letzten Woche den Gerüchten über eine US-Invasion in Kolumbien neue Nahrung gegeben. Zwar werden derartige Pläne im Weißen Haus dementiert. Die Anstrengungen Washingtons, Strategien gegen ein Übergreifen des Konflikts auf die Region mit den an Kolumbien grenzenden Ländern Peru, Ecuador und Brasilien zu entwickeln, weisen jedoch in eine andere Richtung.

Allerdings dürften sich auch die US-Militärs darüber klar sein, daß eine Intervention schnell zu einem Fiasko werden könnte. Kolumbiens Topographie mit hohen Bergketten und unwegsamen Dschungelgebieten dürfte eine Invasionsarmee vor etliche Probleme stellen. Darauf wurden die Herren im Pentagon auch schon von Fidel Castro und Venezuelas Präsident Hugo Ch‡vez aufmerksam gemacht. Während Castro unkte, allein die "Moskitos und die Hitze werden die Invasionsarmee schon besiegen", prognostizierte Ch‡vez den USA bei einer Invasion ein kleines Vietnam.

Auf Ch‡vez sind die USA ohnehin nicht sonderlich gut zu sprechen. Der hatte in der letzten Woche im Alleingang angekündigt, Gespräche mit der Farc aufzunehmen. Er würde sich zwar freuen, wenn Kolumbiens Präsident Andrés Pastrana ihn begleiten würde; aber schließlich könne ihm niemand verwehren, mit der Farc über Angelegenheiten, die sein Land angehen, zu sprechen. Venezuela sei nun einmal direkt von dem Bürgerkrieg betroffen, so Ch‡vez.

Doch auch in eine andere Richtung ist Ch‡vez aktiv geworden. Der eine Vermittlerrolle anstrebende Ex-Oberstleutnant regte eine internationale Friedenskonferenz unter UN-Schirmherrschaft in Caracas zur Lösung des über 30 Jahre andauernden Bürgerkriegs an. Dies fand jedoch wenig Beifall. Während die USA Ch‡vez aufforderten, etwaige Aktionen direkt mit dem kolumbianischen Präsidenten zu koordinieren, verwies Pastrana darauf, daß die Kolumbianer ihre eigenen Weg zur Beilegung des Konflikts finden müssten und daß sein Land entgegen der US-Darstellung kein Risiko für die regionale Sicherheit darstelle.

Den eigentlichen Grund für die verhaltenen Reaktionen aus Washington und Bogot‡ sieht der venezolanische Außenminister Vicente Rangel in der Angst der kolumbianischen Regierung, die Guerilla durch internationale Verhandlungen als gleichberechtigte kriegführende Partei aufzuwerten, womit sie einen juristisch verbindlichen Status erhalten könnte. An diesem Vorbehalt scheiterte bisher auch der von der Guerilla geforderte Austausch der "Kriegsgefangenen". Rund 600 Polizei- und Armeeangehörige, die Ende letzter Woche von ihren Angehörigen erstmals besucht werden durften, befinden sich derzeit in den Händen der Farc.