Focus über das Deutschland-Wetter

Totales Prinzip

Der Erfolg des Nachrichtenmagazins Focus beruht auf einem ganz einfachen Kniff: Immer schreiben, was längst jeder weiß. Nehmen wir die Nr. 41 aus dem Jahr 1994. Dort wurde auf Seite 132 vermerkt: "Bremens Drogenhandel ist fest in afrikanischer Hand." Bereits auf Seite 116 hatte gestanden: "Aus dem Jahresbericht der Kripo Bremen: Nach wie vor wird der gesamte Heroinhandel von türkisch-kurdischen Clans bestimmt." So etwas ist ärgerlich für Leute, die von Nachrichtenmagazinen präzise Informationen über ausländisches Banditentum erwarten, nicht aber für Focus-Leser: Die lassen sich vom Magazin jede Woche ihre eigenen Ressentiments in immer neuen Versionen servieren und bewundern die Kunstfertigkeit der Redaktion, das Ganze als Ergebnis intensiver Recherche zu tarnen.

Auf der Grundlage dieses Prinzips startete der Focus letzte Woche ein spannendes Experiment. Die Titelgeschichte erschien als schiere Form, ihr Inhalt wurde lediglich von Sätzen simuliert, die niemand erfinden kann, weil sie immer schon da waren. Es ging um: "Wo ist es wirklich am schönsten? Deutschland im Wetter-Test:" Präsentiert wurden "die offiziellen Daten von 123 Meßstationen" in 26 Diagrammen, Tabellen und sonstigen Infografiken. Dazu gab's "Bauernregeln" in Extra-Kästchen: "Wind, der's von Ostern bis Pfingsten treibt, das ganze Jahr über bleibt."

Um die "offiziellen Daten" herum wurde jener Text gruppiert, der bekannte Wahrheiten endlich offen ausspricht: "Wetter - das Thema Nummer eins. Die Planung für den Abend, das Wochenende oder gar für den gesamten Urlaub hängt oft vom Wetter ab." Zur Erläuterung: Gemeint ist wahrscheinlich nicht das Wetter, das zum Zeitpunkt der Planung herrscht, sondern jenes, das die Realisierung der Pläne begleiten könnte: "Biergarten- oder Museumsbesuch, Segeltörn oder Hallentennis - eine falsche Prognose kann geradezu in Freizeitstreß münden." Aber das ist noch nicht alles: "Vom kleinen Winzer über Kurorte bis hin zu Reedereien und großen Industrieunternehmen - kaum eine Branche, die nicht in irgendeiner Weise vom Wetter abhängig wäre." Auch auf den menschlichen Organismus hat das Wetter viel Einfluß: "Schon ein Spaziergang am Strand stählt den Körper und härtet ihn ab." So billig ist das zu haben? Ja, und noch mehr: "Die fehlende Schwüle entlastet auch das Herz-Kreislauf-System." Aber nur die fehlende.

Kein Zweifel, das Thema ist wichtig, und deshalb mußten Experten befragt werden. "Der typische Sommer im Norden ist von atlantischen Tiefausläufern mit starker Bewölkung und viel Niederschlag gekennzeichnet", sagt Udo Gärtner, und der ist Präsident des Deutschen Wetterdienstes. Gegenrecherche: "Auf Sonnenschein ist bei uns in Hamburg leider kein Verlaß", bestätigt Günter Dorigoni von der Handelskammer.

Und was ist im Süden der Republik los? "Die Kneipen unter freiem Himmel sind bei schönem Wetter immer voll besetzt". Hier ist auch der Almbauer Dichtl Sepp zu Hause: "Immer an Allerheiligen schlägt er einen Holzscheit aus einer Birke. Ist er trocken, wird der Winter feucht." Und umgekehrt. Zum Schluß bleibt eines offen: "Wind und Wetter härten ab - bleibt die Frage, ob sie auch den Charakter gerben". Zuzutrauen ist ihnen alles. Über Proteste aus der Focus-Leserschaft jedenfalls wurde bisher nichts bekannt.