Friedensprozeß im Nahen Osten

Neue Grenzen

So richtig enttäuscht oder gar sauer waren nur wenige: Der Iran und die Hamas bejammerten das "übliche Einknicken" Yassir Arafats gegenüber Israel, während die israelische Siedlerbewegung sich über die "kompromißlerische Haltung" Ehud Baraks beschwerte und Sicherheitsgarantien forderte.

Neu auf der Beschwerdeliste waren allein die israelischen Umweltschützer, die künftig ohne Rückendeckung des Staates gegen den Ausbau des palästinensischen Seehafens in Gaza vorgehen müssen. Auch daß demnächst palästinensische Autofahrer in Hebron wieder die Shuhada-Road benutzen dürfen, scheint den Ökos nicht besonders zu gefallen. Besonders aber dürfte sie ärgern, daß noch in diesem Jahr mit dem Bau neuer Straßen begonnen wird - Korridore zwischen dem Gaza-Streifen und der südlichen Westbank.

So gut wie nach dem Abkommen von Scharm el Scheich waren die Chancen auf einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten selten: Israel zieht sich - in drei Schritten - aus weiteren elf Prozent der Westbank zurück. Im Gegenzug wartet die Palästinensische Autonomiebehörde mit der Gründung ihres Staates bis zum Herbst nächsten Jahres.

Das steht zwar nicht im Vertrag, gilt aber nach einer Aussage von PLO-Unterhändler Saeb Erekat als ebenso sicher wie die nun folgenden diplomatischen Forderungen, einen Teil Jerusalems als künftige palästinensische Hauptstadt zu bekommen - und die Weigerung Israels, dies zuzulassen.

Einfacher für die Autonomiebehörde ist der Israel zugesicherte Versuch, jene Abtrünnigen, die noch immer "bewaffnet gegen den Judenstaat" kämpfen wollen, wieder in die PLO zu integrieren und alle, die sich nicht integrieren lassen, hart anzugehen. Gemeint ist hier vor allem die palästinensische Volksbefreiungsfront PFLP, die im Gegensatz zur Demokratischen Befreiungsfront Palästinas nur teilweise von ihrem Bündnis mit der Hamas ablassen will.

Zu Hilfe kommt Arafat dabei der palästinensische Verbündete Syrien, der einen anderen palästinensischen Verbündeten, die schiitische Hisbollah, an die Kette legen will. Jordanien hat gleichzeitig ein hartes Vorgehen gegen die sunnitische Hamas angekündigt und deren Büros in Amman geschlossen.

Der Unterzeichnungsort des Abkommens, Scharm el Scheich im Nord-Osten Ägyptens, paßt zu diesen Versuchen, den Aktionsradius von judenfeindlichen Organisationen einzugrenzen. Die Kleinstadt liegt unweit der früheren Hochburgen der ägyptischen Muslimbruderschaft, dem organisatorischen und ideologischen Vorbild fast aller militant-islamistischen Bewegungen des Nahen Ostens (für Gamaat al Islamjia in Ägypten, Jihad in Ägypten, im Libanon und in den palästinensischen Gebieten sowie für die im Sudan regierende Nationale Islamischen Front).

Die in Scharm el Scheich getroffene Regelung zur Freilassung palästinensischer Gefangener aus israelischen Knästen ist ebenfalls ein Teil der gemeinsamen Eingrenzungsstrategie gegen die bewaffneten Islamisten. Gescheitert wäre das israelisch-palästinensische Friedensabkommen beinahe an 50 politischen Gefangenen. Doch auch hier fand sich eine Lösung: Bis zum Ramadan läßt Israel 350 palästinensische Gefangene frei - wen, das entscheiden von Fall zu Fall und nach und nach bilaterale Komitees. Klar ist, daß keine Mitglieder von Hamas und Jihad dabei sein werden.

Der in der israelischen Knesset mehrheitlich verabschiedete Beschluß, daß palästinensische Gefangene mit "israelischem Blut an den Händen" in Haft zu halten seien, wird sich so strikt sicher nicht aufrechterhalten lassen: Zahlreiche Kämpfer der PLO-Tochter Fatah, die wegen Mordes an israelischen Soldaten oder Zivilisten einsitzen, werden bis Anfang nächsten Jahres ebenso entlassen werden wie einige PFLPler - wenn die Organisation brav bleibt.

Bei der Einteilung "Gute Gefangene, böse Gefangene" sollen die Palästinenser künftig noch stärker mitreden dürfen: Wenn es nach dem Willen des israelischen Justizministers Yossi Beilin geht, wird Israel demnächst auch Urteile palästinensischer Gerichte gegen reale oder vermeintliche Terroristen anerkennen und auf Auslieferungsanträge verzichten. Und das käme fast schon einer Anerkennung als Staat gleich.