Johannes Gross ist tot

Letzte Folge. Letztes Stück

Dem passionierten Nekrologiker, der sich statt den Meriten des Verstorbenen lieber den genaueren Umständen seines Hinschieds widmet, bot der Tod des Johannes Gross ein besonders reizvoll verrätseltes Bild: In der einen Zeitung hieß es, er sei an einem langen Leiden, in der anderen, er sei nach einer Nierenoperation, in der dritten, er sei an einem häuslichen Unfall verstorben.

Man plaudert in heiterer Runde, ein Freund wirft ein: "Das fällt nicht unter das lex contradictionis, Kameraden und doctores, er könnte schon seit längerem an einer schlechten Niere gelitten und sich daher einem chefärztlichen Eingriff unterzogen haben. Tausendsassa, der er war, ließ er sich noch halb-anästhesiert nach Hause bringen und fiel prompt die Treppe zum Weinkeller hinunter. Exitus."

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Es mutet seltsam an, aber Gross, Grass - das sind Namen, die, so bewährt bewahrend uns ihre Träger auch vorkamen und -kommen, der Orthografie-Reform vorausgeeilt zu sein scheinen.

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"Freudestrahlend tritt Norbert Blüm hinzu: 'Gerade bin ich zum dritten Mal Enkel geworden.'" (Johannes Gross, Notizbuch. Letzte Folge. Achtes Stück)

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Dass die Moralisten keine Moral haben, liebt man am Beispiel La Rochefoucaulds, ja Chamforts darzutun, nicht am Beispiel Grossens, dieses jenen nacheifernden Moralisten aus facilitas, oder besser aus FAZilitas, will sagen aus Leichtfertigkeit ebenso wie aus Leutseligkeit. Zu Recht: "Wo es keinen Wettbewerb gibt, ist Privatisierung sinnlos." (Notizbuch. Vorletzte Folge. Sechsundneunzigstes Stück) Das ist mehr als eine Moral, das ist ein Credo.

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Er wird von einer "Rührung überrascht", als er die "Todesanzeige von Ernst Jünger" erhält. Aber nicht, weil der "große Mann" hin ist, sondern weil dessen Witwe "Der letzte Ritter des Ordens Pour le Mérite" unter den teuren Namen setzte. Wie hätte es ihn erst gerührt, unter seinem eigenen zu finden: "Seine brillanten und menschlich-humorvollen Beiträge im Kollegenkreis werden wir vermissen." Damit sind jene Scherze gemeint, die, selbst wenn sie im Druck erschienen, ein "Rüchlein Vulgarität" nicht kaschieren konnten und wollten: "Keine Kultur ist multikulturell, sie lebt von der Hochschätzung des Eigenen und der Geringschätzung des Fremden." Ein in Seide gestickter Negerwitz.

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Er sprach von sich, auch wenn er es ausnahmsweise einmal nicht wollte: "Der faulige Geruch des Champagners. Nicht immer, aber auch nicht selten." (Notizbuch. Vorletzte Folge. Neunzigstes Stück).