Spielregeln und Ausnahme

Zwei, die nicht gut zueinander passen: In Nürnberg teilen sich Radio NRJ und das linke Radio Z eine Frequenz. Jetzt beansprucht der Medienkonzern die Sendezeit für sich allein.

Fast noch dringender als auf ihre Anhänger sind linke Medienprojekte auf ein paar Gegner angewiesen, denn schließlich will niemand das Schicksal der Offenen Kanäle dieser Republik teilen: Keiner hört's, keinen stört's. Insofern bietet Bayern für ein Links-Radio wie Radio Z aus Nürnberg sogar einen gewissen Standortvorteil, denn Feinde macht man sich hier schneller als anderswo.

Seit Radio Z 1987 auf Sendung gegangen ist, gibt es regelmäßig Ärger. Alle behördlichen Versuche, den linken Sender zur Aufgabe zu bewegen, scheiterten und bewirkten genau das Gegenteil: Trotz oder gerade wegen der Schwierigkeiten mit den Aufsichtsgremien konnte sich das Radio eine Hörerschaft aufbauen, die nicht nur zuhört, sondern auch bereit ist, für den Sender auf die Barrikaden zu gehen.

Besonders das Schwulen-Magazin "Fliederfunk" stand in Bayern auf der Abschussliste der Medienwächter und diente mehrfach als Argument gegen das Alternativprojekt. Im Herbst 1993 nahm der Medienrat in München dann auch eine Serie des "Fliederfunk" über S/M zum Anlass, Radio Z die Lizenz zu entziehen. Was folgte, war eine Kampagne mit Demos, Unterschriftenlisten und Soli-Adressen, die sogar der Medienrat nicht ignorieren konnte, er lenkte ein, machte aber zur Auflage, dass der "Fliederfunk" vorproduziert werden muss und strich die allen Sendern zustehende Programmförderung.

Jetzt ist es mal wieder so weit: Radio Z ist erneut in Bedrängnis geraten, weil der französische Medienkonzern Nouveau Radio Jeunesse (NRJ) die UKW-Frequenz 95,8 für sich allein beansprucht, die er sich momentan noch mit den Nürnbergern teilen muss. Radio Z - dem eigenen Selbstverständnis nach "links, frech und unbequem" - ist, muss man wissen, ein Produkt der Privatisierung der bundesdeutschen Medienlandschaft und gründete sich Mitte der achtziger Jahre - notgedrungen - als Privatradio. Dem Start von Z, der als letzter der neu geschaffenen Privatsender im Dezember 1987 - zunächst nur probehalber- auf Sendung gehen konnte, war ein umständliches Lizenzierungsverfahren vorausgegangen. Und bereits wenige Monate später verweigerte der bayerische Medienrat in München die endgültige Genehmigung und verbot dem Projekt, weiter zu senden. Radio Z zog vors Verwaltungsgericht und erkämpfte sich 1988 schließlich die Lizenz für den weiteren Sendebetrieb.

Ab 1990 hatte sich Z seine Frequenz mit dem Erlanger Studentenradio Downtown geteilt, beide Projekte vertrugen sich, bis sich 1995 der NRJ-Konzern beim Unifunk einkaufte. Damit bekamen die Alternativen, die auf das Konzept Gegenöffentlichkeit setzen, einen Frequenznachbarn, der offenkundig nicht zu ihnen passt. NRJ, der wirtschaftlich ungleich überlegene Partner, sieht das natürlich nicht anders. Ebenso wie bereits vor ein paar Jahren in Berlin im Fall von Radio 100 greift NRJ jetzt nach fünf Jahren Frequenzsplitting in Nürnberg nach einer 24-Stunden-Vollfrequenz.

Der Zeitpunkt war günstig: Wie überall in Bayern liefen auch am Standort Nürnberg die Sendelizenzen im vergangenen Jahr aus. Während an allen bayerischen Sendestandorten die Lizenzen um acht Jahre verlängert wurden, setzte die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) in Nürnberg eine Neuausschreibung durch. Grund dafür, so vermutet Z, das derzeit auf acht Stunden Sendezeit kommt, ist der Druck der NRJ-Gruppe auf die Gremien der BLM.

Das Vorgehen des finanzstarken Frequenzpartners scheint Erfolg versprechend zu sein, rechnet doch der Geschäftsführer von NRJ-Nürnberg, Günther Janßen, seit einem Besuch bei der BLM in München vor rund zwei Wochen laut Pressemitteilung fest "mit einer 24-Stunden-Lizenz auf UKW". Radio Z hat für die im Dezember vorgesehene Neuvergabe der Lizenzen zwölf Stunden Sendezeit beantragt, befürchtet allerdings, jetzt von der BLM übergangen zu werden. Statt einer Ausweitung der Sendezeit könnte dies das Aus für Z bedeuten.

Das bayerische Medienrecht hält für Alternativ-Radios ein paar Besonderheiten bereit. So ist der Freistaat das einzige Bundesland, in dem freie und alternative Radios keine staatliche Sockelfinanzierung erhalten. Die Einnahmen aus dem Werbebereich machen bei Z allerdings nicht einmal zwei Prozent des Gesamtetats aus, Hauptfinanzierungsquelle sind die Spenden und Beiträge der rund 1 700 Mitglieder des 1984 gegründeten Vereins Rundfunk Aktionsgemeinschaft Demokratischer Initiativen und Organisationen. Aus Sicht der Standortpolitiker ist der Sender damit völlig uninteressant. Eineinhalb feste Stellen im Geschäftsführungsbereich und zwei nach dem Bundes-Sozialhilfe-Gesetz finanzierte Stellen in der Redaktion, ein Techniker und einige Tagesredakteure, die eine symbolische "Aufwandsentschädigung" erhalten, arbeiten an dem Acht-Stunden-Programm und versuchen, die 45 Gruppen, die bei Radio Z senden, zu koordinieren. Gerangel um die Studios ist an der Tagesordnung.

Weniger gelassen sieht man bei Z allerdings das jüngste Gerangel um den ebenfalls in Nürnberg ansässigen Sender Radio Gong. Der soll vom Nürnberger Sebaldus-Verlag an ein Konsortium aus bayerischen Zeitungsverlegern, Burda-Verlag und die Oschmann-Gruppe verkauft werden - mit Genehmigung der BLM, die den neuen Besitzern bereits versicherte, dass diese im Zuge der Lizenzvergabe keine Veränderungen befürchten müssten. Z-Geschäftsführer Matthias Ziegaus über die Lizenzpolitik der BLM: "Hier wird klar, dass sich große Konzerne in Bayern Lizenzen kaufen können, während kleine Anbieter um ihre Frequenzen fürchten müssen und Neubewerber gar nicht zum Zuge kommen."

Von einer Gleichbehandlung könne keine Rede sein. Dem im Dezember anstehenden Lizenzierungsverfahren sieht man bei Z entsprechend misstrauisch entgegen. Zwar hält sich die BLM gegenüber dem Linkssender noch bedeckt, bestätigte jedoch die Richtigkeit der Mitteilung von NRJ-Geschäftsführer Janßen. In einem Interview mit dem Präsidenten der BLM, Prof. Dr. Ring, bestätigte dieser gegenüber Z, dass der Verkauf von Gong so gut wie beschlossen ist. Ring: "Also davon kann man sicher ausgehen. Das ist ja unsere ständige Praxis, dass wir Unternehmen, die sich an die Spielregeln halten, wieder eine Lizenz auf acht Jahre geben."

Allerdings scheinen sich nicht alle gleichermaßen an die vom Gesetzgeber vorgesehenen "Spielregeln", denen auch Z unterworfen ist, da im bayerischen Medienrecht keine nicht-privaten Freien Radios vorgesehen sind, halten zu müssen. Insbesondere was den vorgeschriebenen Wortanteil angeht, erfüllen die Konkurrenten von Z die Auflagen keineswegs. Die sehen nämlich vor, dass beim kommerziellen Lokalfunk der Wortanteil mindestens 20 Prozent des Programmes ausmachen muss, davon wiederum 20 Prozent mit Lokalbezug. Außer Radio Z mit einem Wortanteil von 41 Prozent erfüllt kein Nürnberger Sender auch nur annähernd die Vorgabe. Bei NRJ liegt er nach Angaben von Z lediglich bei 1,2 Prozent. Die BLM beließ es 1996 mit einer förmlichen Abmahnung, geändert hat sich dadurch allerdings nichts.

Medienpolitik, wie sie die BLM betreibt, ist in erster Linie Standortpolitik, schließlich will das Konsortium aus Burda, bayerischen Zeitungsverlegern und Oschmann für die Gong-Frequenz zwischen 40 und 70 Millionen hinlegen. Summen in ähnlicher Größenordnung dürfte auch der NRJ- Konzern bereit halten, wäre er nicht der Meinung, es mit der Verdrängung von Radio Z billiger haben zu können. Z allerdings hat bereits verkündet, die Frequenz keinesfalls räumen zu wollen.

Wohin auch? - fragen sich die Radioleute. Auf so genannte "Subregionalfrequenzen", was bedeutet, dass man in jedem Kaff auf einer anderen Empfangsfrequenz senden müsste, oder auf die "Schwachfrequenz 91,0", die die gleiche Reichweite hat wie Nürnbergs Funktaxi-Netz, will man sich keinesfalls abdrängen lassen.

Die Verbannung von Radio Z sei eindeutig rechtswidrig, betonen die Betreiber und verweisen auf Entscheidungen sowohl des Bundesverwaltungsgerichtes als auch des Bundesverfassungsgerichtes, die auch für andere Bundesländer von Bedeutung sein dürften, etwa in Sachsen, Thüringen oder Berlin. Im Fall von extra radio im bayerischen Hof, das ebenfalls von seinem Frequenzpartner geschluckt werden sollte, wurden durch diese Urteile die Rechte kleinerer Anbieter gestärkt. Sie seien als "Träger der Rundfunkfreiheit" nach GG Artikel 5 schützenswert, der Gestaltungsanspruch der BLM wird dagegen darauf beschränkt, die "Meinungsvielfalt zu fördern" und die Einhaltung der Auflagen und Gesetze zu gewährleisten.

Obgleich man bei Z überzeugt ist, juristisch auf der sicheren Seite zu sein, scheint das linke Projekt im Moment dringender als auf seine Gegner auf seine Unterstützer angewiesen zu sein.