Spanien bekommt Pinochet

Für großen Jubel in Chile hat am Freitag letzter Woche die britische Jurisprudenz gesorgt, als ein Londoner Gericht unter Vorsitz von Ronald Bartle entschied, dass der spanische Auslieferungsantrag für den Ex-Diktator Augusto Pinochet rechtlich zulässig ist. In Spanien erwartet den 83jährigen eine Anklage wegen Folter in 35 Fällen. Doch Pinochet wird wohl noch eine Weile seine Freundin Margaret Thatcher zum Tee empfangen können: Seine Anwälte könnten mit einem Antrag auf Freilassung bei Innenminister Jack Straw und einer Berufung vor Gericht den Prozess noch bis zu zwei Jahre in die Länge ziehen. Das wäre auch dem spanischen Präsidenten José Maria Aznar recht, der sich in den kaum noch sechs Monaten vor der Wahl nicht die Finger an dem Fall Pinochet verbrennen möchte und daher gemeinsam mit der chilenischen Regierung eine Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof anstrebt. Unterdessen hat der ehemalige Generalsekretär der spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), Felipe Gonz‡lez, sich für eine Freilassung Pinochets ausgesprochen. Gonz‡lez war in den siebziger Jahren maßgebend an dem friedlichen Übergang vom Franco-Faschismus zur Demokratie beteiligt gewesen. Unter dem Slogan "Vergessen und Vergeben" wurden damals mit wenigen Ausnahmen alle spanischen Faschisten begnadigt. Die Parallelen zwischen den beiden Ländern wären für Pinochets Anwälte bei einem Prozess in Spanien ein gefundenes Fressen. Eine neu entfachte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, die für viele Spanier mit bitteren Erinnerungen verbunden ist, könnte für Gonz‡lez recht unangenehm werden.