This Parrot is no more

Sie befreiten den Witz von der Pointe und entdeckten das Fernsehzimmer im Grand Hotel Abgrund: Vor 30 Jahren begründete sich Monty Python's Flying Circus.

Und nun zu etwas völlig Anderem: dreißig Jahre Monty Python's Flying Circus. Wenig wissen wir über die Identität des titelgebenden Mannes hinter der Show. Lang hieß es, er sei eine bloße Erfindung der Macher John Cleese, Eric Idle, Michael Palin, Terry Jones, Terry Gilliam und Graham Chapman. Doch pünktlich zum Jubiläum brachte jetzt Einer von ihnen, Eric Idle, ein wenig Irrlicht in das Dunkel: Monty Python gebe es wirklich, er sei wohlauf und lebe zurückgezogen und "ein wenig gaga" irgendwo in der englischen Provinz. Terry Gilliam habe er seinerzeit auf einem Flohmarkt in Afghanistan gekauft, Michael Palin habe er gerade noch rechtzeitig davon abhalten können, Lippenstift zu studieren ... Kaum damit in Einklang zu bringen ist eine Version, derzufolge die Show ursprünglich "Owl-stretching Time", "Vaseline Revue" oder auch "The Whizzo Easishow" heißen sollte.

Wie dem auch sei, fest steht, dass im Oktober 1969 auf BBC erstmals ein alter Zausel von ganz weit hinten ins Bild lief, "It's ..." sagte, zusammenbrach, daraufhin die prätentiös-alberne Titelmelodie - John Philip Sousas "Liberty Bell March" - erklang, jäh unterbrochen vom hässlichen Geräusch eines überdimensionierten Fußes, der - herauskopiert aus einem Gemälde des italienischen Renaissance-Malers Bronzino - den Titelschriftzug einstampft. Etwas völlig Anderes war geboren.

Es ist nicht leicht zu sagen, worin das eigentlich Revolutionäre des Python-Humors besteht. Die erst später entstandenen und allseits bekannten Spielfilme "Ritter der Kokosnuss" (1974) und "Das Leben des Brian" (1979) sind in dieser Hinsicht irreführend. Als klassische Parodien mit durchgehender Handlung bedienen sie sich schon wieder einer eher konventionellen und breitenwirksamen Komik. Was sie dennoch von der Masse unterscheidet, ist das kompromisslose Bekenntnis zum Makaberen. Der den Briten allgemein nachgesagte Schwarze Humor wird bei Monty Python mit nonchalanter Eleganz so weit getrieben, dass er unversehens beim Existenzialismus landet.

Man denke nur an den tragischen Recken aus "Die Ritter der Kokosnuss", der, obwohl er bereits beide Arme und Beine im Kampf verloren hat, nicht im Traum daran dächte, klein beizugeben. Die Sinnlosigkeit aller irdischen Bestrebungen - später in "Der Sinn des Lebens" (1983) noch einmal auf Spielfilm-Distanz inszeniert - wird hier nicht weniger spürbar als im klassischen absurden Theater. Den Unterschied zu vielen Autoren dieses Genres markiert, dass diese das humoristische Potenzial des Absurden sträflich verkannt haben. Fast zwangsläufig, muss man dazu sagen, wenn man im Grand Hotel Abgrund immer nur die Suite bewohnt und nie das Fernsehzimmer besucht.

Der fliegende Zirkus gastierte von 1969 bis 1974 auf britischen Bildschirmen. Dass die Macher von der BBC dieses anarchistische U-Boot so lange in ihrem Programm geduldet haben - trotz weitgehendem Unverständnis und Protesten seitens des Publikums und trotz häufigen Rechtsstreits -, ist bis heute ein Rätsel und nur mit Unachtsamkeit, Kompetenzengerangel sowie Unübersichtlichkeit angesichts der drohenden Kultur-Revolution zu erklären. So fand sie dann als Humor-Revolution auf der Mattscheibe statt und ist heute Fernseh-Geschichte.

Schon in den ersten Folgen sehen wir, eingerahmt von den collagierten, skurrilen, wie radioaktiv verstrahlt wirkenden Animationen von Terry Gilliam: Männer (bzw. als Frauen verkleidete Männer) auf verlorenem Posten. Männer, deren Deckung aufgeflogen ist, und die Zuflucht in der Trotzigkeit oder in der Übersprungshandlung suchen. Wie jener Verkäufer im Tiergeschäft, der aller Evidenz zum Trotz an seiner Version festhält, der Papagei, den der Kunde reklamiert, sei nicht tot, er ruhe sich nur aus. Da kann John Cleese noch so sehr darauf beharren: "It's passed on. This parrot is no more. It ceased to be. It has expired. The parrot has gone to meet it's maker ..." Der Verkäufer habe ihn nur an die Stange genagelt, damit er nicht wegfliegt.

Was in den Sketchen variiert wird, ist lediglich die Spielart der Selbstdemontage: Cleese ist immer eher der Autoritäre, Idle hingegen der schmierige Sidekick, Jones gibt bevorzugt die schrille Hausfrau, während Palin auf den "Gumby" abonniert ist, die Python-Version des Dorftrottels, der mit einem geknoteten Taschentuch auf dem Kopf herumläuft und nicht viel mehr sagt als "My brain hurts". Dahinter steht das Konzept, dass im Grunde jede Alltagsfigur zur Komik taugt, wenn man sie nur mit einem Zug zum Höheren ausstattet und mit einer gesunden Portion Wahnsinn und Theatralik impft.

Dieser Humor braucht auch keine Pointe mehr, die gesamte Komik schlummert bereits in der Exposition des Sketches und wird in dessen Verlauf nur noch exekutiert. Wenn bei Python-Sketchen überhaupt noch eine Schlusspointe auftaucht, dann eher als ironischer Verweis auf das altertümliche Sketch-Format, das nur von der Pointe lebte. Auf einmal begreift man, dass es auf die Pointe gar nicht ankommt, dass diese gänzlich verzichtbar ist, ja sogar, dass gerade in der unterschlagenen Pointe eine ureigene Komik schlummert.

Den Witz von der Pointe befreit zu haben, ist wahrscheinlich die größte Pioniertat Monty Pythons. In der Tat war bei den Dreharbeiten aus Sicht der Schreiber auch immer das größte Problem, wieder aus einem total verfahrenen Sketch herauszukommen. Meist ging das nur auf der Meta-Ebene - indem ein gestrenger Offizier die Szenerie betrat und erklärte: "Now, this is becoming silly." Oder es ging, indem man sich in die gediegene Albernheit musikalischer Darbietungen flüchtete, die ebenfalls die Eigenschaft besitzen, Theatralik auf der nächsthöheren Ebene zu entschärfen. Ein Abfallprodukt dieser abrupten Übergänge - ohne Kupplung wird in einen anderen humoristischen Gang geschaltet - ist der running gag, den die Pythons sicher nicht erfunden, aber perfektioniert haben.

Weil sich der Python-Humor aus der buchstäblichen Absurdität von Situationen, Dialogen, Posen speist, kommt er ohne tagesaktuelle politische Referenz aus. Das macht ihn bis heute so gut konsumierbar. Er ist mehr soziologisch als politisch, was ihn nicht davon abhält, auch klassische Satire-Stoffe abzuliefern, die sich eins zu eins dekodieren lassen.

John Cleese' Hitler-Parodie - unzureichend als Mr. Hilter getarnt, versucht er, mitsamt dem restlichen Hauptquartier nach dem Krieg die Kommunalwahlen in einem englischen Dorf zu gewinnen - kann es mit der von Chaplin durchaus aufnehmen. Manchmal, wenn ihnen sonst nichts einfiel, reichte auch einfach das blanke Sprachspiel und schierer Nonsens wie der Neologismus "Nutch ... Nutch" oder die von einer Horde Wikinger vorgetragene Lobeshymne auf "Spam"-Dosenfleisch ("Spam ... Spam ... Spam") für einen Gag.

Von derart glorreichem Komplett-Irrsinn einmal abgesehen, geht es im Grunde um die inhärente Komik der modernen Welt mit ihren Ausläufern Medien, Bürokratie und Angestelltenkultur, um das zwangsläufige Fehlschlagen nahezu jeglicher Kommunikation. Die Standards hierfür wurden tatsächlich sämtlich schon in den ersten Folgen des "Flying Circus" gesetzt und in den späteren, merklich schwächeren Staffeln immer wieder variiert.

Dennoch reichte der Impetus für ein internationales Beben in allen Komik-Genres aus; man kann das Modernisierungsschub nennen. Nach Monty Python sah die klassische Satire mit einem Mal unheimlich altbacken aus und konnte nur noch in der Nische des politischen Kabaretts überleben. Gleichzeitig versuchte sich eine weltweite Epigonenschar - Stichwort: Deutsches Comedy-Wunder - am Plagiat von Monty Python, ohne je die Qualität des Originals zu erreichen.

Im britischen Fernsehen kam lange Zeit gar nichts, bis mit der "Fast Show" erstmals wieder eine Sendung Vergleichbares bei annähernder Qualität produzierte. Für Deutschland lässt sich festhalten, dass die Neue Frankfurter Schule wohl einige produktive Impulse von der anderen Seite des Kanals erhalten hat, und spekulieren, ob es sie ohne Monty Python überhaupt in dieser Form gegeben hätte.

Jüngstes Beispiel für eine gelungene Innovation in der Tradition Monty Pythons ist "South Park", deren Macher Trey Parker und Matt Stone sich ganz explizit zu dem Vorbild bekennen. Zum 30. Geburtstag haben sie als

tribute für BBC ihre ganz eigene Adaption des "Parrot"-Sketches eingereicht: Fettarsch Cartman versucht in einer Tierhandlung, den wie immer toten Kenny zu reklamieren. Der Verkäufer jedoch insistiert: "No, he's not dead, he's just resting."

Dass Monty Python selbst nicht tot ist, sondern sich nur ausruht, ist übrigens genau so ein Gerücht. Graham Chapman ist seit 1984 mausetot, die anderen stecken in Solo-Karrieren und sind teilweise untereinander zerstritten. Als Höhepunkt des Jubiläumsabends auf BBC gab es dann aber doch noch einmal Python at it's best: Alle noch lebenden Pythons werden zu einer großen Interview-Runde vereint. Eric Idle per Satellit aus Los Angeles zugeschaltet. Groß im Vorfeld angekündigt. Vorstellung durch den Moderator. Begrüßung. Abspann.