Großdemonstration für Vollbeschäftigung in Paris

Spagat der Kommunisten

"Robert Hue hat seine Wette gewonnen" titelte die Boulevardzeitung Le Parisien ihre jüngste Sonntagsausgabe. Am Vortag hatten in Paris zwischen 40 000 und 50 000 Personen "gegen die Arbeitslosigkeit" demonstriert. Eine Aktion, zu der Hue, der Nationale Sekretär des PCF (Parti communiste fran ç ais), seit einem Monat aufgerufen hatte.

Für Hue und die PCF-Führung war die Gelegenheit damals günstig: Am 8. September gab der Reifenhersteller Michelin bekannt, dass er seine Gewinne im ersten Halbjahr 1999 gegenüber dem Vorjahr auf zwei Milliarden Francs, also um 17,3 Prozent, steigern konnte. Gleichzeitig ließ der Konzern wissen, man plane in Europa den Abbau von 7 500 Arbeitsplätzen. Der Kalender wollte es, dass zwei Tage später das jährliche Pressefest der PCF-Tageszeitung L'Humanité stattfand. Zum Abschluss der dreitägigen Großveranstaltung rief Hue "die Kräfte der Linken und die sozialen Kräfte" zu einer Demonstration gegen die Entlassungspläne und "für Vollbeschäftigung" auf.

Doch nicht nur die Empörung über die Michelin-Pläne legte dieses Vorgehen nahe. Die PCF-Führung brauchte dringend eine kraftvolle Initiative, um ihre Basis aus dem Motivationstief herauszubringen, in dem sie sich angesichts der schwachen Rolle des PCF in der "Linksregierung" befand. Die Mobilisierung wurde zum Eiertanz: Einerseits durfte die Kommunistische Partei die Kritik nicht zuspitzen, wollte sie nicht von Regierungschef Lionel Jospin zur Ordnung gerufen werden oder eine Kabinetts-Krise provozieren. Zum anderen konnte sie aber auch im Tonfall nicht zu zaghaft bleiben. Schließlich drohte die radikale Linke, die Initiative in eine regierungsfeindliche Richtung zu lenken. Das konnte Hue nicht ignorieren. Immerhin konnten die Trotzkisten von LO und LCR am Samstag rund 7 000 Menschen mobilisieren.

Jospins Sozialdemokraten warnten daher den PCF. An einer potenziell gegen die Regierungspolitik gerichteten Aktion werde man nicht teilnehmen. Im gleichen Atemzug ließen sie keinen Zweifel daran, dass sie die Aktion prinzipiell "legitim" fänden. Auch sie kennen den Nutzen einer Kanalisierung des sozialen Unmuts.

Der Balanceakt war aufgegangen, der PCF hatte den Spagat durchgehalten. Auch wenn Hue von einer solchen gymnastischen Übung öffentlich nichts wissen wollte: "Dies ist kein Spagat, ich stehe gut auf beiden Beinen - ein Bein in den Institutionen der Republik, das andere in der sozialen Bewegung." In der Sonntagszeitung JDD antwortete er auf die Frage, welche Botschaft Jospin vorrangig aus der Demonstration vernehmen sollte: "Dass diese Bewegung von unten nicht gegen ihn gerichtet ist, sondern seinen Erfolg wünscht." Und tatsächlich reichten die Parolen vom mehrheitlichen Wunsch, Jospin solle "weiter bei den Reformen und schneller nach links" schreiten bis hin zu klar oppositionellen Forderungen wie der nach Annullierung des Aubry-Gesetz, das der Einführung der 35-Stunden-Woche in Verbindung mit "Gegenleistungen", etwa dem Akzeptieren flexibilisierter Arbeitszeiten, dienen soll.

Der Chef der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, Jean-Marc Ayrault, erklärte am Sonntag, die Demo ändere "nichts" für die anschließende Regierungsarbeit. Aber: "Hue hat sich gegenüber der radikalen Linken gut behauptet." Ob Ayrault mit seiner Prognose, "nichts" werde sich an der Pariser Politik ändern, Recht behält, wird davon abhängen, wie der PCF sein erfolgreich bestätigtes Gewicht in die Waagschale werfen wird. Die erste Prüfung stand schon drei Tage nach dem samstäglichen Erfolg an: Am Dienstag sollte über das Aubry-Gesetz abgestimmt werden. Vorab hatten die PCF-Abgeordneten versprochen, die beschäftigungsfeindlichen Auswirkungen des Gesetzes einzudämmen.