ABC, die Katze lief im Schnee

Carc, BR-PCC, Cip, RAF - die italienischen Terror-Fahnder ermitteln einmal quer durch die Buchstaben-Suppe.

Die Hüter des Staates kamen im Morgengrauen. Im Zuge ihrer Kampagne gegen den politischen Terrorismus und die "neuen" Roten Brigaden bzw. die Kämpfende Kommunistische Partei (BR-PCC) durchsuchten Sondereinheiten von Carabinieri und Polizei auf Anordnung der römischen Staatsanwaltschaft am 19. Oktober rund 50 Wohnungen in mehreren italienischen Städten. Betroffen waren davon Centri sociali, Kollektivbetriebe und einzelne Menschen, die den so genannten Unterstützungskomitees für den Widerstand und den Kommunismus (Carc) angehören sollen.

Die Komitees rückten in jüngster Zeit verstärkt ins Visier der Ermittler, die zudem eine Spaltung bei ihnen ausgemacht haben wollen. Die Carc gehören zu einer Reihe von antiimperialistischen Gruppen, die sich für diejenigen politischen Gefangenen einsetzen, die ausschließlich auf die "Dialektik von Angriff und Verteidigung" setzen - im Rahmen einer von ihnen konstatierten aktuellen Bewegung für den Kommunismus.

Sie lehnen daher staatliche Vermittlungen gleichermaßen ab wie die von ihnen denunzierte linksalternative Geschichtsbewältigung, die den Kampfzyklus der siebziger Jahre in Italien am liebsten mit einer Amnestie abschließen will. Angeblich sollen Teile der Carc - die von den Behörden als legaler Arm einer sich neu formierenden, im Untergrund kämpfenden Kommunistischen Partei angesehen wird - in die Klandestinität abgetaucht sein.

Nun haben die Staatsschützer ein umfangreiches Dokument gefunden, das angeblich die Spaltung dieser Gruppierung belegen soll. Darin kritisiert die Carc angeblich die Ermordung des Spezialisten für Gewerkschaftsrecht, Professor Massimo D'Antona, am 20. Mai in Rom durch die BR-PCC, bzw. sie kritisiert deren Kommandoerklärung. Dieses nach ihren Angaben "interessante Papier" fanden die staatlichen Schnüffler in zwei Wohnungen, eine davon in Campanien, die andere in der Lombardei. Die zweite Unterkunft wurde angeblich häufig von dem 60jährigen Mailänder Verleger Giuseppe Maj frequentiert, der seit einigen Monaten unauffindbar ist.

Maj gilt als Gründungsfigur der Carc. Er verlegte in den achtziger Jahren Bücher wie "Das Proletariat bereut nicht", aber auch die Gefängnis-Poesie des Sozialbanditen Sante Notarnicola und druckte in seiner Zeitschrift Il Bollettino Erklärungen aus den Gefängnissen und zum bewaffneten Kampf.

Um die Buchstaben-Suppe nahrhaft zu machen, konzentrieren sich die Fahnder, die den BR-PCC hinterherspüren, neben den Carc auf eine weitere Gruppierung, nämlich das Cip (Centro di initiativa popolare) im römischen Stadtviertel Alessandrino. Die als gestohlen gemeldeten Ausweispapiere von zwei Besuchern des Cip, Francesco Spinola und Monica Arini, fanden sich zuletzt nach dem fatalen polizeilichen Zugriff auf die angeblichen RAF-Mitglieder Horst Ludwig Meyer und Andrea Klump in Wien.

Andrea Klump soll sich mit den Papieren der Frau noch Ende August bei einer Polizeikontrolle in Giano dell'Umbria (Perugia) ausgewiesen haben: Dort fand ein legales - und in der linken italienischen Tageszeitung il manifesto angekündigtes - Treffen verschiedener linker und antiimperialistischer Gruppen zur "Solidarität der Völker" statt. Bei der Heimfahrt einer Schweizerin, die ebenfalls bei dem "mysteriösen Treffen" (so die Investigatoren des Spiegel) in Giano zugegen war, wurde schließlich in deren Zugabteil eine Kopie der Kommando-Erklärung der BR-PCC zum Mord an D'Antona gefunden.

Die Strafverfolgungsbehörden fühlen sich wegen dieser Indizien nun dazu berechtigt, unter Führung des Staatsanwalts Franco Ionta gegen die linksradikalen Kreise vorzugehen und das wenige, was sich in Italien an Widerstand gegen die Nato-Kriegspolitik geregt hat, in der Öffentlichkeit in Misskredit zu bringen.

Doch nach Erklärungen verschiedener Vertreter der römischen linksradikalen Szene handelt es sich beim Cip um ein etwas zweifelhaftes Gebilde, das von den anderen Centri sociali in Rom gemieden wird. Die Vorbehalte rühren vor allem von der Person seines Gründers Alberto Luzzi her. Luzzis Mutter nämlich ist die berühmte "Zarin" des Inlandsgeheimdienstes Sisde, deren Name vor Jahren bei der Affäre um die Verwendung von Schwarzgeldern des Geheimdienstes in die Schlagzeilen geraten ist. Sie soll damit ihrem Sohn eine Wohnung und das Reisebüro, in dem er damals angestellt war, verschafft haben.

Jetzt taucht merkwürdigerweise der Name Luzzis und seines Centro im Zusammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen um die Roten Brigaden, die RAF, die Carc, die antiimperialistische Solidaritätsbewegung auf - und in einem weiteren Zusammenhang: dem Angriff auf ein Büro der Turkish Airlines in Rom.

Bei einer Solidaritätsdemonstration für die Kurden und PKK-Chef Abdullah Öcalan hatten Vermummte damals - mit Schlagstöcken und Schutzschilden ausgerüstet - das Büro aus der Demonstration heraus angegriffen und die Polizei in die Flucht geschlagen. Diese Aktion löste schon seinerzeit eine Razzia und eine Verhaftungswelle aus. Nun soll Luzzi plötzlich als Rädelsführer der Aktion fungiert haben. Ihm wird mittlerweile ebenso wie dem Verleger Maj die Bildung einer "subversiven Vereinigung" angelastet.

Die vielen Verdächtigungen, Querverweise und Vermengungen sind mittlerweile sogar einigen Staatsdienern zu viel des Guten. Bei den aktuellen Polizeiaktionen würde es sich nur um eine reine Image-Verbesserung der Behörde handeln, mit der die Öffentlichkeit zufrieden gestellt werden soll, erklärte der Sekretär der Vereinigung der Polizeibeamten, Giovanni Aliqu˜, gegenüber il manifesto. Sie weise "dunkle Stellen" auf und schade damit der Freiheit aller Bürger.