Platten und Orte

Disco thrills

Es gibt Leute, die wissen, was sie tun. Die haben eine genaue Vorstellung davon, was geht und was nicht, und selbst das Experiment, selbst das Offene ist genau geplant. Die zwei Jungs hinter Karma sind solche Kandidaten und "Thrillseekers" ist so eine Platte. Ein roter Sportwagen, der aussieht, als wäre zuletzt Steve McQueen mit ihm über die Landstraßen geheizt, grüßt vom Cover und die Musik bewegt sich in gepflegter Nähe zu Downtempo und Rare-Groove. Also programmierte Beats, gesamplete Bläsersätze und alles, was in innenstädtischen Hipster-Hang-Outs noch so läuft. Karma kommen aus Köln. Das heißt allerdings wenig, denn diese Musik hat keinen Ort, die Karma-Jungs könnten genauso aus Paris oder Berlin kommen, für ihre Musik bedienen sie sich der in ganz Europa geltenden Hipsterzeichen, seien sie visuell, akustisch oder historisch. Karma liefern das Sounddesign für Läden, in denen man Hosen kaufen kann, die zu groß sind und deshalb sitzen. Und so federt "Thrillseekers" über die Zeit - angenehm, unaufgeregt und abgehangen.

Eigentlich soll es eine Konzeptplatte sein, über das Leben eines Stuntman und über wilde Autorennen in den späten Sechzigern, aber von der Aufregung ist nichts zu spüren. "Thrillseekers" handelt eher von der Freude, zu wissen, dass es solche Veranstaltungen einmal gab. Der eigentliche Thrill hat sich aus den Zeichen verabschiedet und das, was hier gesucht und gefunden wird, sind die Förmchen, die übrig geblieben sind und jetzt auf irgendwelchen Dachböden lagern. Ein Sammelalbum mit Rennfahrer-Fotos etwa. Oder Eintrittskarten für das "Die 24 Stunden von Le Mans"-Rennen von 1967. Nur dass es eben schwierig ist, nostalgische Erinnerungen an Ereignisse zu kreieren, die vor der eigenen Geburt stattgefunden haben.

Alles Probleme, die Antonelli Electr. nicht haben. So konsequent, wie sich Design der Platte, Titel der Tracks und die Musik in eine Linie stellen, ist anzunehmen, dass sie ebenfalls wissen, was sie tun. "Me, the disco machine" heißt das Album, grau und gerastert schaut ein junger Mann aus dem Bild - die Tanzfläche im Blick. Doch die strenge Gestaltung wird durch einen silbrigen Schimmer gebrochen.

Wo auch immer diese Platte herkommt (und wir wissen es - sie kommt aus Düsseldorf), es ist klar, wo sie hin will. Dorthin, wo schöne Menschen tanzen. Und dem ist der ganze Rest nachgeordnet. Dies ist Musik, die genau weiß, warum sie sich welche Versatzstücke zusammenklaubt: Sei es das New Order-Zitat, der Giorgio Moroder-Beiklang oder die Vocoderstimme, die "automatic, ecstatic music" singt - die Leute sollen sich bewegen. Das ist minimalistisch und zugleich euphorisch, uplifting und sophisticated, übertrieben und genau. Diese Platte würde auch als die Italo-House-Spielart der Berliner Techno-Spartakisten rund um das Basic Channel-Label durchgehen: eine seltene Mischung aus Leichtigkeit und klassischer Größe.

Karma: "Thrillseekers". Spectrum Works / Groove Attack, Antonelli Electr.: "me, the disco machine". italic / EFA