Rebellische Bauern

Die französische Gewerkschaft Confédération Paysanne legt sich nicht nur mit McDonald's an.

Das Foto ging durch das ganze Land und begründete das Image eines neuen "Robin Hood", der sich mit den Reichen und Mächtigen dieser Welt anlegt. Auf dem Bild ist der französische Landwirt und Politaktivist José Bové, Viehzüchter in Montredon-du-Larzac im südlichen Zentralmassiv, zu sehen, wie er seine in Handschellen liegenden Hände zu Fäusten ballt. Ende August aufgenommen, sorgte das Foto in Frankreich für Furore.

Am 12. August 1999 wurde eine im Bau befindliche McDonald's-Filiale in Millau, zweitgrößte Stadt des südfranzösischen Départements Aveyron, von Aktivisten der linksalternativen Confédération Paysanne in ihre Einzelteile zerlegt. Nicht durch Gewalt, sondern spielerisch und in aller Öffentlichkeit. Rund 400 Personen nahmen an der Aktion teil, Kinder turnten auf den abmontierten Teilen herum, die schließlich vor der Präfektur abgeladen wurden. In den folgenden Tagen nahm die Gendarmerie vier Teilnehmer der Aktion fest.

Die Demontage der McDonald's-Filiale von Millau erfolgte als Reaktion auf Handelssanktionen, mit denen die USA - unterstützt von der Welthandelsorganisation WTO - im Sommer die EU dazu zwingen wollte, ihren Einfuhrstopp für hormonbehandeltes US-Fleisch aufzuheben. Die bäuerlichen Politaktivisten empörten sich nicht nur über diese brachiale handelspolitische Machtdemonstration. Sie sahen hierin zugleich auch die Möglichkeit, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen die im November stattfindende WTO-Tagung im nordamerikanischen Seattle zu mobilisieren.

Die Confédération Paysanne begreift sich nicht nur als Vertretung der unmittelbaren materiellen Interessen der von ihr repräsentierten Landwirte. Sie beteiligt sich auch an gesellschaftspolitischen Debatten, beschäftigt sich mit dem Verbraucherschutz ebenso wie mit ökologischen Problemen oder mit Fragen des internationalen Handels und der Solidarität mit der Dritten Welt. 1987 entstanden, kämpft die Bauerngewerkschaft gegen den "produktivistischen" Lobbyismus des bis dahin allein dominierenden Landwirteverbands FNSEA.

Bis in die achtziger Jahren, so erklärt man in der Zentrale der Confédération in der Pariser Vorstadt Bagnolet, galt der quantitative Produktionszuwachs, der durch den technischen Fortschritt zu erzielen sei, als unumstrittenes Modell für die Landwirtschaft. Im Laufe der achtziger Jahre führte dies zu Überproduktionskrisen und zur Vernichtung von Agrarüberschüssen in der damaligen EG. Die europäische Politik reagierte darauf, indem sie ab 1992 die EU-Außengrenzen für landwirtschaftliche Produkte öffnete. Einerseits sollten durch den damit erzeugten Konkurrenzdruck die unrentablen Betriebe zur Aufgabe gezwungen werden; zum anderen erhoffte sich die EU neue Absatzmärkte für ihre überschüssigen Produkte.

Die Confédération Paysanne begann schon früh, sich mit den Folgen der agrarindustriellen Exporte in die so genannte Dritte Welt, vor allem in afrikanische Länder, zu beschäftigen. Zugleich setzte sie sich für die Subsistenz-Produzenten und gegen das wachsende Gewicht der Agrarindustrie sowie für eine umweltschonende Produktionsweise ein. Bei den letzten Wahlen zu den Landwirtschaftskammern erhielt die Gewerkschaft einen Stimmenanteil von 20,6 Prozent, die FNSEA bekam knapp 60 Prozent.

In vielen Regionen knüpft die Confédération dabei an alte Traditionen an, so etwa in den "Campagnes rouges", den roten Gebieten, in denen die französische KP schon in den dreißiger Jahren erfolgreich die Landarbeiter organisieren konnte; Ähnliches gilt für das Larzac-Massiv, das zum Symbol für den erfolgreichen Widerstand der Bauern gegen ein geplantes Testgelände der französischen Armee wurde. Der Widerstand, der damals den Larzac zum Treffpunkt linksradikaler Aktivisten wie früher Ökologen machte, dauerte die gesamten siebziger Jahre über und endete 1981 - die Sozialisten machten ihr Wahlversprechen wahr und annullierten die Pläne für eine militärische Nutzung des Bergmassivs.

Die widerständigen Bauern teilten daraufhin den Boden und oftmals auch ihren Viehbestand kollektiv unter sich auf. Viele blieben neben der Landwirtschaft weiter politisch aktiv. Einer von ihnen war José Bové, der 1974, als 21jähriger Student, den Militärdienst verweigerte und sich den Bauern in Larzac anschloss.

Bové gehörte auch zu den vier Personen, die bei der Aktion in Millau festgenommen wurden. Sie sollten Anfang September gegen Hinterlegung einer Kaution von 420 000 Francs (rund 64 000 Euro) - die Summe entspricht angeblich dem entstandenen Sachschaden - auf freien Fuß gesetzt werden. Doch Bové weigerte sich zunächst, seinen Anteil zu bezahlen.

Er wollte die Publizität, die seine Inhaftierung auslösen würde, nutzen, um die öffentliche Meinung zu mobilisieren. Tatsächlich verwandelte sich die Berichterstattung über seine Untersuchungshaft bald in einen Prozess gegen McDonald's, die multinationalen Konzerne und das durch José Bové in der Öffentlichkeit so getaufte "mal bouffe", den "Drecksfraß".

Anfang Oktober erklärten sich US-amerikanische Bauerngewerkschaften dazu bereit, die Kaution für Bové zu bezahlen. US-amerikanische Gewerkschaften und Öko-Initiativen solidarisierten sich mit den Aktivisten und kritisierten in einem Appell die "Angriffe der multinationalen Konzerne auf die Qualität der Nahrung". Daraufhin zeigte sich Bové bereit, die Kaution als Symbol internationaler Solidarität zu akzeptieren.

Womit er sich gleichzeitig von all jenen distanzierte, die seine Anti-McDonald's-Aktion aus anti-amerikanischen, nationalistischen Motiven heraus unterstützten. Deren Kritik an der Welthandelspolitik gründet sich auf den Wunsch, dass Frankreich oder die EU die Rolle der USA übernehmen möge.