Anti-WTO Protest in Frankreich

Die Nation zuerst

Wenn diese Woche im US-amerikanischen Seattle gegen die "Millennium-Runde" demonstriert wird, dann sind auch Franzosen mit dabei. Als derzeit wohl prominentester unter ihnen ist José Bové, Mitglied der linksalternativen Bauern-Gewerkschaft Confédération Paysanne (Jungle World, 45/99), in die Stadt an der Westküste gereist.

Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Aktionen der linken Bauern, die sich gegen multinationale Konzerne und genmanipulierte Nahrung richteten, setzte jedoch auch ein ganz anderer Diskurs zu denselben Themen ein. Lautstark meldete sich der national-populistische frühere Innenminister Charles Pasqua Ende September in einem Gastbeitrag in Le Monde zu Wort. "Wir können Nein zur Jahrtausend-Runde der WTO sagen, so, wie der General de Gaulle Nein zum Tausendjährigen Reich zu sagen wusste", erklärte er in der Zeitung.

"Souveränismus" heißt der Begriff, der dem bisherigen, ethnisch definierten Nationalismus der Rechten - in Anbetracht einer vermeintlich unbeherrschbaren Globalisierung - neue Legitimation verleihen soll.

Profilieren will sich damit vor allem eine neue politische Kraft, die von Charles Pasqua und dem Ultra-Rechtskatholiken Graf Philippe de Villiers geführt wird. Sie versuchen, an die Stelle von Pasquas früherer Partei - der gaullistischen RPR - zu treten. Deren Einfluss in der französischen Rechten schwindet, seit sie ihre patriotischen Mythen mehr und mehr zugunsten einer neoliberalen und pro-europäischen Realpolitik aufgegeben hat. Hinzu kommt, dass der französische Neofaschismus durch seine Spaltung in zwei Parteien erstmals seit 15 Jahren spürbar schwächer wird.

Vergangenes Wochenende hielt die neue Rechtspartei in den Pariser Messehallen ihren Gründungskongress ab, in Anwesenheit des Chefs der italienischen Alleanza Nazionale (AN), Gianfranco Fini.

Und dort wurde heftig der "intellektuelle Betrug" beklagt; dieser bestehe darin, dass die gesellschaftlichen Eliten die Globalisierung als unvermeidliche Folge technologischer Entwicklungen präsentieren würden. In Wahrheit gehe sie jedoch auf politische Entscheidungen der westlichen Führungsmächte zurück, die den weltweiten Kapital- und Warenverkehr deregulierten.

Außerdem spricht sich die Charta der neuen "Sammlung für Frankreich und die Unabhängigkeit Europas" (RPF) für Law and Order und "Zero Tolerance" nach US-Vorbild, für Familienmoral und eine "geburtensteigernde Politik" sowie für strenges Vorgehen gegen illegale Einwanderung aus. Le Monde hat nun vergangene Woche den Pasqua-Berater William Abitbol und José Bové zu einer gemeinsamen Debatte eingeladen - unter dem harmonischen Titel "Zwei Versionen des Souveränismus".

Allerdings stellte sich bald heraus, dass beide grundsätzlich andere Positionen vertreten, auch wenn sie dieselben Fragen stellen. Während RPF-Chefdenker Abitbol alle Probleme auf den Gegensatz zwischen nationaler Souveränität und überstaatlichen Regelungen zurückzuführen suchte, betonte Bové, dass die Produktionsmodelle - etwa in der Landwirtschaft - in den USA, Europa und Frankreich identisch seien. Und nur global geführte Kämpfe und international erzielte Regelungen vermögen seiner Ansicht nach der "Vermarktung der Welt" Einhalt zu gebieten.