Ökologische Artenreinheit

Bayerns Grüne setzen auf Zusammenarbeit mit den rechten Naturfreunden der Ökologisch-Demokratischen Partei. Doch die ÖDP-Basis ziert sich noch.

Der Grund war schnell gefunden: Damit auch rechte Naturburschen eine politische Heimat bekommen, gründete sich 1982 die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) - als Konkurrenz zu den drei Jahre älteren, damals noch recht linken und bereits recht erfolgreichen Grünen. Heute, 17 Jahre später, lautet das geläufigste Adjektiv zur Beschreibung der ÖDP "wertkonservativ" bzw. "wertorientiert" - damals durfte man sie getrost zum Gutteil rechtsextrem nennen.

Denn neben dem aus der CDU ausgetretenen Parteigründer Herbert Gruhl spielten dort auch Menschen wie Baldur Springmann eine zentrale Rolle. Springmann, Jahrgang 1912, hatte vor seinem ÖDP-Engagement bei rechtsextremen Gruppierungen wie der Deutschen Unitarier Glaubensgemeinschaft oder der deutschen Sektion des Weltbundes zum Schutz des Lebens sein Unwesen getrieben.

Die Mehrzahl der Ökologischen Demokraten hielt zwar wenig von Springmanns naturreligiösem Öko-Rassismus, sodass er und andere sich bald abspalteten und die Unabhängigen Ökologen Deutschlands (UÖD) gründeten. Trotzdem blieb die ÖDP konservatives Auffangbecken für enttäuschte CDU-Ökologen und rechts gesinnte Grüne. So saß etwa der heutige bayerische Landesvorsitzende, Bernhard Suttner, Anfang der achtizger Jahre im Parteivorstand der bayerischen Grünen, ehe er zur ÖDP wechselte.

Inzwischen sind die Grünen allerdings selbst so weit nach rechts gedriftet, dass manchem der Gedanke kommen könnte, beide Parteien zu vereinen. Berührungsängste mit Ökologen und Friedensaktivisten aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum kannten die Grünen auch in der Vergangenheit nicht: So verhalfen sie Ende der achtziger Jahre dem Friedensbewegten Alfred Mechtersheimer zu einem Sitz im Bundestag. Inzwischen engagiert sich Mechtersheimer zwar lieber bei den Republikanern oder seiner eigenen Deutschland-Bewegung und tritt gelegentlich zusammen mit ÖDP-Dissident Springmann auf.

Er betont jedoch stets, dass er zu seiner Zeit bei den Grünen die gleichen Ziele verfolgte wie heute. "Mein Ansatz war und ist ein national-patriotischer, ob ich gegen die falsche Rüstungspolitik geschrieben habe oder dafür arbeite, dass dieses Land nicht durch unbegrenzte Zuwanderung vor die Hunde geht", erklärte Mechtersheimer 1996 in einem Interview. "Es geht nicht um rechts oder links, es geht um Deutschland."

"Es geht nicht um rechts oder links, es geht um Wählerstimmen", denken sich nun die bayerischen Grünen. Der Landesverband hat deshalb die Initiative ergriffen: In einem Brief an die ÖDP forderten die grünen Landesvorsitzenden Margarete Bause und Jerzy Montag die ÖDP-Funktionäre auf, in Zukunft gemeinsame Wege zu gehen: "Wir sind der Überzeugung, dass Ökologinnen und Ökologen ihrer Sache mehr nützen, wenn sie geeint marschieren und schlagen." Bause und Montag sind sich sicher: "Die Unterschiede zwischen Bündnis 90/Die Grünen und ÖDP sind heute bei weitem nicht mehr so groß, wie sie scheinen und als lieb gewonnene Vorurteile gepflegt werden."

Der Brief von Bause und Montag kommt nicht überraschend. Schon vor der bayerischen Landtagswahl im September vergangenen Jahres hatte die damalige Parteivorsitzende und heutige Fraktionschefin im Landtag, Ruth Paulig, angekündigt, die Grünen würden nach der Wahl Gespräche mit der ÖDP aufnehmen. Das Kalkül ist klar: Die bayerischen Grünen, die nur mit Mühe den Wiedereinzug in den bayerischen Landtag schafften, wollen sich die konservative Wählerklientel sichern. Denn links ist für die Partei kaum noch was zu holen. Seit der Regierungsübernahme in Berlin haben auch in Bayern Hunderte von Parteimitgliedern die Grünen verlassen - meist still und leise, manchmal auch mit einem Paukenschlag, so wie jüngst die Münchner Parteilinke Angelika Lex, die wegen der Panzerlieferung an die Türkei ihren Austritt bekannt gab.

Auch der bayerischen ÖDP geht es schlecht, die Partei scheint reif für die Übernahme. Nach ihrer Kampagne zur Abschaffung des bayerischen Senats und dem Landtagswahlkampf ist die Partei in eine schwere Krise geraten. Denn bei den Wahlen 1998 wurde die bislang stete Zunahme der ÖDP-Wähler erstmals gestoppt: Die rechten Ökos sackten landesweit sogar von 2,1 auf 1,8 Prozent der Stimmen ab. Ein schwerer Schlag für die Partei, auch finanziell, denn eingeplante Gelder aus der Wahlkampfkosten-Erstattung gingen erst einmal flöten.

Und auch sonst scheint die ÖDP an ihre Grenzen zu stoßen. Derzeit läuft eine Mitgliederbefragung, wie es mit der Partei weitergehen soll. Mehrere Optionen stehen dabei zur Auswahl: Sie reichen von der Auflösung der Partei über eine verstärkte Konzentration auf Kommunalpolitik und außerparlamentarische Aktivitäten bis hin zur Bildung von Wahlbündnissen mit Freien Wählern - oder den Grünen.

Auf kommunaler Ebene gibt es solche Bündnisse und Listenverbindungen längst. Die in einigen Kommunalparlamenten gepflegte Zusammenarbeit mit den Grünen wird von der Bundespartei jedoch nicht sonderlich gerne gesehen. "Die meisten unserer Wähler sind frustrierte CDU- und CSU-Anhänger, denen sind die Grünen zu links", betont die Bundesvorsitzende der ÖDP, Susanne Bachmaier. Eine Zusammenarbeit mit Bündnis 90/Die Grünen werde ihrer Partei deshalb eher schaden als den Grünen. Vor allem im gesellschaftspolitischen Bereich seien die Unterschiede zwischen beiden Parteien zudem nach wie vor groß. "Wir wollen z.B. kein Einwanderungsgesetz - die Grünen schon", so Bachmaier. Hinter dem Gesprächsangebot der bayerischen Grünen vermutet Bachmaier vor allem taktische Schachzüge: "Die wollen ihre Konkurrenz ausschalten." Trotzdem werde man auf das Gesprächsangebot der Grünen eingehen: "Wir reden mit allen demokratischen Parteien."

Ende letzter Woche jedoch machte die ÖDP-Basis den annäherungsbereiten Grünen-Funktionären vorerst einen Strich durch die Rechnung: Fast zwei Drittel der Mitglieder sprachen sich gegen ein Wahlbündnis mit den Grünen aus. Bei den Grünen dagegen hat das verbliebene Parteivolk weiterhin wenig gegen die geplante Zusammenarbeit einzuwenden. Es habe bereits vor dem Gesprächsangebot an die ÖDP Konsultationen mit der Basis gegeben, erklärt Parteisprecher Alexander Burger. "Wir haben vorher vorgefühlt und die Initiative abgestimmt - von der Basis gab es keine Bedenken." Das letzte Wort haben nun die ÖDP-Delegierten auf ihrem Parteitag im April kommenden Jahres: Ob Grün und Braun doch zusammenpassen, soll dann endgültig entschieden werden.