Territorium der Antisemiten

Der Versuch von Kurden, das israelische Generalkonsulat zu besetzen, war unberechtigt und eine Folge antisemitischer Propaganda.

Da sind sie also immer noch: Altlinke und antiimperialistische Deutsche, die sich Internationalisten nennen und Israel wegen dessen »Staatsterrorismus« angreifen wollen. Ihr Thema als Antiimperialisten ist nicht der deutsche Staat, der israelische Einrichtungen und Staatsbürger nicht ausreichend schützt - weder 1972 noch 1999. Ihr Thema als Internationalisten ist nicht der seit Jahren fortgesetzte Terror gegen israelische Einrichtungen in aller Welt und die Konsequenz israelischer Wachleute, panisch zu reagieren. Und sie beschleicht als deutsche Altlinke im Gegensatz zur israelischen Boulevardzeitung Ma'ariv nicht »ein merkwürdiges Gefühl, wenn israelische Sicherheitskräfte in wenigen hundert Metern Entfernung von dem Ort, an dem einst der Hitler-Bunker stand«, zur Waffe greifen.

Für die deutsche Linke steht anderes im Vordergrund: »Die Vermutung, dass es sich um den Mossad gehandelt haben könnte, ist keineswegs abwegig. Denn das Vollzugsorgan des israelischen Staatsterrorismus ist mehr als jeder andere Dienst auf Gangsterstücke jenseits aller zivilisatorischen Normen spezialisiert.« Werner Pirker, der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt, übernahm wie so häufig die Rolle des Sprachrohrs der antizionistischen Bewegung Deutschlands, die sich selbst links und internationalistisch wähnt. Der Kommentar erschien am 17. Februar dieses Jahres.

Am selben Tag wurden in der Berliner Schinkelstraße vier Kurden - bei dem Versuch, zusammen mit anderen Demonstranten das israelische Generalkonsulat zu besetzen - von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

»Am 16. Februar dieses Jahres veröffentlichte die führende Nachrichtenagentur dieses Landes eine Meldung, in der (...) behauptet wurde, dass eine Verbindung des israelischen Geheimdienstes mit der Verhaftung Öcalans, 'glaubwürdigen Informationen' zufolge, festzustellen sei. Diese Meldung ist zwar inzwischen in Vergessenheit geraten, ihre Konsequenzen jedoch nicht«, schrieb Din Heiman, Pressesprecher der Israelischen Botschaft, Ende März in einem Leserbrief an die FAZ, die bis heute das Gerücht weiterverbreitet.

Allein deutsche und kurdische Medien druckten die dpa-Meldung, trotz Dementis des israelischen Staates und des Mossad - es war übrigens das erste Mal in der Geschichte des Geheimdienstes, dass ein Statement zu eigenen Aktionen abgegeben wurde. Kurdische Funktionäre nahmen die Meldung zum willkommenen Anlass, die aufgebrachte Basis in die Schinkelstraße zu schicken.

Eine Woche später wurde auf einer Trauerdemonstration, an der ein großer Teil der deutschen Soli-Szene teilnahm, ein Transparent mit dem Motto »Nieder mit dem israelischen Zionismus« gehisst. Es überstand die Demonstration ebenso unbeschadet, wie sich das Mossad-Gerücht bis heute hält. Zuletzt ließ es Öcalan Ende November noch einmal über seine Anwälte verbreiten.

Ob der Mossad an irgendeiner Aktion beteiligt ist oder nicht; ob er erfolgreich agiert wie bei der Entführung Eichmanns oder erfolglos wie bei miss-glückten Abhörversuchen (1998 in der Schweiz) bzw. Attentaten (1997 gegen einen Hamas-Funktionär); ob er, wie von Shlomo Nakdimon in dem Buch »Vergebliche Hoffnung - Aufstieg und Fall der israelisch-kurdischen Allianz« beschrieben, mehr als zehn Jahre lang irakische Kurden unterstützte - all das interessiert jene nicht, deren politische Kritik auf Verschwörungstheorien über die jüdische Allmacht basiert.

Der meist als Antizionismus getarnte Antisemitismus funktioniert als Reflex und ersetzt die Reflexion: Es kann einfach nicht sein, dass so ein spektakulärer Coup wie die Verschleppung Öcalans ohne den Mossad abgelaufen ist. Xelil Achmed, Berliner ERNK-Sprecher, erklärte im Interview mit Jungle World im März: »Die Türkei ist nicht in der Lage, eine derartige Operation auf eigene Faust durchzuführen. Israel und die USA sind unmittelbar in dieses Komplott verstrickt.«

Für Öcalan gar ist »der Zionismus eine geheime, dominierende Weltmacht«. Das sind die Elemente des Antisemitismus, die einen wesentlichen Anteil daran hatten, dass Kurden das israelische Konsulat stürmten. Und nicht die Botschaften Russlands oder Italiens oder eines anderen Staates, der gelegentlich militärisches Material oder Wissen exportiert und der einen funktionierenden Geheimdienst hat.

Vier Kurden sind erschossen worden. Von israelischen Wachmännern. Dass sie sich subjektiv bedroht sahen, spricht weder gegen sie noch gegen die Angreifer, sondern gegen Deutschland, das dem Konsulat keinen ausreichenden Schutz gewährte. Mitverantwortlich sind alle, die eine Meldung für antizionistische Propaganda und Aktion genutzt haben. Wer davon schweigt und lieber Israel angreifen will, handelt antisemitisch.