Die letzte Schlacht

Der Kampf um die feindliche Übernahme des Mannesmann-Konzerns geht in die entscheidende Runde.

Das letzte Angebot lässt nicht mehr lange auf sich warten. Am 20. Dezember will Vodafone-Chef Chris Gent den Aktionären seine verbindliche Kauf-Offerte für den Mannesmann-Konzern präsentieren: rund 250 Euro pro Aktie. Der König von Vodafone ist optimistisch, dass er die erforderliche Mehrheit für eine feindliche Übernahme erreichen kann. Den von seinem Konkurenten Klaus Esser, Chef von Mannesmann, geforderten Preis von 35o Euro wies er als »unrealistisch« zurück. Dieser Wert halte »einer kritischen Überprüfung nicht stand«, sagte Gent.

Damit geht der Konflikt um die Herrschaft über den erfolgreichsten deutschen Telekom-Konzern in die vorläufig letzte Runde. Und nicht nur die voraussichtliche Kaufsumme in Höhe von rund 240 Milliarden Euro ist in der deutschen Wirtschaftsgeschichte einmalig. Bemerkenswert ist auch, wie weit die Meinungen bei Politikern und Unternehmern auseinandergehen. Wirtschaftsliberale, die sich ausschließlich an Rendite und Dividenden orientieren, begrüßen Firmenzusammenschlüsse grundsätzlich und können sich jetzt keine Ausnahme erlauben, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen. Die nationalistische Fraktion in Wirtschaft und Politik hingegen möchte, dass deutsche Konzerne gefälligst deutsch zu bleiben haben.

Zahlreiche hochrangige Politiker haben sich nach Bekanntgabe der Vodafone-Pläne empört gezeigt: Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte, er sei zwar nicht gegen ausländische Beteiligungen an deutschen Unternehmen, »wohl aber gegen bestimmte Methoden, die dabei angewandt werden«. Er will sich nun in der EU dafür einsetzen, dass Aktionäre künftig bei Übernahmeversuchen Bargeld für ihre Wertpapiere verlangen können und sich nicht mit einem Tausch gegen Aktien des fusionswilligen Konzerns begnügen müssen, wie das bei Vodafone der Fall ist.

Auch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ist aufgeschreckt. Jahrelang hat sie die Deutsche Telekom eingeschränkt, um die anderen deutschen Telekommunikations-Konzerne aufzupäppeln. Der Marktführer musste sich im Gegensatz zu seinen Konkurrenten jede Preissenkung genehmigen lassen - und einige Anträge hat die Regulierungsbehörde bereits abgelehnt. Und jetzt soll das zum Vorteil eines britisch-amerikanischen Unternehmens geschehen sein.

Arne Börnsen, der Chef der Regulierungsbehörde, hat daher prompt nach dem Übernahmeangebot von Vodafone angekündigt, die Restriktionen gegenüber der Telekom zu lockern und möglicherweise schon demnächst - also wesentlich früher als bisher beabsichtigt - gänzlich aufzuheben. Er halte es für sehr bedenklich, wenn Fusionen und Übernahmen dazu führen sollten, dass die Telekom als einziges bedeutendes deutsches Unternehmen der Branche übrig bleibe, sagte Börnsen mit Blick auf Vodafone: »Das haben wir bei der Liberalisierung des Marktes nicht gewollt.«

Mannesmann-Chef Klaus Esser hat sich gegen die Schützenhilfe der Politiker verwahrt: Sein Unternehmen wolle ausschließlich »auf Wertbasis« gegen den Übernahmeversuch argumentieren. Auch die FAZ hat in einem Kommentar die nationalistischen Parolen der Politiker ungewöhnlich scharf kritisiert: »Aus ihrem Blickwinkel entschwindet, dass sich auch deutsche Unternehmen ausländische Unternehmen außerhalb Deutschlands einverleiben. Sie reden zwar immer von der Globalisierung, aber wenn sie sich dann breit macht, wollen sie sie so nicht haben. So ist es wohl - das deutsche Wesen.«

Die Fusionsbefürworter gehen vor allem von der Annahme aus, dass ein größerer Konzern einem kleineren grundsätzlich überlegen sei, zumindest, wenn er sich auf seine »Kernkompetenz« konzentriert. Zum Beispiel bei der Forschung und Entwicklung machen sich solche Größenvorteile bezahlt: Derzeit steht die aufwendige Entwicklung der Software für den Mobilfunk mit hoher Datenübertragungskapazität an, der in den nächsten Jahren eingeführt wird. Als Tochter von Vodafone würde Mannesmann zu dem mit Abstand größten Mobilfunkanbieter Europas gehören. Das könnte für das Düsseldorfer Unternehmen einen beachtlichen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Telekommunikationskonzernen bedeuten. Esser lehnt ein Zusammengehen mit Vodafone folglich auch nicht grundsätzlich ab, sondern argumentiert nur, dass der von den Briten angebotene Kaufpreis zu niedrig sei.

Weniger klar sind die Gründe für die ablehnende Haltung der Politiker, denn in welchem Land ein Konzern seinen Hauptsitz hat, ist kaum mehr als eine Formalie. Wenn man davon ausgeht, dass es sich hierbei nicht um ein Ziel an sich handelt, sondern höchstens um ein Mittel zum Zweck von Steuereinnahmen und niedriger Arbeitslosigkeit, ist der Vorteil eines eigenständigen Mannesmann-Konzerns gering: Der Anteil der Gewinnsteuer am Staatshaushalt ist vergleichsweise klein, und ob bei Mannesmann solo oder verheiratet mehr Arbeitsplätze gesichert bzw. geschaffen werden, ist nicht absehbar.

Anders verhält es sich beispielsweise bei Philipp Holzmann: Dessen Unterstützung durch die Regierung ist nicht nur Ausdruck des korporatistischen Rheinischen Kapitalismus, sondern auch wichtiger Bestandteil der Strategie, die Konjunktur in der Bundesrepublik mittels des Exports anzuheizen, denn der Baukonzern erwirtschaftet fast die Hälfte seines Umsatzes im Ausland, alleine ein Drittel bzw. vier Milliarden Mark in den Vereinigten Staaten.

Doch die Politiker-Parolen scheinen weniger Ausdruck ökonomischen Kalküls zu sein als vielmehr populistische Anbiederungen an nationalistische Ressentiments; hinter ihnen steht der Versuch, vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Ängste um den Arbeitsplatz auszunützen.

Derzeit können Schröder und seine Landesfürsten noch zuversichtlich sein, denn Mannesmann scheint im Rennen gegen Vodafone noch knapp vorne zu liegen. Zwei Großaktionäre haben angekündigt, ihre Anteile nicht in solche von Vodafone einzutauschen: Der Altersvorsorge-Fonds des amerikanischen Gewerkschaftsverbands AFL-CIO hält 13 Prozent des Kapitals, in den Händen von Hutchinson Whampoa, dem ehemaligen Großaktionär der gerade von Mannesmann übernommenen Firma Orange, befinden sich zehn Prozent. Auch die meisten der Mannesmann-Beschäftigten, die insgesamt acht Prozent der Aktien ihres Unternehmens halten, sind gegen den Zusammenschluss.