Das Kohl- System

Der Macher

Ein Politiker macht ein Versprechen. Der Bevölkerung, der Geschäftswelt, den Arbeitgebern oder -nehmern, seinen Wählern. Ob er das Ehrenwort überhaupt einlösen kann, interessiert niemand, ihn selber am wenigsten: Der Mann hat Macht, also wird er das schon deichseln. Der Markwert eines Politikers bemisst sich danach, ob er »Unmögliches möglich machen« kann, ob er »Himmel und Erde in Bewegung setzt« und »glühende Kohlen aus dem Feuer holt«. Weil er dieses Image noch besser pflegte als sein Amtsvorgänger, wurde Gerhard Schröder zum Bundeskanzler gewählt: ein Macher.

Wie der Macher eigentlich macht, das darf seine eigene Sache bleiben, zumindest solange er irgendwie für uns macht. Denn schließlich sitzen wir ja alle in einem Boot, und was geht es den Heizer an, wie der Kapitän navigiert? Schlagen Sie mal im Geschichtsbuch nach, wo wir vor fünfzig Jahren waren, und dann sehen Sie, wie gut's uns jetzt geht. Da wollen wir auch nicht immer so genau wissen, wie das eigentlich über die Bühne gegangen ist.

Oder nehmen Sie Ostdeutschland: Da war doch nichts, bzw. was da war, das hatte nur noch Schrottwert. Und heute: blühende Landschaften, zumindest fast. Und wer hat das alles eingefädelt? Der Kohl. Der, der jetzt immer so madig gemacht wird.

Mit Leuna zum Beispiel konnte man überhaupt nichts mehr anfangen. Und da hatte Kohl die geniale Idee, das einfach zusammenzubinden mit der Minol: Wer uns in der sächsischen Tiefebene einen neuen Industriekomplex hinstellt, der bekommt dafür das Tankstellenmonopol auf dem Gebiet der früheren DDR. Ein Spitzenangebot.

Aber Kohl war noch schlauer: Sein Freund Frongsoa, wie er immer sagte, hatte schon 1989 gesagt, das mit der Wiedervereinigung mache ihn ein bisschen nervös: 80 Millionen Deutsche, und dann noch diese ganze Wirtschaftskraft, man wisse ja, wo das hinführen könne. Aber Kohl hatte seinen Metternich gelesen und wusste, was in so einem Fall zu tun ist: einbinden. Und was hätte sich dafür besser geeignet als das Tankstellenmonopol nebst Industriesanierung. Da ist der Franzose glücklich, weil er mitverdienen darf an der Wiedervereinigung, der Sachse ist glücklich, weil er weiter im Chlorwerk malochen darf, und nicht zuletzt ist der Helmut Kohl glücklich, weil er mal wieder ganz super dasteht.

Aber wie stellt man's an? Macht man's zu billig, werden andere auch Interesse kriegen. Macht man's zu teuer, steigt der Franzose aus. Schwierig, schwierig. Aber Kohl hatte die Lösung schon: Wir machen's einfach teuer, und dann gibt's über Subventionen alles wieder zurück. Und wenn wir uns nicht ganz dumm anstellen, dann müsste für die Partei dabei auch noch einiges rumkommen.

Und so wurde es gemacht. Es gab nur Sieger bei der Sache, aber der Hauptsieger hieß Helmut Kohl: Er hatte das Versprechen gehalten, das er im Wahlkampf 1990 den Chemiewerkern in Buna gegeben hatte; er hatte das Versprechen gehalten, das er Mitterrand gegeben hatte, die Franzosen am ostdeutschen Kuchen zu beteiligen; und er hatte wohl auch das Versprechen gehalten, das er nur sich selbst gegeben hatte: dass die CDU, wenn soviel Schotter über den Tisch geschoben wird, auch nicht ganz leer ausgehen soll.

Helmut Kohl hatte also wieder einmal gezeigt, dass er ein Macher ist. Doch geliebt wird der Macher nur, solange er macht. Sobald er sich einmal zurücklehnt und selbstzufrieden sein Werk betrachtet, richten sich tausend Finger auf ihn, und ein vielstimmiger Chor klagt an: Siehe, da ist er, der gemacht hat! Vergessen sind die Zeiten, da alle ihn geliebt haben, weil er gemacht hat. Was er gemacht hat, das finden zwar immer noch alle gut. Aber er hätte es doch bitte tun sollen, ohne die Schmutzspur der Korruption auf diesem System zurückzulassen. Das dann aber nicht mehr dieses System wäre.