Jammern und Klagen

Schlechte Aussichten für linke Asta-Verbände: Das allgemeinpolitische Mandat bleibt kriminalisiert.

Ob in Indonesien oder im Iran, wenn in der weiten Welt Studierende für das Recht auf politische Meinungsäußerung eintreten, stoßen sie hier gemeinhin auf Wohlwollen. Anders sieht es mit der so genannten Meinungsfreiheit im eigenen Land aus: Zumindest nach Ansicht deutscher Verwaltungsgerichte sollen sich die studentischen Institutionen auch weiterhin nicht zu politischen Themen äußern dürfen. Daran, so lassen Urteile der jüngsten Zeit befürchten, wird sich auch im Jahr 2000 nichts ändern.

Schon seit Ende der sechziger Jahre müssen sich linksorientierte Asten wegen allgemeinpolitischer Äußerungen in »Maulkorbprozessen« verantworten. Die Kläger: Republikanischer Hochschulverband (RHV, akademischer Ableger der rechtsextremen Republikaner), Burschenschafter und Korporierte, sowie neuerdings wieder verstärkt der CDU-nahe RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten). Und wie immer wieder dieselbe illustre Klage-Gemeinschaft auftritt, gleichen sich auch die Vorwürfe: mangelnder hochschulpolitischer Bezug von Asta-Veranstaltungen und -Veröffentlichungen sowie Wahrnehmung eines allgemeinpolitischen Mandats.

Dabei folgen die rechten Organisationen ebenso wie die Richter im Wesentlichen einer Argumentationslinie des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) von 1979. Das BVG hatte die Organe der verfassten Studierendenschaft (VS) als »öffentlich-rechtliche Zwangsverbände« charakterisiert. Mit allgemeinpolitischen Äußerungen ihrer Vertreter würden die einzelnen Mitglieder, also die Studierenden, in ihrem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt. Die Verwaltungsrichter definierten Aufgaben und Kompetenzen der VS dahingehend, dass »Umfang und Grenzen ihres möglichen Wirkungskreises in der Wahrnehmung studentischer Interessen bestehen«. Was jedoch studentische Interessen sind und wo die Grenze zwischen hochschulbezogener und allgemeiner Politik verläuft, bestimmen in letzter Zeit hauptsächlich die Gerichte.

Und das mit einschneidenden Folgen für die beklagten Studierendenschaften: Der Asta der FU Berlin wurde im März dieses Jahres zu einer Ordnungsstrafe von 10 000 Mark verurteilt, weil er im Wintersemester 1998/99 eine Veranstaltung »Rassistische Diskurse - rassistischer Alltag« organisiert hatte. Diese habe keinerlei Hochschulbezug aufgewiesen, urteilte das Gericht, obwohl dort u.a. über Rassismus unter Studierenden referiert worden war. »Wie sollen wir den Opfern rassistischer Gewalt helfen, wenn wir nicht einmal mehr die rassistischen Strukturen an der Hochschule aufzeigen dürfen?« fragt sich Pascal Meiser vom FU Asta. »Erst wenn der erste Schwarze geklatscht wurde, dürfen wir aktiv werden.«

Einen vorläufigen Höhepunkt nahm die rechte Klagewelle Anfang November in Marburg. Dort sind die ehemaligen Asta-Vorsitzenden Judith Klapproth, Stefan Mielchen und Pia Meier vom Landgericht Marburg zu Geldstrafen zwischen 500 und 1 000 Mark auf Bewährung verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft warf den Dreien »zweckwidrige Verwendung studentischer Gelder« vor. Beanstandet wurden beispielsweise die Finanzierung einer Broschüre für schwule Studenten, ein Druckkosten-Zuschuss für das Kurdistan-Info sowie die Einrichtung eines feministischen Archivs. Zu dem Prozess kam es nach zahlreichen Klagen durch den Funktionär des republikanischen Hochschulverbandes, Eike Erdel. Erdel, Burschenschafter und Autor der rechtsextremen Jungen Freiheit, hatte seit Ende 1996 den Asta mit Bußgeldverfahren überzogen, die diesen Ordnungsgelder von insgesamt 26 ooo Mark kosteten. Angesichts seines juristischen Erfolges fordert Erdel gleich die generelle Abschaffung der verfassten Studierendenschaften.

»Mit dem Marburger Urteil haben die Klagen gegen das politische Mandat eine neue Stufe erreicht«, meint Carsten Peters vom Asta der Uni Münster: »Die Angeklagten werden wegen ihres politischen Engagements persönlich kriminalisiert.« Erdel dagegen ist vor Kritik geschützt: Auf seinen Antrag hin wurden dem Marburger Asta auch Stellungnahmen zu Burschenschaften und Verbindungen untersagt, »soweit sie über eine weltanschaulich und politisch neutrale Sachdarstellung hinausgehen«.

Auch den Osten hat's mittlerweile erwischt: In einer Einstweiligen Anordnung ist der Studierendenvertretung der Berliner Humboldt-Universität, dem ReferentInnen-Rat, Ende November jede allgemeinpolitische Äußerung untersagt worden. Geklagt hatten u.a. sechs RCDS-Mitglieder, über E-Mails angeregt vom Münsteraner Dauerimmatrikulierten René Schneider.

Schneider ist in Asta-Kreisen kein Unbekannter. Seit 1994 zerrte er den Münsteraner Asta insgesamt 24 Mal vor den Kadi. Nebenbei verhalf er dem Jungle World-Autor Holm Friebe zu kurzfristiger Popularität in der Bild-Zeitung. Friebe hatte in der Asta-Zeitung links vom Schloss 1994 eine Satire mit dem Titel »Wie ich einmal bei der RAF war« veröffentlicht und darin die RAF als SchülerInnenbande lächerlich gemacht. Die Folge: Auf Schneiders Initiative hin lief gegen Asta und Friebe ein Verfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Schneider, der nach eigenen Angaben inzwischen seinen Lebensunterhalt durch solche Klagen verdient, gründete 1993 das Institut für Hochschulrecht, um Einzelpersonen im Kampf gegen unliebsame Studierendenvertretungen zu unterstützen.

Unterstützung erhalten die rechten Kläger jetzt auch von parlamentarischer Seite. Die CDU hatte vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen eine Klage gegen die Novellierung des dortigen Universitätsgesetzes von 1997 angestrengt, in dem die Kompetenzen der Studierendenschaften erheblich erweitert wurden. Unter anderem wird ihnen darin die Aufgabe zugewiesen, die politische Bildung der Studierenden zu fördern, Stellungnahmen zu wissenschaftspolitischen Fragestellungen zu veröffentlichen und in Medien aller Art die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen zu ermöglichen. Die Klage ist vorerst abgewiesen worden.

Den Asten bleibt nicht mehr viel politischer Spielraum, wollen sie sich nicht mit weiteren Ordnungsgeld-Verfahren mundtot machen lassen. Eine Möglichkeit wäre, auf die Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) zu drängen und dort ein allgemeinpolitisches Mandat festschreiben zu lassen. Doch darauf lässt die rot-grüne Bildungspolitik bisher nicht hoffen.