Aufenthaltsgenehmigung für Illegalisierte in Belgien

Ausgetrickst

Chaos auf den Straßen, Dauer-Staus auf der A 44, Hupkonzerte am deutsch-belgischen Grenzübergang Lichtenbusch. Der Grund: Die belgische Regierung hat letzte Woche das Schengener Abkommen ausgesetzt.

Ein einmaliger Vorgang, seit das Abkommen 1995 in Kraft trat. Damals hatten sich die beteiligten Staaten darauf geeinigt, weitgehend auf Personenkontrollen zwischen den Ländern zu verzichten. Nur nach außen wurden die Schotten dicht gemacht. Aber kein Grund zur Aufregung. Die belgische Regierung hatte schließlich einen guten Grund für den Bruch des Abkommens: Illegale Zuwanderung nach Belgien soll verhindert werden.

Kein Wort der Kritik kam denn auch vom deutschen Innenminister Otto Schily, als ihn sein belgischer Amtskollege Antoine Duquesne letzte Woche in Berlin besuchte. Stattdessen vereinbarten sie den Abschluss eines Abkommens zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, um die Einwanderung nach Europa besser unter Kontrolle zu halten.

Hintergrund des belgischen Vertragsbruchs ist das so genannte Regularisierungsprogramm, das letzte Woche in Kraft trat: Drei Wochen haben illegal eingewanderte Personen nun Zeit, um eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Vorausgesetzt, sie leben nachweislich seit sechs Jahren in Belgien - oder warten seit mindestens vier Jahren auf ihren Asylbescheid. Wer in seinem Herkunftsland verfolgt wird und deshalb derzeit nicht abgeschoben werden kann oder schwer krank ist, darf sich ebenfalls um eine Aufenthaltsgenehmigung bewerben.

Menschenrechtsgruppen haben schon seit Jahren versucht, eine derartige Legalisierungs-Aktion mit Demonstrationen und Kirchenbesetzungen durchzusetzen. Aber erst nach dem Regierungswechsel im Sommer letzten Jahres kam Bewegung in die Sache. Im Gegensatz zu den deutschen Grünen machten die belgischen Schwesterparteien Agalev und Ecolo die Legalisierung langjähriger Illegaler zur Bedingung für den Eintritt in die Sechsparteienregierung des liberalen Premiers Guy Verhofstadt.

Allerdings ging die Regierung auch auf Forderungen flämischer Liberaler und rechter Oppositionsparteien ein: So nahm sie die Abschiebungen von abgewiesenen Asylsuchenden wieder auf, die - nach dem Tod der Nigerianerin Sémira Adamu auf einem Abschiebeflug - vorübergehend ausgesetzt worden waren. Die Personenkontrollen im Inneren des Landes wurden verschärft. Und auch die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen ist ein Zugeständnis an die Rechten.

Aber von den etwa 70 000 illegal in Belgien Lebenden haben sich in den ersten Tagen der Regelung ohnehin nur sehr wenige auf den Ämtern eingefunden, um Papiere zu beantragen. Die Hürden für die Antragstellung sind sehr hoch und das Misstrauen der Einwanderer auch. Die Aktion hat ein Vorbild: Auch die französische Regierung hatte 1997 eine Legalisierungs-Kampagne durchgeführt. Im Vertrauen auf die Versprechungen der Regierung Jospin meldeten sich 140 000 Sans-papiers bei den Behörden. Mit Erfolg: Fast die Hälfte der Anträge wurde abgelehnt, einige Antragsteller wurden sofort abgeschoben.

Ein Modell auch für Belgien: In der letzten Woche führte die Polizei im Brüsseler Immigrantenviertel St. Gilles eine Razzia durch. Die Beamten durchsuchten 31 Wohnungen von illegalen Einwanderern, 27 Ausweisungsbefehle wurden zugestellt. Die Adressen bekam die Polizei von den Gemeinden, bei denen sich die Immigranten melden mussten, um ihre Antragsformulare zu bekommen.