Bewegungswissenschaft

Schöner tanzen

»Let's dance« - der von David Bowie entliehene Refrain bildet das Leitmotiv der Studentengruppe um die Tübinger Kulturwissenschaftlerin Ute Bechdolf bei ihren »Empirischen Untersuchungen zu Formen des alltäglichen Tanzvergnügens«.

Der etwas geholzte Untertitel kündigt an, worin der Charme der 24 Beiträge liegt: Mit dem leicht naiv-wissenschaftlichen Stil einer deutschen Hausarbeit werden die Phänomene der Tanzkultur hierzulande unter die Lupe genommen. Vom Hausfrauenballett über den Schmuseblues bis zum dreitägigen Rave geht die Reise, und dabei wurden aussagekräftige Stimmen eingefangen - Stichwort: »Korb holen»: »Man steht da und versteht die Welt nimmer. Da möchte man nur noch, daß der Boden aufgeht und du versinken kannst, damit niemand dich sieht mit seinen dreckigen Blicken und sich lustig macht über dich.«

Und weil die angehenden Wissenschaftler den Aussagen ihrer Gewährsleute, wegen des Interviewerparadoxons dennoch nicht ganz über den Weg trauten und genau bleiben wollten, blieb nur eins: selber tanzen.

Charmant sind die Erlebnisberichte und Analysen deshalb, weil sie so unaufdringlich gehalten sind und sich auch im Bereich Techno nicht dem gängigen Schreibstil der Populärwissenschaft anverwandeln. Man bleibt im grünen Bereich: »Arbeiten über die historische Entwicklung von Tanzformen und -wellen haben wir verwendet, um den Blick für den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Tanz zu schärfen. Wir selbst haben keine geschichtlichen Themen bearbeitet, sondern sind in aktuellen Tanzräumen ethnographisch forschend vorgegangen, um der gesellschaftlichen Reproduktion von Tanzlust auf die Spur zu kommen.« Und dabei mussten die Autoren feststellen: »Es gibt offenbar keine Kultur, in der Menschen nicht tanzen.« Selbst in den Räumlichkeiten der näheren Umgebung des Studienortes nicht: Die hier behandelte Tanzlust beschränkt sich aufs Tübinger und Stuttgarter Umland - wo sie manch einer gar nicht vermutet hätte.

Doch Schwaben scheint auch die Heimat von afrikanischem Trommel- und orientalischem Bauchtanz zu sein, von Teetanzkränzchen und Tango Argentino. Die Motivation der Tänzer ist - wir kennen es von uns selbst, aber schreiben es selten irgendwo auf - eindeutig erotischer Natur, geschrumpft zum noch eindeutigeren Satz: »Weil's Spaß macht.«

Weil es aber nicht immer so einfach zugeht, enthält der Band auch einen bemerkenswerten Aufsatz zum Thema Spaßverhinderungsmechanismen: »In dance we are one nation. Zum Umgang mit Nationalität und Ethnizität im Techno« und über die »Türpolitik« der Rausschmeißer, die im Gegensatz zur vermeintlichen Offenheit der Techno-Familie steht: »Wir können uns offene Türen nicht erlauben«, sagt der Besitzer einer Reutlinger Diskothek, »und dem Ideal einer absolut toleranten Gesellschaft hinterherhinken - das wäre der Tod«.

So sammelten die Autorinnen und Autoren an der Basis Material, und weil die Projektgruppe nicht auf ihren Forschungsergebnissen sitzen bleiben wollte, entschied sie sich letztes Jahr für eine Präsentation in Ausstellungsform, packte ihre Fotos und Texte in einen Bus, der von Tanzort zu Tanzort fuhr. Und da hat sich die Basis hoffentlich wiedergefunden.

Ute Bechdolf (Hg.): Tanzlust. Empirische Untersuchungen zu Formen alltäglichen Tanzvergnügens. Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1999, 229 S., DM 38