Entwaffnung in Nordirland

Streit um die Lanze

Nach gerade einmal zwei Monaten drohen die unionistischen Parteien und die britische Regierung, die Selbstverwaltung Nordirlands schon wieder zu beenden. Als Begründung dienen wie seit Jahren die Gewehre der IRA. Während im Karfreitagsabkommen von 1998 die Regierungsbildung nicht von einer Entwaffnung der paramilitärischen Verbände abhängig gemacht wurde, hilft dieses Junktim den protestantischen Unionisten nun, ihre Macht abzusichern.

Die IRA hat die eigene Demilitarisierung bisher immer davon abhängig gemacht, dass die gesamte nordirische Gesellschaft abgerüstet werden muss: Abzug des britischen Militärs, Auflösung der pro-britischen Todesschwadrone, Abschaffung der nordirischen Polizei und Einzug von 100 000 Schusswaffen, die sich im Privatbesitz der Protestanten befinden. Nun gibt es Gerüchte, dass die IRA bereit sein soll, einseitig Waffen zu vernichten. Das wäre einmalig in der zweihundertjährigen Geschichte des militanten Republikanismus. Bis zu diesem Tage ist »the pike in the hatch« (die Lanze auf dem Dachboden) ein fester Referenzpunkt. Ging eine militante Kampfphase zu Ende, wurden die Waffen vergraben; bei einer neuen Runde der Auseinandersetzung wurden sie wieder hervorgeholt. So war es schon 1969, als die Veteranen der alten IRA den jungen Militanten ihre Revolver zur Verteidigung der katholischen Wohnviertel gegen loyalistische Pogrome übergaben.

Auch dieses Mal ist das Problem der unionistischen Vorherrschaft nicht gelöst - selbst wenn die Regionalregierung im Amt bleiben sollte. Es wissen auch alle, dass sich neue oder alte militante Gruppen jederzeit wieder bewaffnen können. Die Real IRA - eine Abspaltung der durch Sinn Féin repräsentierten IRA - hat schon angefangen, Schusswaffen aus den USA zu importieren und außerdem einige Waffenbunker ihrer ehemaligen GenossInnen leergeräumt. Wie Sinn-Féin-Chef Gerry Adams vor Jahren richtig bemerkte, ist es nur eine Frage der politischen Konstellation, ob eine neue Generation den bewaffneten Kampf wieder aufnimmt. Insofern kann sich der geneigte Zuschauer beruhigt zurücklehnen und abwarten, was die politischen Gezeiten in den kommenden Jahren für Nordirland bereithalten.

Das politische Problem für die Linke in Nordirland besteht darin, dass die republikanische Bewegung immer noch die überwiegende Mehrheit der katholischen ArbeiterInnenklasse repräsentiert. Nach 30 Jahren Ausnahmezustand scheint vielen ein brüchiger Friede und ein bisschen Gleichberechtigung besser als die Fortsetzung des Abnutzungskrieges. Es gibt heute zwar kein Zurück zu den Zeiten ungebrochener unionistischer Vorherrschaft, es gibt aber auch keinen Ausbruch aus dieser.

Anfang der siebziger Jahre wurden die Wohngebiete der katholischen ArbeiterInnenklasse durch Barrikaden dicht gemacht. Bis heute blieb diese Selbstorganisierung der einzig wirksame Schutz gegen unionistische Repression und loyalistischen Terror. Nur dafür lohnt es zur Zeit, die Waffen der IRA bereitzuhalten - und gegebenenfalls herauszurücken.