Jack Straw und die Flugzeugentführer

Hi, Jack!

Ende gut, alles gut, könnte man denken, betrachtet man sich das gelungene Hijacking der afghanischen Boeing 727. Der Inlandsflug von Kabul nach Mazar-e-Scharif war ein wenig verlängert worden. Nach kurzen Zwischenstopps in Usbekistan, Kasachstan und Moskau landete die Maschine am vorletzten Sonntag auf dem britischen Flughafen Stansted. Vier Tage später endete die Entführung ohne Blutvergießen: Die Geiseln frei, die Entführer nicht von den Sondereinsatzkommandos erschossen.

Aber es ist wie so oft: Das dicke Ende kommt danach. Denn was soll nun mit dem menschlichen Strandgut aus der Maschine passieren?

Zunächst stellt sich den britischen Behörden das Problem der Sortierung: Wer an Bord der gekaperten Boeing war Entführer? Wer war mit den Hijackern verwandt - also verdächtig, mit ihnen konspiriert zu haben? Und wer war normaler Passagier, der jetzt die Gelegenheit beim Schopfe packt und sich Asyl im sonnigen Großbritannien erschleichen will?

Denn es stellt sich ein kleines Problem: Die Zahl der Passagiere, die zurück nach Afghanistan wollen, schrumpft von Tag zu Tag. Von den rund 150 Geiseln waren es bis zum Wochenende noch ganze 17, die sich wieder unter die Fittiche der in Kabul herrschenden Taliban begeben wollten. Die restlichen wollen Asyl. Sie haben keine große Sehnsucht nach ihrer »Heimat«, dem angestammten »Kulturkreis« mit den gewohnten Sitten und Gebräuchen.

Das ist schlecht. Denn in der britischen Boulevardpresse brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Daily Star titelte: »Oh nein, die wollen alle hier bleiben«. The Sun schrieb: »Warum muss unsere Sonderpolizei eine Horde von Asylanten umzingeln? Und warum müssen wir für alles bezahlen?«

Da wollte sich auch das konservative Flaggschiff Times nicht lumpen lassen: »Flüchtlinge sind die neuen Piraten der Luft«, konnte man da lesen, »ein alarmierender Trend für Großbritannien« - als würden demnächst Schwärme gekaperter Maschinen aus aller Welt den Himmel über London verdunkeln. Und unschuldig schob das Blatt am Freitag einen Artikel mit der Überschrift hinterher: »Die Steuerzahler erwartet eine 500 000-Pfund-Rechnung, wenn (den Afghanen) Asyl gewährt wird«.

Und was ein echter sozialdemokratischer Innenminister ist, dem kommen solche Töne gerade recht. Jack Straw, das britische Pendant zu Otto Schily, erklärte vergangene Woche munter: »Unter solchen Umständen (dass es sich ursprünglich um einen Inlandsflug handelte) scheint es unvorstellbar, dass Personen auf dem Flug beabsichtigten, politisches Asyl zu beanspruchen, außer natürlich, sie waren Komplizen beim Hijacking.«

Wer Asyl beantragt, war Komplize - eine Logik, der auch die islamistischen Taliban folgen. Die haben schon die Rückkehr aller Passagiere gefordert, damit »der Terrorismus in Zukunft nicht ermutigt wird«, wie es der »Außenminister« der Taliban formulierte. Den Entführern droht unter den Gotteskriegern die Hinrichtung, und was zurückkehrenden Passagieren in einer Untersuchung der Vorfälle nach Scharia-Vorschriften blüht, mag man sich auch nicht vorstellen.

Da ist guter Rat teuer für die britischen Behörden. Am Samstag verlautete aus dem Innenministerium, man habe Russland und Pakistan gefragt, ob sie nicht 125 der Ex-Geiseln aufnehmen wollten. Eine Sprecherin des Außenministeriums wiegelte ab: Man erkunde lediglich, ob einige der ehemaligen Geiseln in Drittländern in »afghanischen Communities« unterkommen könnten. Was haben schließlich afghanische Barbaren in der europäischen Zivilisation verloren?