Hochzeitsbild in Öl

Die auf schmutzige Geschäfte spezialisierten Erdöl-Giganten TotalFina und Elf Aquitaine fusionieren.

Eine neue Megafusion steht dem globalen Kapitalismus ins Haus. Nach vier Monaten andauernden Untersuchungen hat die Brüsseler EU-Kommission vergangene Woche ihren Segen zur Vereinigung der beiden französischen Erdöl-Giganten TotalFina und Elf Aquitaine gegeben. Erst 1999 hatte die Total-Gruppe den belgischen Erdölkonzern Petrofina geschluckt.

Der Zeitpunkt liegt ungünstig für die Konzernriesen, gehen doch beide mit erheblich ramponiertem Image in die Ehe. Während Elf in die Schmiergeld-Affäre auf beiden Seiten des Rheins verwickelt ist, hat TotalFina wegen des Tankerunfalls vor der bretonischen Atlantikküste mit Image-Problemen zu kämpfen.

Ausgerechnet die Belle ële, die »Schöne Insel« - normalerweise ein Vogelparadies und beliebtes Ausflugsziel - gleicht heute einer pechschwarzen, stinkenden Kloake. Am 12. Dezember 1999 sank hier der Öl-Tanker »Erika«, beladen mit 34 000 Tonnen Rohöl. Die Bilder von verschmutzten Stränden und Seevögeln mit ölverklebtem Gefieder kamen den Franzosen bekannt vor: 1978 war der Tanker »Amoco Cadiz« ebenfalls vor der bretonischen Küste gesunken. Doch während die »Amoco Cadiz« auf hohem Meer gesunken war und daher der Großteil ihrer Öl-Vorrate abgefangen werden konnte, ging die »Erika« nur 60 Kilometer vor der Küste auf Grund. Das ausgelaufene Öl erreichte ungehindert den Strand. Und das Unglück ist noch lange nicht zu Ende: Nach jüngsten Schätzungen ist bisher nicht einmal die Hälfte der Öl-Ladung ausgetreten. Erst in den nächsten Wochen und Monaten wird das restliche Öl aus dem Bauch der »Erika« abgepumpt werden können oder einfach in das Meer entweichen.

Viele Anwohner und Beobachter kritisieren, dass aus den Schäden von 1978 nichts gelernt worden sei. Selbst Politiker und Journalisten, die weit entfernt von einer Gegnerschaft zum Kapitalismus sind, führen das erneute Tankerunglück auf »die ungebremste Jagd nach Rentabilität und Profit« zurück. Frankreichs Premierminister Lionel Jospin sprach anlässlich seiner Neujahrs-Wünsche vom »wilden Kapitalismus«, sein großer Konkurrent an der Staatsspitze, Präsident Jacques Chirac, ließ sich im Januar über den »ungezügelten Wettlauf nach Profiten« aus.

Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei der TotalFina-Konzern. Rund 30 000 Bewohner der westfranzösischen Regionen demonstrierten am ersten Februar-Wochenende in Nantes. Sie machten vor allem TotalFina für das Unglück verantwortlich.

Nach und nach erfuhr die Öffentlichkeit in den letzten Wochen erschreckende Details über die »Erika«, die mit ihrer gefährlichen Fracht durch den Ärmelkanal geschippert war, bevor ihr Kapitän die Kontrolle über das Schiff verlor. Bei dem Tanker handelte es sich um eine 24 Jahre alte Rostlaube. Zum Vergleich: Die US-Amerikaner verweigern seit dem Unglück der »Exxon Valdez« von 1989 allen Tankern die Einfahrt in ihre Häfen, die älter als 15 Jahre sind. Die »Erika« war jahrelang in Panama und später in Liberia registiert, zwei Ländern, die im Schiffsverkehr als Billigflaggen-Staaten bekannt sind. Das sind Länder, in denen internationale Gesellschaften - oft mit Sitz in Nordamerika oder Westeuropa - ihre Schiffe eintragen lassen, um die in ihren Herkunftsländern geltenden Sozial- und Sicherheitsstandards zu unterlaufen.

Trikont-Staaten wie Liberia werden regelmäßig beschuldigt, durch ihre Billigflaggen-Politik ein Dumping der Sicherheitsstandards einzuleiten. Die Kritik ist zwar richtig, verschweigt jedoch, dass viele Eigentümer der dort registrierten Schiffe aus den reichen Industrieländern stammen. Zudem wird in Europa wird längst eine ähnliche Politik betrieben.

In Frankreich beispielsweise schuf 1987 die Regierung des damaligen Premierministers Chirac eine maritime Sonderzone auf den Kerguelen. Der ebenso unwirtliche wie unbewohnte Archipel im südlichen Indischen Ozean beherbergt heute die Mehrheit der französischen Handelsflotte. Die Sonderregelung von 1987 erlaubt es den Reedereien, hier die in Frankreich geltenden Regeln im Schiffahrtsbereich zu unterlaufen. In der Regel werden dabei einfache Mannschaften aus Dritte-Welt-Ländern angeworben, während die qualifizierteren Posten mit Europäern besetzt sind.

Auch die »Erika« gehörte zunächst einer in New York ansässigen, später einer norwegischen Gesellschaft. Zum Zeitpunkt ihres Untergangs war sie in Malta registriert. Doch immer noch ist nicht bekannt, wem die »Erika« eigentlich gehörte. Die Untersuchungskommission, die vor Wochen vom französischen Parlament eingesetzt wurde, sah sich bisher nicht in der Lage, die Eigentumsfrage der »Erika« zu klären.

Der Total-Konzern heuerte den Schrotthaufen für seine Öl-Transporte an, um die Kosten zu drücken. Die Risiken müssen den Auftraggebern klar gewesen sein. Der Shell-Konzern hatte nach Angaben der Tageszeitung Libération die Dienste der »Erika« abgelehnt, da ihm das Risiko zu hoch erschien. Bei TotalFina hat man das offenkundig anders gesehen.

Der Canard encha»né behauptet inzwischen, bei der Ladung, die offiziell als Erdöl deklariert wurde, handelte es sich tatsächlich um einen Raffinerie-Rückstand, der stark mit Schwefel und giftigen Schwermetallen belastet war. In der EU, so die Wochenzeitung, hätte dieser Stoff nicht in Kraftwerken eingesetzt werden dürfen, sondern als Sondermüll in einer speziellen Anlage verbrannt werden müssen. Um die Kosten von rund 450 Francs (75 Euro) pro Tonne zu vermeiden und noch Gewinn aus dem Abfallprodukt zu schlagen, sollte die Ladung der »Erika« zunächst in Italien mit anderen toxischen Stoffen vermischt und dann in den italienischen Ex-Kolonien Äthopien und Somalia verheizt werden - was wegen der geltenden Umweltstandards an keinem Ort in der EU möglich gewesen wäre.