Diplomaten von McDonald's

Gefährliche Orte XCII: Neben dem Brandenburger Tor soll die US-Botschaft neu gebaut werden. Aber nicht um jeden Preis, meint der Berliner Senat.

Man macht »Fortschritte«. Und das nicht erst seit der vergangenen Woche. Und auch nicht erst seit vergangenem Jahr. Genau genommen schon seit 1998. Schon damals hieß es, eine Einigung sei bald in Sicht - ganz bestimmt. Im Laufe der Zeit hat sich daran nichts geändert: Ständig wird eine Lösung in Aussicht gestellt, wie sich die Hauptstadt-Administration mit der US-Regierung über den Bau einer Botschaft am Brandenburger Tor zu verständigen gedenkt. Aber zu einer Einigung gehören nun mal zwei.

Der Berliner Senat gibt sich nach außen betont kooperativ und gastfreundlich. Dass die US-Amerikaner ihre offizielle Vertretung dort bauen, wo sie bereits vor dem Zweiten Weltkrieg stand, sei von der Stadtverwaltung durchaus gewünscht, hieß es letzte Woche. Wenn die Diplomaten aus Washington Quartier beziehen, wo sie bereits 1931 eingezogen waren, so offenbar das Kalkül der deutschen Seite, könnte die seitdem vergangene Zeit vielleicht umso schneller in Vergessenheit geraten. Blöd nur, dass gleich nebenan das Holocaust-Mahnmal entstehen soll, gegen das sich der Großteil der Berliner CDU lange und lautstark polemisierte.

Für US-Botschafter John Kornblum ist diese Absichtserklärung jedoch nichts Neues. Er hat sie schon etliche Male zu hören bekommen. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem der vermeintliche Neuanfang der Berliner Republik eine Herzensangelegenheit ist, hatte dem US-Vertreter schon seine Zusicherung gegeben. Kornblum weiß aber aus Erfahrung, dass die Deutschen auch anders klingen können, wenn sie sich ganz offen äußern: Statt der Botschaft solle doch lieber eine McDonald's-Filiale auf dem Gelände der US-Amerikaner gebaut werden, zitierte beispielsweise die International Herald Tribune den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Senatssprecher Michael-Andreas Butz beeilte sich zwar mit der Erklärung, Diepgen habe diese Äußerung gar nicht getan. Das aber half nichts: Kornblum fühlte sich persönlich angepisst, denn er selbst gehörte zum Auditorium, als Diepgen bei der Eröffnung eines Burger-Restaurants durch seinen konstruktiven Vorschlag glänzte. Butz ist sicher auch nicht der glaubwürdigste Friedensbote. Ein knappes Jahr vor der Diepgen-Äußerung hatte er bereits klargestellt, wie Berlins Linie gegenüber den USA seit der Wiedervereinigung aussieht: »Die Zeiten, dass wir die Hacken zusammenschlugen, wenn die Alliierten etwas von uns wollten, sind längst vorbei.«

Deswegen kriegen die US-Amerikaner schon aus Prinzip nicht, was sie gerne wollen: Eine Sicherheitszone von 25 bis 30 Metern um ihr geplantes Botschaftsgebäude. Seit den Bombenanschlägen auf die US-Vertretungen in Daressalam und Nairobi im Sommer 1998 empfiehlt der Geheimdienst CIA diesen Mindestabstand zu öffentlich zugänglichem Straßenland. Beim Senat möchte man die Innenstadt dagegen lieber selbst planen: Die Behrenstraße am südlichen Rand des Botschaftsgeländes soll auf jeden Fall zweispurig bleiben, weil man hier bis zu 1 500 durchfahrende Autos pro Stunde gezählt hat und keinen »Dauerstau« will, für eine Verlegung der Ebertstraße am westlichen Rand müssten unschuldige deutsche Bäume gefällt werden und am Nordende des Grundstücks ist der Pariser Platz, wo man aus »hoheitsrechtlichen« Gründen keine ausländischen Sicherheitskräfte postiert sehen will.

Aber grundsätzlich möchte man die US-Amerikaner schon gerne in der Stadtmitte haben. Diepgen, sein Senatskanzleichef Volker Hähne, Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Senatsbaudirektor Hans Stimmann haben sich deshalb etwas anderes ausgedacht: Die Behrenstraße soll ihre Bürgersteige einbüßen, die Ebertstraße auf den bisher geplanten Mittelstreifen verzichten und schon ergibt sich eine Sicherheitszone von 15 Metern an beiden Seiten. Und den Rest der Sicherheitszone sollen sich die USA auf dem Grundstück einrichten, die Hauptstadtregierung kann sich schließlich nicht um alles kümmern.

Schon sieht es in der Öffentlichkeit so aus, als seien die Amerikaner mit ihrem Sicherheitsfimmel die Blockierer einer gütlichen Einigung, weil sie diesen Vorschlag erst auf seine Realisierbarkeit überprüfen wollen. Vom vorher gemachten Vorschlag der US-Seite redet nun niemand mehr. Die provisorisch in der Neustädtischen Kirchstraße untergebrachten Vertreter aus Washington hatten angeregt, die Ebertstraße zu verengen und die Behrenstraße etwas nach Süden zu verlegen - auf Kosten der Fläche fürs Holocaust-Mahnmal. Den befürchteten Dauerstau könne man auch durch die Öffnung des Brandenburger Tores oder die Benutzung der - parallel zur Behrenstraße verlaufenden - Dorotheenstraße vermeiden, so der Vorschlag.

Da aber hatten die US-Amerikaner die Rechnung ohne die Deutschen gemacht: Das Brandenburger Tor als Symbol von Wiedervereinigung und Wiedererlangung von nationaler Stärke soll nach dem Willen der Stadtplaner vom Verkehrsfluss durch Mitte unberührt bleiben. Und die Dorotheenstraße ist von der Bundestagsverwaltung fest als Zufahrtsstraße der Abgeordneten zum Reichstag eingeplant.

Also sollen die USA nun gefälligst auf den Vorschlag der Berliner eingehen. Die Verhandlungen darüber, so hat es der Senat vorgeschlagen, sollen in einer gemeinsamen Kommission geführt werden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Diepgen will seine freundlichen Sprüche wohl nicht gleich jedes Mal in der International Herald Tribune dokumentiert wissen. Auf die Dauer macht sich das nicht gut.

Ganz so begeistert sind die USA über den Senatsvorschlag nämlich nicht. Der bereits 1996 prämierte Entwurf des Architektenbüros Moore Ruble Yudell, für dessen Umsetzung der US-Kongress längst Gelder zur Verfügung gestellt hat, ist nicht mehr realisierbar, wenn auf dem Gelände eine entsprechende Sicherheitszone eingerichtet werden soll. Man müsste ihn entweder komplett überarbeiten, oder es müsste gar ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden.

Das ist den Berliner Stadtoberen zwar bewusst, aber dafür ist die Senatsverwaltung ja nicht zuständig: »Wie die Amis das händeln, ist doch nicht unser Problem.« Außerdem hat man einen prima Vorschlag parat: Die US-Botschaft könnte höher gebaut werden als bisher geplant. Natürlich nicht unbegrenzt, sondern »nur in dem Maße, wie es die Bauvorschriften gestatten«. So viel Ordnung muss sein. Berlin ist schließlich nicht irgendeine Hauptstadt, sondern die Deutschlands.