Deutsche und Dresdner Bank fusionieren

Big Bank am Main

Die Fusion der Deutschen und der Dresdner Bank ist der Anfang: Der Wettlauf mit der US-Konkurrenz um die europäischen Finanzmärkte hat erst begonnen.

Rolf Breuer, Vorstandschef der Deutschen Bank, blickt gerne in die Ferne, selbst wenn das Objekt der Begierde direkt vor seiner Nase liegt. Stolz verkündete er vergangene Woche die Fusion seines Instituts mit der Dresdner Bank, die gerade mal einen Steinwurf entfernt von seinem Frankfurter Hauptsitz residiert. Gleichzeitig hat er die Konkurrenz jenseits des Rheins fest im Auge. Mit der größten Bankenfusion aller Zeiten wird nicht nur das weltweit größte Kreditinstitut, mit einer Bilanzsumme von 2,5 Billionen Mark, geschaffen und die gesamte deutsche Finanzbranche aufgemischt, sondern auch der Kampf um den europäischen Markt aufgenommen.

Big Bang am Main. »Mit diesem Schritt läuten wir den Abschied von der Deutschland AG und von der vor allem im Ausland immer wieder kritisierten engen Verflechtung von Banken und Versicherungen ein«, verkündete Breuer vergangene Woche europhorisch. Tatsächlich bedeutet die Fusion einen radikalen Umbruch der deutschen Wirtschaftsstruktur. Denn die wechselseitigen Beteiligungen von Industrie, Banken und Versicherungen, lange Zeit der Garant für das deutsche Erfolgsmodell, erweist sich als zunehmendes Hemmnis für die Expansion auf den internationalen Markt.

Gerade die deutsche Bankenbranche ist stark fragmentiert und gilt deswegen als besonders anfällig für feindliche Übernahmen. Während die fünf größten deutschen Geldhäuser gerade mal 17 Prozent des Markts kontrollieren, liegt dieser Anteil in der Schweiz beispielsweise bei fast 50 Prozent. Zu klein, um international bestehen zu können. So steht etwa die Commerzbank vermutlich kurz vor einer Übernahme durch die HSBC Holdings, die größte britische Bank.

Um solche Übernahmen zu vermeiden, hilft nur die Flucht nach vorne: Vor allem US-amerikanische Institute wie etwa die Citigroup arbeiten seit geraumer Zeit an ihrer Ausdehnung auf den europäischen Markt. Im Gegensatz zu den deutschen Universalbanken sind sie spezialisiert und im lukrativen Investmentbanking international führend. »Der weltweite Konkurrenzkampf im Bankenbereich konzentriert sich auf USA contra Europa«, sagte Nobert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, im Tagesspiegel. Und die erste Schlacht wird zwischen Warschau und Lissabon geschlagen.

Denn nach der Privatisierung der staatlichen Monopole im Telekommunikations-Branche steht die Liberalisierung im europäischen Finanzsektor noch bevor. Und dieser Markt ist gigantisch. »Würde in allen Mitgliedsstaaten im Verhältnis ebensoviel in private Pensionsfonds investiert wie in den Niederlanden, so könnten auf den EU-Kapitalmärkten bis 5 000 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stehen«, heißt es in einer Agenda für den kommende Woche stattfindenden EU-Gipfel in Lissabon.

Lokal handeln für den internationalen Markt, nach dieser Strategie richten sich nun auch die deutschen Kreditinstitute. »Es ist eine generelle Erkenntnis, dass man für eine internationale oder globale Politik vernünftigerweise von einer starken Heimbasis operiert. Diese Basis sollte zunächst Deutschland und im zweiten Schritt Europa sein«, erklärte Diethard Breipohl, ehemaliger Allianz-Vorstand, im Manager Magazin. Und wer in Europa dominiert, kann anschließend auch den Sprung über den Atlantik wagen.

Die Fusion zwischen der Deutschen und der Dresdner Bank ist daher nur der Anfang, weitere internationale Übernahmen sind nur eine Frage der Zeit. »In einigen Jahren fragt niemand mehr nach deutschen Großbanken, sondern nach europäischen Playern. Das nationalstaatliche Denken tritt in den Hintergrund«, sagt Breipohl weiter.

Dass ausgerechnet ihre ehemaligen Lieblingsfeinde den Anstoß gaben, wird von Bankmanagern wie Breipohl dabei gerne übersehen. Erst die Steuerpläne der rot-grüne Bundesregierung ermöglichten überhaupt die Megafusion: Bisher galten beim Verkauf von Beteiligungen Abgaben von bis zu 50 Prozent. Diese Beschränkung wurde aufgehoben - und damit das Ende der alten Deutschland AG eingeleitet. Nun können die Kreditinstitute ihre Industriebeteiligungen abstoßen und diese Reserven für neue Investitionen einzusetzen.

»Mit 33 Milliarden Euro gemeinsamen Reserven im Hintergrund sind wir, was unsere künftige Strategie angeht, ein Powerhaus. Wir haben Pulver«, schwärmt Breuer von diesen neuen Perspektiven. Die neue Bank sei »ein europäischer Champion mit globaler Reichweite«. Das ist ganz im Sinne der sozialdemokratischen New Economy. Dietmar Staffelt, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, hält die Fusion entsprechend »für eine angemessene Antwort auf die Entwicklung der Bankenwelt in Asien, den USA und Frankreich«.

Die »grüne Deutsche Bank«, die zu zwei Dritteln den Aktionären der Deutschen und zu einem Drittel den Anteilseignern der Dresdner Bank gehören, will sich jetzt ganz auf die Vermögensverwaltung, Beratung und das Investmentbanking konzentrieren. Das Massengeschäft - die Einlagen von Kleinsparern und Kredite für private Haushalte - geht an die Bank 24, an der sie anschließend nur noch einen Anteil von zehn Prozent halten will, während der Allianz-Konzern rund ein Drittel der Anteile übernimmt.

Damit die Rechnung aufgeht, die angepeilten Einsparungen von etwa 5,5 Milliarden Mark jährlich auch erzielt werden können, muss Breuer um jeden Preis rationalisieren. Dazu sollen 800 Filialen geschlossen und rund 16 000 Stellen gestrichen werden. DAG-Vorstandsmitglied Gerhard Renner hält es sogar für möglich, dass in der Bankenbranche »bis zu 60 Prozent« der Jobs wegfallen könnten.

Ob der erwünschte »Synergieeffekt« am Ende allerdings auch eintritt, ist zumindest fraglich. An der Börse fielen Ende vergangener Woche die Kurse der beiden Häusern um über zehn Prozent - viele Händler zeigen sich skeptisch: Auf die Kreditinstitute kommen zunächst enorme Ausgaben für die Zusammenlegung und die Abfindungen zu. Auch zeigen Beispiele anderer fusionierter Großbanken, wie etwa der Schweizer UBS, dass die Erwartungen häufig unrealistisch sind.

Doch selbst wenn die Folgen der Fusion in Frankfurt noch nicht abzusehen sind, ist ein Hauptgewinner auf jeden Fall schon sicher. Der hat seinen Sitz in der Münchner Königinstraße und heißt Henning Schulte-Noelle. Die Bankenfusion war nicht nur der bisher größte Deal des Allianz-Chefs. Bei dem Zusammenschluss fiel auch noch ein saftiges Häppchen für ihn ab. Damit die Verbindung zu Stande kam, verkaufte die Allianz ihre Anteile an der Dresdner Bank im Wert von rund 6,3 Milliarden Euro. Im Gegenzug wird sie nun Hauptaktionärin bei der Bank 24, erhält 93 Prozent an der Fondsgesellschaft DWS sowie die Mehrheit an der Versicherung Deutscher Herold. Künftig wollen Allianz und Deutsche Bank mit weniger als fünf Prozent verflochten sein.

Der 57jährige Schulte-Noelle kann sich glücklich schätzen. Mit der DWS erwarb sich die Allianz vermutlich eines der lukrativsten Tochterunternehmen der Deutschen Bank. Und mit der Mehrheitsbeteiligung an der Bank 24 sichert er dem größten Versicherungskonzern der Welt nicht nur einen wichtigen Vertriebsweg für sämtliche Policen, sondern erweitert auch den potenziellen Kundenstamm erheblich. Die Filialen der Bank 24 sollen nun zu »modernen Finanzshops« ausgebaut werden. Deren Kunden werden also künftig von den Allianz-Vertretern nicht nur Versicherungen angeboten bekommen, sondern auch Spareinlagen, Aktien und Fondsanteile - alles aus einer Hand.

Die Allianz kann damit ihren Anlagenbereich noch weiter ausbauen - mit insgesamt 1,5 Billionen Markt ist sie sowieso schon viertgrößte Anlagenberaterin der Welt.

Die erfolgreiche Schnäppchenjagd von Schulte-Noelle hat mittlerweile schon Nachahmer gefunden. So will ihr Schwester-Konzern, die Münchner Rück, ihre Anteile an der Hypo-Vereinsbank (HBV), der zweitgrößten deutschen Bank, ausweiten und damit ihren Vertrieb am Bankschalter ausbauen.

Bei dem Wettlauf nach Europa könnten dann in der deutschen Finanzwelt drei neue Blöcke übrig bleiben: Die künftige Deutsche Bank, der Allianz-Konzern mit der Bank 24 und die Münchner Rück mit der HBV. Sind diese neuen Institute in ihrer Heimat etabliert, werden sie ihren Blick nach Europa richten. Es sei denn, die neue deutschen Finanzriesen werden vorher noch von ihrer NS-Vergangenheit eingeholt: Der Jüdische Weltkongress will gegen die Fusion vorgehen, wenn die Banken und die Allianz sich weiterhin weigern, ausstehende Versicherungspolicen von Nazi-Opfern zu begleichen.