Konflikt um Montenegro

Grenzen auf, Grenzen zu

Eigentlich sind Bozaj, Hani und Hoti drei völlig vergessenswerte Orte im Südwesten von Montenegro. Dennoch tobt um die drei Dörfer an der Grenze zu Albanien bereits seit Mitte Februar ein erbitterter Streit, der mittlerweile fast täglich neu entfacht wird.

Vor knapp vier Wochen beschloss die nach Unabhängigkeit von Jugoslawien strebende Regierung Montenegros, die Grenzen zu Albanien zu öffnen und damit auch die bisherige Außenpolitik Jugoslawiens zu durchkreuzen: Seit dem Beginn des blutigen Unabhängigkeitskampfes im Kosovo sind die jugoslawischen Grenzen zu Albanien dicht. Die Blockade soll eventuell von Albanien kommende Kämpfer daran hindern, jugoslawischen Boden zu betreten.

Meist sind diese Versuche der Belgrader Zentralregierung völlig zwecklos, weil Ortskundige jeden, der die Grenze überwinden will, auch über die Trampelpfade in den Bergen mühelos nach Jugoslawien bringen können. Immer wenn Montenegro die drei Grenzstellen öffnet, kommt die jugoslawische Armee und schließt sie wieder, damit sie nur wenig später wieder geöffnet werden können. Die der Regierung von Präsident Milo Djukanovic ergebene montenegrinische Sonderpolizei hält sich bislang zurück, um den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen.

Djukanovic versucht, seine bis vor wenigen Wochen noch sehr energische Forderung nach einer raschen Unabhängigkeit Montenegros zumindest ein wenig zu relativieren. Hatte der Statthalter des Westens in Podgorica zuerst immer wieder rasche Gespräche mit den Belgrader Behörden über einen neuen Status für seine Teilrepublik gefordert und bei einer weiteren Verweigerung direkter Kontakte ein Referendum über eine mögliche Unabhängigkeit in Aussicht gestellt, gibt er sich nun diplomatischer: »Es ist wünschenswert, dass es im Laufe des Jahres 2000 eine Lösung gibt«, meinte er vor wenigen Tagen.

Dennoch sind es solche Aussagen von Milo Djukanovic, die wesentlich mächtigere Politiker auf den Plan rufen, sich für die Unabhängigkeit des jugoslawischen Teilstaates an der Adria einzusetzen. Allen voran US-Außenministerin Madeleine Albright, die Djukanovic erst vergangene Woche versicherte, »Montenegro zu helfen, wenn es Gefahr läuft, Opfer einer Aggression zu werden«.

Allerdings scheint sich der Konflikt um Montenegro momentan eher zu einem diplomatischen - und vor allem langwierigen - Stellungskrieg zu entwickeln. Zwar bekommt Djukanovic jede nur erdenkliche Hilfe vom Westen, doch scheint man ihn überredet zu haben, das Tempo ein wenig zu zügeln. Immerhin gibt sich der Staatschef in spe verständnisvoll: »Natürlich ist das alles nicht nur ein Problem für Montenegro, vor allem könnten durch unbedachte Schritte die Arrangements des Westens für den Balkan gefährdet werden«, so Djukanovic.

Die USA - und wie es aussieht auch die EU - möchten offenbar nicht gleich in das nächste militärische Abenteuer schlittern. Noch wird zwischen Washington und den europäischen Hauptstädten, aber auch zwischen diesen, über das weitere Vorgehen gestritten - der virtuelle Schutzschirm des Westens über Montenegro bleibt indes erhalten. Vielleicht warten alle zusammen auch nur darauf, dass der jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milosevic den ersten Schritt tut - und seine Volksarmee gen Montenegro schickt.