Grüne zwischen Amt und Mandat

Rödcke zu Rastel!

Sagen wir es mal so: Das Schlimmste wird uns schon mal erspart bleiben. Das Schlimmste - das wäre die Vorstellung, dass weiterhin Ostquotenfrau Gunda Röstel und ihre Hamburger Kollegin Antje Radcke öffentlich erklären müssten, warum etwa Niedrigsteuersätze für Unternehmer, Abschiebungen nach Bosnien und Bomben auf Belgrad als »ein deutliches Signal grüner Politik« zu werten respektive »dem Willen des stärkeren Regierungspartners« geschuldet sind. Röstel hat das erkannt und angekündigt, freiwillig ihren Platz als grüne Vorstandssprecherin zu räumen. Man sollte ihr schlicht dankbar sein, kein weiteres Wort mehr über die Sache verlieren und hoffen, dass ihre Kollegin dieselben Konsequenzen ziehen wird.

Wird sie aber nicht. Nein, Radcke ist wild entschlossen, Mobbing-Star Joseph Fischer einen Strich durch die Rechnung zu machen und sich bei der nächsten Wahl wieder aufstellen zu lassen. Das wäre noch zu verkraften, zumal die Hamburger Ex-Sozialdemokratin eine kaum schlechtere Figur abgibt als die von Fischer anvisierten Kandidaten Renate Künast und Fritz Kuhn.

Wirklich ärgerlich wird die Sache aber, seit sich wieder, wie jedesmal vor Bundesdelegiertenkonferenzen, eine Truppe frustrierter Nostalgiker aufmacht, um »ein Stück grüne Identität« zu retten. Galt es beim Bielefelder Kriegsparteitag, pazifistische Opposition hochzuhalten, so will die Gruppe um die Berliner Parlamentarier Christian Simmert, Annelie Buntenbach und Christian Ströbele nun am kommenden Wochenende in Karlsruhe gegen die vom Vorstand geplante Strukturreform Front machen. Gerade in Zeiten schwarzer Koffer sei es absurd, die Trennung von Amt und Mandat - ein »mit klarer grüner Handschrift« geschriebenes Zeichen für »mehr Transparenz und Demokratie in dieser Republik« - über Bord zu werfen. Von drohender Machtkonzentration ist die Rede.

Also fordern mit Simmert rund 130 Grüne in einem Offenen Brief: Wer ein Parlamentsmandat innehat, soll weiterhin keinen Job im Bundesvorstand übernehmen dürfen. Zudem soll das Gremium auf acht Mitglieder vergrößert werden, da durch die vorhergehende Verkleinerung die »bündnisgrüne Profilierung« gelitten habe. Klaro, was sind schon ein paar tote Jugos gegen ordentliche Demokratie im grünen Biotop.

Sei's drum, auch diese Aufregung wäre zu verkraften, würde die Sache ihren gewohnten Gang gehen: Empörung, Stellungnahmen, Änderungsanträge, engagierte Parteitagsreden, Kompromiss-Vorschläge, schlechte Kompromisse, weniger engagierte Parteitagsreden, Niederlage und tschüss. Doch am kommenden Wochenende droht, was Simmert, Buntenbach und Co. bislang nie gelang: Sie könnten sich durchsetzen. Die vom Vorstand geplante Strukturreform könnte an der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit scheitern. Künast, Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, und ihr baden-württembergischer Amtskollege Kuhn würden folglich nicht als Vorstandssprecher zur Verfügung stehen.

Und dann haben wir den Salat. Nicht etwa, weil uns das von Fischer gewünschte Spitzenduo erspart bleiben würde - a Kuhn is a Künast is a Radcke. Aber man stelle sich mal einfach die weiteren Konsequenzen vor: Familie Buntenbach-Simmert-Ströbele könnte sich die Rettung basisdemokratischer Elemente, vulgo »grüne Identitäten«, auf ihre Fahnen schreiben, um nebenher - natürlich notgedrungen - dem Atom-Ausstieg nach 35 Jahren zuzustimmen, Fischer würde weiterhin den Bruch mit der »Vergangenheit als Anti-Parteien-Partei« propagieren, während am deutschen Truppenwesen längst die ganze Welt genesen kann.

Nein, nein, da wirkt die Haltung des Vorstands geradezu sympathisch, der in einem Offenen Brief feststellt, »jenseits unserer formellen Strukturen« seien »informelle Machtzentren entstanden«. Aber, warum so zögerlich. Wenn schon Strukturreform, dann richtig: Abschaffung der Doppelspitze! Nie wieder Rödcke und Rastel! Fischer würde schließlich auch einen Bundesminister als Parteisprecher akzeptieren.