Flüchtlings-Tour in Ostdeutschland

Aliens gegen Brandenburg

Flüchtlinge organisieren eine Tour durch neun Städte. Sie fordern ein Ende der rassistischen Übergriffe.

Ende Februar schrieben rund 160 Flüchtlinge aus der brandenburgischen Kreisstadt Rathenow ein Manifest. Ein Manifest gegen die nicht abreissende Kette rassistischer Übergriffe. Ein Manifest für ein Exil in einem anderen Bundesland: »Bitte bringen Sie uns von Brandenburg weg, wenn die Bevölkerung nicht zur Ruhe gebracht und die Genfer Konvention nicht umgesetzt werden kann.« Auf das Manifest folgte die Tour: Bis Ende März reisen Rathenower AktivistInnen durch neun Städte und diskutieren mit anderen Flüchtlingen, die isoliert in Heimen und Lagern in Brandenburg leben.

Erste Station war die südbrandenburgische Kleinstadt Spremberg, deren Bürgermeister nach der tödlichen Hetzjagd auf den Algerier Farid Gouendoul lapidar gefragt hatte: »Was hatte der auch um diese Zeit nachts auf der Straße zu suchen?«

Flüchtlingsheim, 21. März. Zwanzig Männer aus drei Kontinenten sitzen in einem kleinen Raum, um mit der vierköpfigen Delegation aus Rathenow zu diskutieren. Deutsche, englische und französische Satzfetzen schwirren hin und her. Peter N. ist extra aus der Grenzstadt Forst angereist. »Wir werden solange von der deutschen Bevölkerung nicht als Menschen behandelt, wie der deutsche Staat uns durch Sondergesetze zu Menschen zweiter Klasse macht«, sagt er auf Englisch. Neben ihm sitzt Christopher N. aus Kamerun. Vor seiner Flucht arbeitete er als Jurist für die Opposition seines Heimatlandes. Seit zwei Monaten ist er einer der Sprecher der Rathenower Flüchtlinge. In der Diskussion werden schnell die grundlegenden Probleme klar: »Das Arbeitsverbot für Asylbewerber muss aufgehoben werden, damit die Deutschen nicht immer behaupten können, dass wir ihnen auf der Tasche liegen«, sagt Christopher N. »Die Warengutscheine für Supermärkte müssen wieder abgeschafft werden«, erklärt Peter N. die nächste Forderung: »Für die Deutschen sind wir wie fremde Wesen, die aus den Heimen im Wald in die Städte kommen und die Wartezeiten an den Supermarkt-Kassen verlängern.«

Eine Frage aber wird immer wieder gestellt: »Wie kann sich etwas verändern?« Vorsichtig sucht Christopher N. nach einer Antwort: »Indem wir unsere Situation an die Öffentlichkeit und an die Regierung herantragen.« Er zeigt der Spremberger Gruppe das Manifest, das sie an Stadt und Landesregierung geschickt haben. Weitere Unterschriften sammeln, ist »ein erster Schritt, um unsere Situation selbst in die Hand zu nehmen«, sagt Peter N., bevor er sich auf die Suche nach einem Kopierer macht, um den Brief nach Forst mitzunehmen.

Am nächsten Tag reist die Rathenower Delegation nach Guben weiter. Hier haben rechtsextreme Jugendliche wieder einmal, wie es Ministerpräsident Manfred Stolpe ausdrückt, »das Ansehen des Landes schwer geschädigt«. In der Nacht vom 17. auf den 18. März wurden auf dem jüdischen Friedhof Hakenkreuze, SS-Runen und Parolen wie »Juden raus« gesprayt. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) reagierte martialisch: »Wir werden alle polizeilichen und nachrichtendienstlichen Möglichkeiten bis an die Grenze des Machbaren ausschöpfen, um der politisch motivierten Gewalt in Brandenburg wirksam und entschieden entgegenzutreten.« Erst vor kurzem hat Schönbohm deutlich gemacht, was er unter politisch motivierter Gewalt versteht. Nachdem sich das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus geweigert hatte, die Verfolgung von Linksradikalen in seinen Aufgabenbereich einzugliedern, startete Schönbohm die »Sicherheitsoffensive Brandenburg« zur ausschließlichen Bekämpfung von Linksextremismus.

Währenddessen begann in Guben die selbst organisierte migrantische Diskussion mit einem Informationsaustausch: In der Nacht von Sonntag auf Montag ist ein Jugendlicher aus der HipHop-Szene durch Guben gejagt worden. Der Leiter der Asylbewerberheime in Guben und Sempten ist wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung in mehreren Fällen verhaftet worden. Am Ende des Treffens entsteht die Idee, eine gemeinsame Demonstration in Potsdam zu organisieren.

Trotz des großen Medienechos auf das Rathenower Flüchtlingsmanifest hat sich in der Stadt selber nicht viel verändert. Am 17. März wurden mehrere pakistanische Flüchtlinge beim Einkaufen von Rechtsextremen bedroht. Die Benachrichtigung der Polizei führte wieder einmal zu keinem Erfolg. Fünf Stunden hätten sie in der Polizeiwache gewartet, erzählt einer der pakistanischen Männer. Ergebnislos. Da überrascht es nicht, dass im Anschluss an eine Lichterkette zum Anti-Rassismus-Tag rechtsextreme Jugendlichen die Reste der Demonstration angriffen.

Auch in Eberswalde wurde der Anti-Rassismus-Tag auf brandenburgische Art begangen: In der Nacht zum 21. März brannte das Afrikanische Kulturzentrum »Palanca« nieder. Während das Eberswalder Netzwerk gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus von einem rechtsextremen Hintergrund ausgeht, vermutet die Polizei, dass mit dem Brand vielleicht auch nur die Spuren eines Einbruchs verwischt werden sollten. Dieser Darstellung widerspricht nach Ansicht des Afrikanischen Kulturvereins, dass alle wertvollen Gegenstände wie Fernseher, Videorecorder und Mischpult mitverbrannt seien. Der Bürgermeister sagte dem Verein eine Soforthilfe von 10 000 bis 15 000 Mark zu. Doch für »Palanca« wird sich das, was sie mit ihrem Zentrum aufgebaut haben, so schnell nicht wiederherstellen lassen: das Gefühl einer »Heimat für die in Eberswalde lebenden Afrikaner und zahlreichen Freundinnen und Freunde«.

In Wriezen wurde Ende vorletzter Woche der 14jährige Oliver S. von einer Gruppe Neonazis mit Baseballschlägern schwer verletzt. Was danach passierte, entspricht dem rassistischen Protokoll Brandenburger Institutionen: Drei der Täter werden festgenommen. Ihre Haftbefehle werden außer Vollzug gesetzt. Die Polizei bestreitet einen rechtsextremen Hintergrund.