Unabhängigkeitsbestrebungen auf West-Papua

Mit Pfeil und Bogen gegen Bomben

Auf West-Papua kämpft die traditionalistische OPM-Guerilla für die Unabhängigkeit von Indonesien.

West-Papua ist einer der vielen trouble spots des indonesischen Archipels. Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit spielt sich auf der westlichen Hälfte der Insel Neuguinea seit den sechziger Jahren ein ähnliches Szenario wie in Ost-Timor ab. Die indonesische Militärherrschaft unter Ex-Diktator Suharto überzog das Land mit Massakern, die Bodenschätze wurden rücksichtslos geplündert. Seit im vergangenen Jahr der Unabhängigkeitsprozess für Ost-Timor eingeleitet wurde, wächst auch die Hoffnung der Bevölkerung West-Papuas auf eine grundlegende Veränderung ihrer Situation.

#Bereits Ende Februar 1999 kamen erstmals Delegierte aus ganz West-Papua nach Jakarta. Der damalige Präsident B. J. Habibie hatte sich bereit erklärt, sie zu empfangen. Die Delegierten führten aus, warum sie nichts weniger als die Unabhängigkeit für die westliche Hälfte der drittgrößten Insel der Welt verlangten. Habibie, der bestenfalls gewillt war, über eine Autonomie zu sprechen, empfahl ihnen, alles noch einmal zu überdenken.

Die Delegierten setzten den präsidialen Rat um. Nun, ein Jahr später, erklären die Papuas den Denkprozess für beendet und wollen erneut mit der Regierung über die Unabhängigkeit verhandeln. Ende Dezember besuchte der neue Präsident Abdurrahman Wahid West-Papua, um die Jahrtausendwende in diesem Teil Indonesiens zu feiern. Eine unbewaffnete Truppe der Befreiungsbewegung OPM (Organisasi Papua Merdeka) beschützte ihn dabei vor eventuellen Angriffen von Provokateuren. Die OPM wollte damit ein Zeichen setzen, dass es der Unabhängigkeitsbewegung nicht um einen Kampf gegen Indonesien geht.

Um ethnisierte Unruhen wie in Borneo zu vermeiden, legen die OPM und die im Zuge des »Denkprozesses« gegründete zivile Bewegung Foreri (Forum for Reconciliation of Irian People) großen Wert darauf, dass sie nichts gegen »TransmigrantInnen« haben, die gerne in einem unabhängigen West-Papua bleiben könnten. Im Hinblick auf diese Zuwanderer erklärte Sam Karoba, ein OPM-Vertreter, der kürzlich durch Europa reiste, in Wien: »Wir haben auch einige Vertreter aus der zweiten Generation der Transmigranten in unserer Bewegung. Wir haben nichts gegen sie. Unser Ziel ist es auch nicht, einen neuen Nationalstaat aufzubauen. Wir wollen einfach in Ruhe gelassen werden und so leben können, wie wir selbst es wollen.«

Wie auf Borneo wurden unter der Herrschaft Suhartos Hunderttausende aus Java und anderen Regionen - anfangs mit Weltbankgeldern - nach West-Papua umgesiedelt. Diese »Transmigrasi»-Projekte hatten u.a. zum Ziel, einen indonesischen Nationalismus zu verbreiten und Bevölkerungsgruppen wie die Papuas in West-Papua oder die Dayak auf Borneo zu marginalisieren.

Mittlerweile stellen die Nachkommen der Siedler mehr als die Hälfte der Bevölkerung West-Papuas. Die gesamte Insel Neuguinea wird von Menschen mit 600 verschiedenen Sprachen besiedelt, rund ein Fünftel aller Sprachen der Erde. 250 dieser Sprachen werden in West-Papua gesprochen, einige davon nur von wenigen Familien, andere wie das Dani im Hochland von bis zu 100 000 Menschen. Sam Karoba berichtete, dass jede dieser Gruppen ihre eigene OPM hat. Trotzdem gibt es zwischen den verschiedenen OPMs kaum Kommunikation. Zu groß sind die sprachlichen Hürden, zu weit voneinander entfernt sind ihre Verstecke im Urwald, zu viele Armeeposten lauern auf den Wegen zwischen den Dörfern und Lagern der KämpferInnen.

Wer bei der OPM an das denkt, was einem europäischen Revolutionsromantiker bei einer Guerilla so in den Sinn kommt, ist in diesem Falle weiter entfernt von der Wirklichkeit als bei jeder anderen Guerilla der Welt. Karoba berichtete von Flüchtlingen aus den Dörfern, nur mit Penisrohren bekleidet und mit einer Bewaffnung, die über Pfeil und Bogen nicht hinausreicht, gegen eine moderne indonesische Armee kämpfen. Die jahrzehntelange Bedrohung durch Massaker und Bombardierungen der indonesischen Armee trieb nicht nur Tausende Menschen aus ihren Dörfern in die Flüchtlingslager in Papua-Neuguinea, sondern auch in den Urwald. Dort versuchen sie gegen die indonesische Armee und die Zerstörung ihres Landes durch transnationale Konzerne Widerstand zu leisten.

Seit Februar 1999 aber schweigen die Waffen, zumindest die der OPM. Die Bewegung will den Dialog mit der neuen Regierung nutzen, um auf diplomatischem Wege zu erreichen, was ihr militärisch unmöglich war. Viele politische Gefangene wurden bereits freigelassen, und Präsident Wahid erklärte zum Jahreswechsel, er befürworte die Umbenennung der Provinz von Irian Jaya in Papua.

Die Unabhängigkeit wird indes nicht so leicht zu erreichen sein. Denn hier kommen auch europäische und US-Interessen ins Spiel. Eine der weltweit größten Gold- und Kupferminen befindet sich im Hochland von West-Papua und fördert jeden Tag 50 000 Tonnen Erze im Tagebau. Dörfer und Jagdgründe wurden zerstört, Flüsse wie der Ajikwa, die bisher als Trinkwasserreservoir und Fischereimöglichkeit für die Bevölkerung dienten, sind mit den beim Bergbau verwendeten Chemikalien und insbesondere den Sedimenten stark belastet.

Den Gewinn aus diesem Raubbau streichen Firmen wie die Freeport Mining Company aus den USA oder RTZ aus Großbritannien ein. Dass diese Firmen gegen eine Unabhängigkeit West-Papuas arbeiten, ist kein Wunder. Denn Sam Karoba antwortete auf die Frage, was die OPM im Falle einer Unabhängigkeit mit den Minen vorhat: »Nein, verstaatlichen wollen wir sie nicht, und wir wollen auch keinen Anteil am Gewinn. Wir werden die Minen schließen, denn sie zerstören alle unsere Lebensgrundlagen. Wir brauchen das Kupfer und Gold nicht, sondern unsere Berge und Wälder.«