Neuer Generalsekretär der CDU

General der Reserve

Die AntióDoppelpassóKampagne unterstützte er ebenso wie jetzt die KinderóstattóInderóAktion. Innerhalb der CDU gilt der neue Generalsekretär Ruprecht Polenz dennoch als Liberaler.

Dass sich Angela Merkel ausgerechnet einen Bundestagshinterbänkler als neuen CDUóGeneral ausgesucht hat, brachte nicht wenige HauptstadtóJournalisten in der vergangenen Woche ins Schwitzen. »Wer ist Ruprecht Polenz?« ó das soll der Nachrichtenagentur AP zufolge letzte Woche die meistgestellte Frage im Berliner Regierungsviertel gewesen sein.

Er werde dem Anspruch der CDU gerecht, eine »große Volkspartei der Mitte zu sein«, hatte Merkel über den Neuen an ihrer Seite gesagt. Doch das Bild blieb unscharf. Eiligst wurden die Rahmendaten des Unbekannten zusammengesucht: geboren am 26. Mai 1946 in Denkwitz/Bautzen, römischókatholisch, verheiratet, seit 1994 im Bundestag. Seine frühere Tätigkeit bei der Münsteraner Industrieó und Handelskammer weist ihn als »wirtschaftsnah« aus.

Dann wurden etwas bekanntere Parteifreunde befragt. Er sei »ein gradliniger Charakter, er ist ausgesprochen intelligent, innovativ«, gab Friedbert Pflüger zu Protokoll. Heiner Geißler lobte, Polenz sei einer, der »keine Angst hat, seine eigene Meinung zu sagen«. Allerdings, so ergänzte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/ CSUóBundestagsfraktion, HansóPeter Repnik, sei er auch »kein Dampfplauderer«. Die Konturen wurden schärfer: Für einen »Dialog mit den Muslimen« tritt er ein und gegen den Vollzug der Todesstrafe an einem Gehirngeschädigten in den USA, war zu hören. Offensichtlich handele es sich also um einen »Liberalen« in der Union und somit die ideale Ergänzung für Angela Merkel.

Im westfälischen Münster kennt man den Leutnant der Reserve schon etwas länger. Hier ist er Kreisvorsitzender der örtlichen CDU; von 1984 bis 1994 war er Chef der Stadtratsfraktion. Rolf Klostermann, der Kreisgeschäftsführer, ist begeistert von seinem Vorgesetzen: »Man kann ihn als rundherum angenehmen Chef bezeichnen«, sagt er. »Da trifft das Etikett 'liberal' genau zu.«

Ob der CDUóStadtchef in seiner Amtszeit auch inhaltlich etwas verändert habe? Da bräuchte man sich doch nur seinen Umgang mit der AntióDoppelpassóUnterschriftenaktion anschauen, erzählt der Kreisgeschäftsführer. Die sei in der Westfalenmetropole schließlich nicht offensiv propagiert worden. So richtig dagegen war der Kreisverband allerdings auch nicht: Im Unterschied zur HessenóCDU habe man die Unterschriften nicht auf der Straße gesammelt, erläutert der grüne Kreisvorstandssprecher Wilhelm Achelpöhler, sondern im Büro. Als daraufhin Demonstranten die Räume besetzten, habe der CDUóKreisvorsitzende Polenz räumen lassen und gegen alle Besetzer Strafantrag gestellt. Über zwanzig Verfahren laufen derzeit noch.

Für Achelpöhler ist der designierte CDUóGeneralsekretär »einer von den etwas moderneren CDUlern« und »ein eher intellektueller Typ«. Aber: »Der weiß genau, wie breit das Spektrum in der CDU ist, das er bedienen muss.« Das zeige sich auch in der aktuellen Diskussion um Schröders GreenóCardóVorschlag. In der Tat: Denn der »Liberale« Polenz unterstützt die ausländerfeindliche RüttgersóKampagne. Schließlich gehe es doch eigentlich um Bildungspolitik. Die Zuspitzung des Themas in den Slogans »Ausbildung statt Einwanderung« und »Kinder statt Inder« müsse dazu führen, dass über die Versäumnisse der nordrheinówestfälischen Schulpolitik gesprochen werden, verkündete er in der vergangenen Woche im ZDF. Polenz: »Das gelingt uns immer mehr auch dank dieser Zuspitzung.«

Im Zweifel würde der gelernte Jurist auch nicht vor einer Schlammschlacht gegen den politischen Gegner zurückschrecken, weiß Achelpöhler von seinen Erfahrungen mit Polenz zu berichten. Exemplarisch hierfür stehe der CDUóKommunalwahlkampf 1989, den Polenz als Fraktionsvorsitzender maßgeblich initiiert hatte. Nach den Umfragen lag RotóGrün erstmals im schwarzen Münster vorne, da holten die Christdemokraten die Keule raus. »Die haben dann eine Kampagne nach dem Motto geführt: Rettet unsere Stadt vor den Schwulen und Lesben.« Auch der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel erinnert sich noch allzu gut an die »unsägliche Schmutzkampagne« und warnt davor, sich von Polenz' »pseudoóliberaler Haltung« täuschen zu lassen.

Der Christdemokrat sei vor allem ein »großer Strippenzieher«, der es hervorragend verstehe, Seilschaften zu organisieren, um Machtpositionen zu erlangen. In Münster war er damit erfolgreich. Seine »moderne CDUóGang«, zu der auch der heutige sächsische Finanzminister Georg Milbradt gehörte, besetzt mittlerweile alle wichtigen Positionen in der Partei und der Stadt. Soweit hat es seine »PolenzóRunde« in Berlin, die sich regelmäßig im Café »Döblin« trifft und zu der unter anderem die CDUóBundestagsabgeordneten Friedbert Pflüger, Peter Altmaier, Norbert Röttgen, Hermann Gröhe, Martina Krogmann, Günter Nooke und Ulla Heinen gehören, bislang noch nicht gebracht. Aber sie ist auf dem besten Weg.

Für »ziemlich mutig, ihn da hinein zu schicken«, hält der Münsteraner SPDóVorsitzende Christoph Strässer Merkels Entscheidung für Polenz. »Wir haben das hier zuerst nicht so richtig geglaubt« ó allerdings weniger aus inhaltlichen Gründen. Polenz sei halt nicht mehr als ein Mann der zweiten Reihe und da gut aufgehoben. Den Posten des CDUóGeneralsekretärs hält Strässer für eine Nummer zu groß für den ehemaligen RCDSóFunktionär, den er bereits seit dessen Zeit im Münsteraner Asta kennt. Polenz sei zwar »sehr fleißig in der Wahlkreisarbeit«, aber als großer Modernisierer oder Erneuerer sei er in Münster bisher nicht aufgefallen.

Tunlichst habe der gläubige Katholik und vierfache Familienvater beispielsweise Konflikte mit der erzkonservativen katholischen Kirche in Münster vermieden. In einer Stadt, in der noch der Bischof von der Kanzel aus verkündet, wen seine Schäfchen zu wählen haben, hätte das schließlich Stimmen kosten können. So konnte zu seiner Zeit als CDUóFraktionsvorsitzender ein Zuschuss für Pro Familia im Rat erst durchgesetzt werden, nachdem die FDP mit einem Bruch der schwarzógelben Koalition gedroht hatte.