Camp der US-Army im Kosovo

Kosovo American Style

Die US-Army hat sich gut eingerichtet. Ihr Hauptcamp ist ein Symbol für den ganz normalen Wahnsinn des KforóEinsatzes.

Für das USóMilitär war Staff Sergeant James Bondsteel ein Held. Nachdem er zehn Bunker zerstört und reihenweise Feinde »erledigt« hatte, fiel er am 14. Mai 1969 im Kampf ó in Vietnam. Über Bondsteels Leistungen erfährt man in einem Infoblatt der USóamerikanischen Truppen im Kosovo. Denn diese residieren zum größten Teil in einem Camp, das nach ihm benannt ist. Es liegt etwa vier Kilometer von Urosevac entfernt, an der Straße nach Gnjilane, der »Hauptstadt« des amerikanischen Sektors.

In dem monumentalen Camp sind zirka 5 000 Soldaten untergebracht, neben den USóAmerikanern auch Kontingente Griechenlands oder Russlands. USóReporter sprechen ein wenig aufgeregt vom größten USóLager in einem Kriegsgebiet ó seit dem Krieg in Vietnam.

Während Straßen und andere Infrastruktur im Kosovo weiterhin eine einzige Katastrophe sind, haben die USóTruppen in gerade mal sieben Monaten ihrer Anwesenheit das Camp auf einem schlammigen Areal von etwa 30 Hektar förmlich aus dem Boden gestampft. Weitläufige Lagerplätze für militärisches Equipment entstanden ebenso wie ein Landeplatz für Hubschrauber. Den Kern jedoch bilden 160 stabile Holzhütten. Es handelt sich um so genannte SüdostóAsienóHütten, konzipiert für jeweils 30 Personen und erstmals erprobt ó in Vietnam.

Dass die USA im Gegensatz zu den anderen KforóEinheiten nicht die vorhandenen Gebäude besetzten, sondern ein isoliertes Lager aufbauten, hat offenbar mit der BosnienóErfahrung zu tun. Schließlich ist die Mission auf mindestens fünf Jahre angelegt und die möchte man nicht wieder in Zelten verbringen. Presseoffizier Major Debbie Allen zählt weitere Vorteile auf: Das lokale Hab und Gut bleibt intakt, die Sicherheit lässt sich leichter gewährleisten und schließlich ist es auch einfach bequemer für die Soldaten. Bondsteel soll eine Art amerikanisches AllóinclusiveóAngebot sein ó ohne lokale Strukturen zu berühren oder selbst von ihnen beeinflusst zu werden.

Darauf deutet auch die fast kleinstädtische zivile Struktur des Camps hin, die Besuchern überaus gerne vorgeführt wird. Da die KforóTruppen grundsätzlich keinen Ausgang haben, bietet das Camp ihnen unter anderem eine Kapelle, ein Kino, Sportgelegenheiten, einen Burger King und einen Supermarkt. Im Gegensatz zum durchweg eher bescheidenen Angebot an Konsumgütern im bettelarmen Kosovo quillt Bondsteels Einkaufstempel über vor USóImportwaren.

Hier schnurren Krieg und Intervention auf die Größe von MerchandisingóProdukten zusammen. Man kann niedliche Stoffbären mit Mützchen erwerben, auf denen »Kfor« steht. Hunderte von Tassen, TóShirts, Handtüchern oder BaseballóCaps tragen Aufschriften wie »Somebody in Kosovo loves me«, »Hard Rock Café Kosovo« oder »Harley Davidson Balkan Chapter«. Die Unbedarftheit dieses freundlichen Konsumismus wirkt einigermaßen gespenstisch.

Major Allen betont, das Camp solle etwas von »Zuhause« haben. Dabei bietet Bondsteel eben jenen Lebensstil, der USóAmerikanern quasi natürlich zukommt. Die Frage nach dem Grund für die Existenz des Camps beantwortet ein anderer Presseoffizier einfach mit folgendem Hinweis: »You know, we Americans, we love water and electricity.« Im geschlossenen Raum von Camp Bondsteel wird der geschundene Kosovo nur gefiltert repräsentiert: Als kleines Lager mit vorübergehend inhaftierten Kriminellen, als Bazar mit lokalen Gütern und als menschliches Reservoir für Dienstleistungen.

In der »detention facility« sitzen momentan etwa neunzig Personen ein, die auf den schleppenden Fortgang der im Kosovo weiterhin chaotischen Strafverfolgung warten. Der Bazar wiederum wurde gerade erst eröffnet. Gleich neben dem BodyóBuildingóStudio haben Händler ihre Waren aufgebaut mit der übliche Palette von touristischem Kitsch. Hier sollen die Soldaten für die Zeit nach ihrer Rückkehr etwas »Authentisches« erwerben können. Die Händler sind sowohl Albaner als auch Serben.

Gegenüber der Soldatenzeitung Stars and Stripes präsentiert Erfinder Captain Scott Sullivan den Bazar ernsthaft als Modell für den Frieden im Kosovo. In der gleichen Ausgabe wird über den Mordanschlag auf einen serbischen Arzt im nahen Gnjilane berichtet. Am Tag zuvor war er seinen Verletzungen erlegen ó ausgerechnet im Krankenhaus von Bondsteel.

Fast 5 000 KosovoóAlbaner arbeiten im Camp in Bauó und Servicetätigkeiten, oft auch für private USóFirmen, welche die zivilen Einrichtungen unterhalten. Auch dies schildert Major Allen als Vorteil des Camps. Doch darüber, wie diese offenbar ethnisch homogene Truppe bezahlt wird, war nichts in Erfahrung zu bringen. Und wie die 5 000 Personen nach dem Ende des Einsatzes in den lokalen Arbeitsmarkt wiedereingegliedert werden sollen, darauf wusste Allen ebenfalls keine Antwort. Wie so oft dieser Tage im Kosovo hieß es: Jemand wird sicher einen Plan dafür haben.

Was schließlich die Pläne der USA betrifft, so hat man sich im Kosovo zweifelsohne auf längere Zeit eingerichtet. Gerüchte allerdings über eine Airbase von der Größe von Aviano ließen sich nicht belegen. Andere Gerüchte jedoch besagen, die USA hätten das Gelände für 99 Jahre gepachtet. Zur Zeit ist Bondsteel wohl eher ein Symbol für den ganz normalen Wahnsinn des USóKforóAlltags ó »Kosovo American Style«, wie irgendwo im Camp zu lesen war.

Und so, gut isoliert von jeder Realität, kann man gleichzeitig die Erinnerung an den Krieg in Vietnam komfortabel pflegen ó und verdrängen. Im Supermarkt werden Postkarten verkauft, die sich an das Filmplakat von »Apocalypse Now« anlehnen. Sie werben für einen imaginären Film über den Einsatz im Kosovo: »Nato presents: Balkans Now«. In der »gated community« von Camp Bondsteel scheint sich die Apokalypse in eine Unterhaltungsshow verwandelt zu haben.