Regierungsumbildung in Japan

Lob der Faulheit

Wie kann man nur so an seinem Amt hängen? Kaum fünf Stunden, nachdem am vorletzten Wochenende die Liberale Partei (LP) die Regierungskoalition mit der liberaldemokratischen Partei (LDP) und der buddhistischóautoritären Komeito verlassen hatte, erlitt Keizo Obuchi, zu diesem Zeitpunkt noch japanischer Premierminister, einen Schlaganfall. Seither liegt er im Koma.

Noch während der Öffentlichkeit vorgelogen wurde, Obuchi müsse sich nur ein wenig ausruhen, wurde schon um die Nachfolge gerangelt. Ein Problem aber blieb: Obuchi war ja nicht zurückgetreten. Und ohne Bewusstsein konnte er diesen Schritt auch nicht nachholen.

Doch auch für diesen Fall hat man in Japan vorgesorgt: Da absehbar ist, dass neben Arbeitern und Angestellten auch mal Politiker wegen Arbeitsüberlastung plötzlich ins Koma fallen, gibt es für solche Fälle eine Verordnung. Die besagt, dass ein Augenzwinkern oder Zucken der Mundwinkel als Bitte zur Demissionierung zu verstehen ist.

Plötzlich ging alles ganz schnell: Die Regierung entschuldigte sich öffentlich für die falschen Informationen, aus der LP spaltete sich die Hälfte der Abgeordneten ab, um als Konservative Partei wieder an der Regierung teilzunehmen ó die Mehrheit im Oberó und Unterhaus war gesichert. Anschließend trat das Kabinett geschlossen zurück, um sich wiederwählen zu lassen. Und die seit 50 Jahren mit nur einer kurzen Unterbrechung regierende LDP bestimmte Yoshiro Mori, einen langjährigen Freund Obuchis, zum neuen Premierminister.

Mori ist seit 1969 Abgeordneter, er war schon dreimal Minister, musste aber 1988 wegen seiner Beteiligung am RecruitóBestechungsskandal zurücktreten. Jahrelang hatte er auf den hinteren Parlamentsbänken Platz zu nehmen, erst 1998 wurde er LDPóGeneralsekretär.

Die wirklichen Machthaber in der konservativónationalistischen LDP sind die Führer der fünf Parteifraktionen. Sie machen in einem sorgfältig austarierten ProporzóSystem die jeweiligen Regierungschefs untereinander aus. Wichtig für den Auserwählten ist, dass er sich weder zu sehr profiliert noch zu lange an seinem Job festhält. Zwei Jahre Amtszeit werden selten erreicht, da die LDPóFraktionen sich rasch auf einen neuen Premier verständigen oder ein Skandal den Regierungschef zum Rücktritt zwingt.

Nakasone, Kaifu, Hosokawa, Hata, Miyazawa, Takeshita ó all das sind in der Öffentlichkeit längst vergessene Namen von ehemaligen Regierungschefs der vergangenen Jahre. Obuchi und Mori wird man in diese Liste bald einreihen können, die politische Linie in Japan aber bleibt.

In der Japan Times melden sich nun die ehemaligen Ministerpräsidenten wieder zu Wort und geben Tipps, wie es möglich ist, als Premier zu überleben. Kiichi Miyazawa sagte der Zeitung, er habe Obuchi noch vor dem Schlaganfall geraten, häufiger mal eine Auszeit zu nehmen. Der aber habe immer versucht, seinen Terminkalender abzuarbeiten ó hier eine Beerdigung oder Hochzeit, dort eine Einweihungszeremonie oder ein Empfang. Stundenlang habe er oft in der Kälte stehen müssen, nie habe er am Wochenende die Möglichkeit gehabt, beim Golfspielen dem Stress zu entfliehen oder einfach mal ein paar Tage frei zu machen.

Kiichi Miyazawa kommt zu dem Schluss, dass es ihm selbst besser ergangen sei, da er wohl eher in die Kategorie der faulen Regierungschefs gehöre.