Nazi-Aufmarsch am 1. Mai

Nationale Vervielfältigung

Aus dem Scheitern eines zentralen Aufmarsches am 1. Mai im vergangenen Jahr hat die NPD gelernt: Dieses Jahr wird dezentral mobilisiert.

Erster Mai - nazifrei»: Dieses Motto könnte AntifaschistInnen in diesem Jahr vor Probleme stellen. Im vergangenen Jahr war die neonazistische NPD mit dem Konzept eines zentralen Mai-Aufmarsches in Bremen wegen einer breiten antifaschistischen Bündnismobilisierung und einem anschließenden Verbot des Aufmarsches gescheitert.

Dieses Mal setzt die NPD auf dezentrale Kundgebungen und Aufmärsche in verschiedenen Bundesländern. Zentral ist nur das Motto: »Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche«. Bisher sind NPD-Anmeldungen in Berlin, Dresden, Fürth, Grimma, Hannover, Ludwigshafen, Weimar, Wetzlar und Stralsund bekannt geworden. Mobilisiert wird vor allem über die Internet-Seiten der NPD und der Freien Kameradschaften sowie über die Nationalen Infotelefone.

So verschieden die politischen und gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen vor Ort, so unterschiedlich verlaufen die antifaschistischen Gegenmobilisierungen. Im hessischen Wetzlar, wo sich kurz nach dem Bekanntwerden der NPD-Anmeldung ein breites Bündnis von Gewerkschaften und AntifaschistInnen gegründet hatte, verbot die Stadt den Aufmarsch mit dem Hinweis auf eine DGB-Kundgebung. Der NPD-Kreisvorsitzende Alfred Zutt versucht nun, auf juristischem Weg den Aufmarsch durchzusetzen.

Auch in Weimar hatte schon im März ein Bündnis von Gewerkschaften, antirassistischen und antifaschistischen Gruppen mit der Mobilisierung gegen die NPD begonnen, die den Berliner JN-Kader Andreas Storr sowie das Bundesvorstandsmitglied Hans-Günther Eisenecker als Redner angekündigt hat. Das Bündnis plant ein Straßenfest und Protestaktionen entlang der Marschroute der Neonazis. Die historisch mit dem NS verbundenen Orte Weimars sollen durch »besondere Formen der Ehrung oder Besetzung« in das Protestkonzept miteinbezogen werden.

»Eine NPD-Demonstration in Weimar 55 Jahre nach der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald wird auch international nachhaltig das Bild dieser Stadt prägen«, erklärte ein Sprecher des Bündnisses. »Nur wenn deutlich wird, dass man nicht nur um das Ansehen besorgt ist, sondern rassistischem und neofaschistischem Gedankengut keinen Platz lässt, wird eine Grundlage geschaffen, um die NPD und andere neofaschistische Organisationen zurückzudrängen und den Druck auf die Landesregierung zu erhöhen.«

Diesen Druck hat auch der Berliner Senat nötig: Hier will die NPD in Hellersdorf marschieren - und damit den dritten Neonaziaufmarsch innerhalb von vier Monaten in der Hauptstadt durchführen. Während Innensenator Eckart Werthebach (CDU) verkündete, dass ein Verbot rechtlich nicht durchzusetzen sei, halten die Parteien in der BVV des Plattenbaubezirks an einem »Maifest der Kulturen« fest, das vom Bezirksbürgermeister Uwe Klett (PDS) sowie allen BVV-Fraktionen unterstützt wird und auf dem Alice-Salomon-Platz stattfinden soll.

Auch der benachbarte Bezirk Marzahn hat seine Unterstützung zugesagt, schließlich hatten im Wahlkreis Hellersdorf/Marzahn bei den letzten Bundestagswahlen rechtsextreme Parteien 7,7 Prozent der Stimmen erhalten. Direkte Proteste sollen nicht geduldet werden: Von der PDS angemeldete Kundgebungen entlang der NPD-Route wurden verboten. Und Bürgermeister Klett kündigte eine »Sicherheitspartnerschaft« mit der Polizei an, um »Ausschreitungen« wie beim gescheiterten NPD-Aufmarsch 1997 in Wuhletal zu verhindern. Autonome AntifaschistInnen hoffen daher auf eine ähnlich breite Resonanz für ein direktes Protestkonzept wie am 12. März, als Nazi-GegnerInnen eine Routenänderung des NPD-Aufmarschs erzwangen.

Noch schwerer als in Berlin werden es AntifaschistInnen wohl in Sachsen haben: Die zentrale Neonazi-Kundgebung in Sachsen mit dem NPD-Bundesvorstandsmitglied Holger Apfel als Hauptredner findet in Grimma statt. Die Muldental-Stadt, die nach Angaben der NPD »wegen ihrer Nähe zur Autobahn und Leipzig« ausgewählt wurde, wird auch als möglicher Ausweichort für süddeutsche Neonazis gehandelt. Denn in Grimma hatten Stadtverwaltung und Landratsamt schnell signalisiert, dass es kein Verbot geben würde.

Hier wird unter dem Motto »Die Welt ist bunt. Nicht schwarz-weiß. - Grimmas Bürger bekennen Farbe gegen den NPD-Aufmarsch in ihrer Stadt« dazu aufgerufen, die Marschroute der NPD mit bunten Tüchern und Plakaten zu schmücken. Darauf konnten sich alle Rathausfraktionen verständigen. Und auch die örtliche PDS, der PDS-Kreisverband Muldental und PDS-Landtagsabgeordnete sowie die örtliche Presse machen mit. Grimmas Polizeichef nutzte die mangelnde lokale Unterstützung für die Antifa-Demo, um »einen polizeilichen Belagerungszustand« anzukündigen.

Störenfriede in diesem harmonischen bunten Miteinander sind allein die Anmelder der Antifa-Demonstration »Der 1. Mai bleibt rot«, ein Wurzener PDS-Stadtrat und das Leipziger Bündnis gegen Rechts. Während sich die Landes-PDS durch die Demo-Anmeldung provoziert fühlt, erhalten die Protestierer Unterstützung von PDS-Bundestagsabgeordneten wie Angela Marquardt, Carsten Hübner und Heidi Lippmann.

Auch im mecklenburgischen Stralsund haben es AntifaschistInnen nicht leicht. Hier hat der DGB seine zentrale Mai-Kundgebung auf dem Alten Markt zeitgleich mit dem Nazi-Aufmarsch auf dem Neuen Markt geplant. Das regionale Bündnis gegen Rechts ruft unter dem Motto »Gemeinsam Rechtsextremismus verhindern« zu einer Demonstration auf, eine Zwischenkundgebung soll auf dem Neuen Markt abgehalten werden. AntifaschistInnen befürchten, dass die NPD nach einer erfolgreichen Kundgebung in Stralsund nachmittags nach Anklam weiterreisen wird, um dort das Friedensfest zu besuchen. In Anklam hatten Neonazis im letzten halben Jahr zwei Aufmärsche durchführen können - ungestört.

Noch offen ist, wohin die Freien Kameradschaften mobilisieren. Nach Hannover, um dort »gegen die Expo zu demonstrieren»? Oder nach Berlin, um nach der Schlappe vom 12. März das jugendliche Sympathisantenumfeld wieder aufzumuntern? AntifaschistInnen sollten sich jedenfalls unter dem Motto »Überregional denken - lokal handeln« auf Überraschungen vorbereiten.