Proteste gegen die Expo

Nachhaltig exponiert

Wer in der Linken etwas auf sich hält, mobilisiert gegen die Expo 2000 in Hannover: Eine kleine Programmvorschau. Bilder einer Ausstellung I.

Welches Zukunftsbild schwebt den Managern weltweit agierender Konzerne wie Langnese-Iglo, Sony oder der Allianz vor? Demnächst wird es in Hannover zu sehen sein. Eines ist jedenfalls schon jetzt klar: Mit Superlativen soll auf der Expo 2000, der ersten Weltausstellung, die in der Bundesrepublik stattfindet, nicht gegeizt werden. Denn die Ziele sind hoch gesteckt: Man will, wie der Eigenwerbung zu entnehmen ist, »im Rahmen einer faszinierenden Erlebnislandschaft Lösungen für die Zukunft beispielhaft, anschaulich und konkret präsentieren«.

Vom 1. Juni bis zum 31. Oktober soll das Spektakel in der niedersächsischen Landeshauptsstadt stattfinden. Das Motto: »Mensch, Natur, Technik«. Die Stichwörter: Bio- und Kommunikationstechnologien, nachhaltige Entwicklung, Agenda 21. Deutschland will sich als »Kulturnation und moderner Wirtschaftsstandort präsentieren«, um dadurch, so erläuterte Expo-Generalsekretärin Birgit Breuel, »das Bild der Bundesrepublik im Ausland auf viele Jahre hinaus positiv« zu prägen.

Und während Politik und Industrie auf eine »neue Visitenkarte Deutschlands« im internationalen Geschehen setzen, artikuliert sich im einst als »längste linksradikale Kampagne« bekannt gewordenen Expo-Widerstand die Kritik. Schon Anfang der Neunziger entwickelte sich ein breites Engagement. Politische Zusammenhänge wie die Anti-Expo-AG Hannover oder das mittlerweile aufgelöste Bündnis Tipp-Ex (Treffen für intergalaktische Perspektiven gegen die Expo) haben sich gegründet, die Bundeskonferenz entwicklungspolitischer Gruppen (Buko), JungdemokratInnen / Junge Linke, Umweltschutz von Unten und der Bund deutscher PfadfinderInnen (BdP) deuten in etwa das umfangreiche Spektrum an, das sich gegen die Weltausstellung zusammengefunden hat.

Bereits das siebte bundesweite Treffen verschiedener linker Gruppen, die sich seit eineinhalb Jahren gegen die Expo organisieren, fand Anfang April in Bielefeld statt. »In diesem Rahmen arbeiten internationalistische und antirassistische Initiativen, radikal ökologische Gruppen genauso wie Antifas oder Zusammenhänge, die sich mit Umstrukturierung beschäftigen«, erklärt Jörg Pohl vom Büro für mentale Randale. Das Bündnis bereitet für den Beginn der Expo eine Aktionswoche vom 27. Mai bis zum 4. Juni vor, deren Höhepunkt nicht die für den 27. geplante Großdemonstration, sondern ein dezentraler Blockade- und Aktionstag zum Eröffnungstag am 1. Juni darstellt. »Kleine und große, nette, spaßige oder direkte Aktionen, Blockaden und Störungen« sollen für Unruhe während des Auftakts der Ausstellung sorgen: »Wir sind Sand oder Steine im Getriebe.«

Keine Frage: Die Organisatoren und Organisatorinnen träumen davon, an die Ereignisse von Seattle anknüpfen zu können. Sprecher Pohl ist optimistisch: »Wir haben die besten Chancen, die Eröffnung massiv zu behindern oder gar lahmzulegen.« Und auch nach dem dann doch einkalkulierten Start der Expo setzt man auf ein dezentrales Konzept, zumal die Weltausstellung durch ihre vielen bundesweiten Projekte auch außerhalb Hannovers viele Angriffspunkte bietet. So zählt etwa die Info-Box am Potsdamer Platz in Berlin zu den überregionalen Expo-Projekten. Oder die wegen der Hetzjagd auf den Algerier Farid Guendoul bekannt gewordene »Eurostadt Guben/Gubin« soll im Rahmen der Weltausstellung die »Vision des Zusammenwachsens einer deutschen und polnischen Stadt« symbolisieren.

Wie schon bei früheren Großereignissen, etwa der Mobilisierung gegen den IWF-Weltbank-Kongress in Berlin 1988 oder dem Kölner »Gipfelsturm« 1999, ist auch beim Expo-Widerstand für alle etwas dabei. So hat etwa die Chiapas-Gruppe die Möglichkeit, am Mexiko-Aktionstag Ende August aktiv zu werden, und beinahe traditionsgemäß wurde der 3. Oktober zum Antinationalen Aktionstag auserkoren. An die eigene Riot-Vergangenheit erinnert sich die chaos.tage.de-Fraktion. Sie ruft dazu auf, vom 6. bis 8. August die Expo »gründlich zu beschädigen«.

Es liegt auf der Hand: Wenn die Expo schon den Anspruch hat, Lösungsvorschläge für die Probleme der Zukunft zu liefern, dann bietet sie natürlich auch entsprechende Angriffsflächen. Und so war man auch auf Seiten des Widerstandes nicht eben zaghaft, wenn es galt, die Ziele zu formulieren. Als »Kristallisationspunkt für eine Neubestimmung linker Politik« sollte die Kampagne dienen, schrieb Hans Hansen in der Bremer Zeitschrift alaska. Kein weiteres »subkulturelles Szene-Event« wollte man organisieren, sondern auf einen Prozess gemeinsamer linker Organisierung hinarbeiten, die verschiedene Teilbereichsthemen miteinander verbinde.

Dass die Realisierung diese Vorstellungen an »inzwischen altbekannten Fehlern einer auf Großereignisse orientierten Kampagnen-Politik« scheitern könnten, befürchtete die alaska-Redaktion schon im vergangenen Dezember. Und tatsächlich kommt so manche politische Debatte wegen Zeitmangels zu kurz. Man konzentriert sich auf die aktuell notwendige Organisation von Aktionen.

Die Bremer Zeitungsmacher indes wollen Anfang Juni einen Workshop in Hannover veranstalten, der sich etwa mit einer »Standortbestimmung jenseits vom neuen Internationalismus« auseinander setzt. Dieser sei, wie der ebenso in den achtziger Jahren in der radikalen Linken diskutierte Neue Antiimperialismus »aktuell quasi bedeutungslos«.

Zusammenhänge wie das aufgelöste Tipp-Ex-Treffen stellten ihre Expo-Kritik in den Kontext von Diskussionen, wie sie auch schon beim Kölner Gipfelsturm geführt wurden. Ihre Analyse betont den Zusammenhang zwischen Expo und Nachhaltigkeit: Die »Expo-MacherInnen« hätten »die Agenda 21 für sich entdeckt«, die sich am Begriff der nachhaltigen Entwicklung orientiere. Die Konsequenz: Die auf der Ausstellung gezeigten Ansätze sähen etwa die Lösung für Hunger-Probleme in gentechnologischen Projekten und rigider Geburtenkontrolle. Nicht zufällig also steht die Kritik an Bio-, Entwicklungs- und Bevölkerungspolitik für zahlreiche Initiativen im Vordergrund.

Ganz ungewollt bekommen die linken Expo-Gegner und -Gegnerinnen allerdings auch Unterstützung von ganz anderer Seite: Rechtsradikale mobilisieren bereits für den 1. Mai nach Hannover, um das Spektakel für sich zu nutzen. Das Thema: gegen Globalisierung und für eine nationale Volkswirtschaft.