Separatisten in Europa

Konkurrenz der Regionen

Seit etwa zwei Jahren, seit die baskischen Separatisten zusehends aus ihrem französischen Rückzugsgebiet verdrängt wurden, gibt es eine engere Zusammenarbeit von Eta und der Bretonischen Revolutionären Armee (ARB). Aus den anfänglich eher sporadischen Kontakten ist mittlerweile eine militärische Kooperation erwachsen. Eine neue Generation von bretonischen Militanten wurden anscheinend von der militaristischen Logik der Eta beeinflusst, während es vor 30 Jahren um antiimperialistische politische Solidarität ging: Am 1. Mai 1972 unterzeichneten ARB, IRA und Eta zusammen ein Kommuniqué gegen den geplanten Europäischen Binnenmarkt der EU.

Alle drei Bewegungen widmen sich im Jahr 2000 - wenn auch in unterschiedlicher Form - ausschließlich dem Aufbau eigener Nationen und Nationalismen. Das Buhlen um Vorteile im Verteilungskampf um die Ressourcen der Regionen ist auch das Programm der anderen bekannten Minderheiten-Nationalismen: Sei es die katalanische Bourgeoisie mit ihrer weitgehenden Steuer- und Finanzhoheit, sei es der militante korsische FLNC, der sich im März nach jahrelangen Zerwürfnissen wieder vereinigt hat, um gegenüber Lionel Jospin glaubwürdiger die Forderung nach einer steuerbefreiten Freihandelszone Korsika zu erheben. Oder die IRA, die über eine Teilhabe der katholischen Mittelklasse am Boom der deregulierten Wirtschaft Irlands zäh verhandelt.

Die kapitalistische Konkurrenz zwischen den Regionen in Westeuropa hat sich verschärft. Mit der Deregulierung und dem Abbau des Sozialstaates hat sich in den letzten 20 Jahren trotz offizieller Regionalförderung der Abstand zwischen armen und reichen Regionen innerhalb der EU vergrößert. Das postfordistische Kräfteverhältnis zeichnet sich dadurch aus, dass die Regionalentwicklung in den nationalen Wettbewerbsstaaten an Absatzmärkten und Verkehrsinfrastruktur ausgerichtet wird, nicht an sozialem Ausgleich.

Wer dabei nicht von Kapitalismus reden will, sieht dann oft den nationalen Wohlfahrtsstaat des vergangenen Fordismus als Lösung. Oder die Heimattümelei.

Dabei richtet sich die EU ja nicht gegen ihre Mitgliedsstaaten. Aber die von EU und Nationalstaaten verschärfte regionale Konkurrenz, bei der ein Großteil der Wertschöpfung in wenigen Kernregionen wie Groß-London, der Lombardei oder Württemberg stattfindet, befördert das Anwachsen regionaler Mikronationalismen. Der Versuch, mit Minderheitenrechten wie der Charta des Europarates über die Regionalsprachen einen Ausgleich für die zunehmende soziale Zonierung gerade der verarmten Regionen zu erreichen, schlägt fehl.

Zum einen laden SeparatistInnen und ultrarechte EthnopluralistInnen mit einer verkürzten Kapitalismuskritik, die die Schuld in der Bürokratie, der Europäisierung oder ihrem Lieblingsgespenst Globalisierung ausmachen, die sozialen Konflikte auf der Mikroebene volks- und heimattümelnd auf. Für sie besteht die Lösung in einem eigenen kleinen Staat, wo nur noch ihre vermeintlich autochthone Sprache lingua franca ist.

Auf der Makroebene gibt es wiederum die StaatsnationalistInnen, die etwa vom Dogma der Nationalsprache nicht ablassen wollen und deshalb keine Zweitsprachen von Minderheiten akzeptieren. So befürchten Jaques Chirac und der Gaullist Charles Pasqua eine »Balkanisierung Frankreichs« und lehnen Unterricht in den regionalen Zweitsprachen Bretonisch, Korsisch oder Baskisch ab. Das tut auch Jean-Pierre Chevènement, der sich von der PS Frankreich mit einer eigenen Partei abgespalten hat: Wie Pasqua ist er gegen die EU-Bürokratie und die Globalisierung - und für ein starkes Frankreich. Und darunter versteht er eine rigide Abschiebepolitik ebenso wie eine Ablehnung der Regionalsprachen.