Machtkampf im Iran

New Sound of ’79

Für die ganz harten Beats sind in der Islamischen Republik Iran die Revolutionswächter der Pasdaran zuständig: »Wir werden das Gehirn der Widersacher mit dem Schmiedehammer zertrümmern«, heißt ihr neuer Song, der in der vergangenen Woche dem Publikum vorgestellt wurde. Begeistert war es nicht: »Eine konventionelle Nummer«, »So ähnlich schon gehört« und »Ein schlechtes Cover von den guten, alten 79er Songs«, lauteten einige der Reaktionen.

Auch das dazugehörende und auf MTV Teheran ausgestrahlte Video kommt eher dröge daher: Man sieht bärtige islamische Richter, die Khatami-nahe Zeitungen und Zeitschriften verbieten, bärtige Mitglieder des Wächterrats, die gewählte Parlamentarier disqualifizieren und bärtige Prediger, die vor dem Verfall der Sitten und dem Untergang der Kultur warnen. Alles wirkt drohend und düster.

Die einzige Action-Szene, wo Prügel-Perser auf demonstrierende Studenten losgehen, macht's auch nicht besser. Die MTV-Community, größtenteils jugendliche arbeitslose Abhänger, mag sich nicht recht über die Inszenierung der Macht erfreuen, weil die mit den Studenten treibt, was die Eltern zu Hause mit ihnen anstellen - tausendmal gespürt, tausendmal nicht identifiziert.

Da kam der andere, vor wenigen Wochen gezeigte Clip aus einem Berlin-Konzert von Mitgliedern der heimischen Band The Khatamis schon besser: Eine tanzende Frau im Bikini, ein nackter Mann, der seine Folterspuren zeigt, Gepöbel und Geschrei (»Nieder mit der Islamischen Republik«), all das knallig und unerbittlich vom Moderator kommentiert (»unislamische Szenen«). Was für eine Show.

Schade nur, dass sie von den Khatamis gar nicht beabsichtigt war. Sie wollen keinen Hardcore für die Herzen, sondern Melodien für Millionen. Statt auf »Let There Be Rock« oder »Revolution« setzen die Khatamis auf ein schlechtes Cover von »Let It Be« oder die Eigenproduktion »Wind Without Change«.

Denn wie fast überall auf der Welt ist Hardcore auch im Iran Musik für Minderheiten. Die Mehrheit steht hier mittlerweile auf Kuschelrock. Der riesige Verkaufserfolg der Khatamis in den letzten Jahren, besonders aber die Spitzenplätze in den Februar-Charts, waren ein Ausdruck davon. Aus dem Ausland melden sich immer mehr Konzertveranstalter, eine Deutschland-Tournee ist für den Sommer geplant.

Aber die Konkurrenz schläft nicht: Mit der Hit-Single »Islamismus mit menschlichem Antlitz« hat sich nun auch der zweite der beiden bekanntesten Islam-Rapper, Ali Khamenei, zurückgemeldet. Er aber will die zu erwartende Platin-Scheibe nicht für sich alleine, sondern setzt auf den Erfolg einer Reunion-Tour mit Mohammad Khatami, den er »zu den Stützen des Systems der iranischen Revolution« von 1979 zählt.

Der hat verstanden: Anstatt das Stück »Under Pressure« einzuüben, wird für jene Fans, die mehr als nur Kuschelrock wollen, das Repertoire um das Evergreen »Jailhouse Rock« erweitert. Bei einer landesweiten Tournee im vergangenen Jahr war der Song schon gut angekommen.

Es war wohl nicht nur der Einbruch in den Februar-Charts, der Khamenei zu einer Programmänderung gezwungen hat. Seit Elton Johns Song »Candle in the Wind« auch im Iran erhältlich ist, sind die Verkaufszahlen anhaltend hoch. Nun ist auch noch das Buch »Candle in the Mind: Elton John Songs« in persischer Übersetzung erschienen; in Teheran und anderen iranischen Großstädten war es sofort ausverkauft.

»Candle In the Mind« - Kerze im Sinn, oder, wenn man bösartiger übersetzen will: Kerze im Verstand - kommt einfach bei den Massen viel besser an, als es die düstere Schmiedehammernummer der Pasdarans je könnte. Es ist die Kuschelrockvariante des good old sound of '79.