Soul aus Deutschland

Halbe Miete

Wenn ein ehemaliger Disco-Security-Mann auf der »Schmerz in mir»-Single der Ex-Tic-Tac-Toe-Rapperin Ricky debütiert und danach auch noch gleich seine ersten beiden Maxis und das dazugehörige Album in die Charts ganz oben einsteigen, ist Vorsicht geboten. Auf den zweiten Blick allerdings verhält es sich ein wenig anders: Denn Aymans Musik ist Soul. Kein deutscher Soul natürlich, denn so was gibt's nich' und wird's auch nie geben, sondern Soul aus Deutschland. Einfach nur Soul - oder auch: immerhin.

Ayman ist Sohn tunesischer Eltern, in Berlin geboren und dafür, dass er versucht, deutschsprachigen Soul, der nicht deutsch ist, unter die Leute zu bringen, gebührt ihm Respekt; zumal das Produkt durchaus hörenswert ist. Auf seine erste Maxi »1 000 Mal« - netter Pop! - folgte die zweite: »Mein Stern«. Allerdings sind die Beats bei Ayman nur die halbe Miete, eher noch weniger. Aymans Musik lebt von seiner Stimme.

Dieses qualitativ ungleiche Verhältnis von Beats und Vocals bestimmt dann das erste Album »Hochexplosiv«. Aufgebaut auf dem »Stern»-Hit, traut es sich noch nicht so richtig, die ganze Bandbreite von Soul darzubieten. Was wahrscheinlich daran liegt, dass Aymans Produzenten eher gewohnt sind, Hits zu produzieren, als gewagtes Niveau. Triple-M hievten bisher The Boyz und Music Instructor in die Charts.

Die Stimme von Ayman ist so variabel, dass schon der ersten Silbe die Stimmungslage des kompletten Songs anzuhören ist. Als Übungsmaterial nutzte er dafür seit seiner Jugend diverse Motown-Stücke. Im Gegensatz zum deutschen HipHop ist seine Musik aber keine banale Kopie und kein größenwahnsinniges Mini-Format des Originals, sondern der recht gelungene und zudem mutige Versuch, ein Genre bescheiden, aber anspruchsvoll zu erweitern. Ayman kommt ohne platte Attitüden oder Paraphrasierungen aus. Sein Unternehmen, Soul in deutscher Sprache zu produzieren, entspringt nicht der Idee, an die im Mainstream ideologisch so sehr überfrachteten Ursprünge des afro-amerikanischen Soul anzuknüpfen, sondern verdankt sich einem schlichten Einfall, wie ihn bisher in ähnlicher Form nur noch Xavier Naidoo hatte - auch wenn der dann doch mehr auf Verkündungs- und Schmerz-Ding setzt. »Nach dem Mega-Hit von Alliance Ethnik (französische Rap-Gruppe; M.M.) habe ich mich gefragt, ob meine deutschen Texte gut in Frankreich ankämen. Aber wenn ich zum Beispiel in Spanien erfolgreich sein will, dann mache ich lieber etwas auf Spanisch. Ich will die Leute mit ihrer Sprache erreichen und konfrontieren.«

Es mag also sein, dass »Hochexplosiv« den Black-Soul-Gelüsten lebensausgehauchter Mittelschichtler entsprechend musikalisch reduziert wurde, aber Aymans Soul ist ohnehin nicht der echte Soul - und weil er es auch nicht von sich behauptet, ist er gut. Er versucht, ein in Deutschland unbekanntes und eigentlich auch ungeliebtes, weil nie verstandenes Genre einzuführen. Es wird zwar nie eine deutsche Seelen-Musik geben - nicht nur, weil Seele im Gegensatz zu Soul sich einfach nur like shit anhört, sondern auch, weil bei deutschen Versuchen über die Seele immer nur shit rauskommt -, aber als Pop-Nachfahren einer Legende sind Naidoo und jetzt auch Ayman mehr als nur okay.

Ayman: »Hochexplosiv«. Triple-M (Eastwest)