Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen

Ende gut, alles gut

»Positive Leitbilder«, »verbindliche Absprachen«, »konstruktive Gespräche« - dummes Geschwätz. Kaum hat die Ökopartei den ersten Schock nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl überwunden, grinst Bärbel Höhn schon wieder in jede hingehaltene Kamera, um mit Allgemeinplätzen grüne Lebenslügen aufrechtzuerhalten. Dabei weiß die gemeinhin als Linke bezeichnete Düsseldorfer Umweltministerin besser als so mancher grüner Mittelstands-Yuppie, dass die Partei substanziell ihrem Ende nahe ist. Selbst ein Dauer-Schönschwätzer wie Jürgen Trittin spricht von einer »Existenzkrise«.

Was Höhn nun nach dem Verlust von einem knappen Drittel der Wählerstimmen noch an eigenen Positionen in den »konstruktiven Gesprächen« mit Wolfgang Clements Sozialdemokraten durchsetzen wird, bleibt wohl ihr Geheimnis. Entsprechende Signale hatte sie jedenfalls schon ausgesandt, bevor sich die SPD mit Provokationen gegen den kleinen Partner in Szene setzte: Kaum war das Wählervotum verkündet, erklärte Höhn Kompromissbereitschaft beim bislang heftig bekämpften Schnellzug Metrorapid.

Wer sich vorzeitig über weitere Zugeständnisse informieren will, dem sei jenes 16-Seiten-Papier empfohlen, das die sozialdemokratischen Gesprächspartner unter dem Titel »Konfliktpunkte« vergangene Woche lancierten: Deregulierung in der Umweltpolitik, Stärkung der ökologischen Eigenverantwortung der Wirtschaft, Verzicht auf Öko-Abgaben, Ausbau der Bio- und Gentechnolgie. Keine Frage: Gegen solche Pläne für den industriellen Strukturwandel eines Neue-Mitte-Sozialdemokraten wie Clement können selbst grüne Politiker nicht anstinken. Da reichen die zahlreichen Versuche nicht aus, die FDP in Sachen Wirtschaftsliberalismus zu überholen.

Was liegt also näher als eine sozialliberale Liaison am Niederrhein? Wenig, und trotzdem wird das Düsseldorfer Bündnis weitergehen, zumindest »zunächst«, wie Kanzler Gerhard Schröder dezent einfließen ließ. Sicherlich wäre mit dem Freidemokraten Jürgen Möllemann das eine oder andere staatlich subventionierte Projekt schwieriger zu machen. Vor allem aber wissen die Sozialdemokraten in Düsseldorf und Berlin, was sich Bärbel Höhn nicht eingestehen will: Wenn der Konkurrent nur noch auf den entscheidenden Sprung wartet, gibt es nichts Angenehmeres als eine Partei, die dank Profillosigkeit zunehmend den Bach runtergeht.

Darüber frohlockte der FDP-Bundesparlamentarier Burkhard Hirsch schon am Wahlabend: »Ab heute sind die Grünen keine Regierungspartei mehr. Entweder sie fliegen raus oder sie hören auf, Grüne zu sein, weil sie alle Forderungen der SPD akzeptieren müssen.« Ähnlichen Realitätssinn bewies auch der ehemalige Kölner Landtagsabgeordnete Daniel Kreutz, als er seiner Partei letzte Woche den Rücken kehrte: »Die neoliberale Wende der Grünen in Bund und Land ist irreversibel.«

Es wird also doch alles gut. Über zwanzig Jahre arbeiteten die Grünen hart daran, ihre irre Gründungsidee vom parlamentarischen Arm einer außerparlamentarischen Bewegung empirisch ad absurdum zu führen. Mit jeder neuen Regierungsbeteiligung verloren sie ein Stück mehr an sozialer Basis, Kosovo-Krieg und gescheiterter Atom-Ausstieg ließen dann die letzten Hoffnungen auf Veränderung durch Macht-Partizipation platzen. Allein radikale Marktwirtschaftler und konservative Ökologen sind den Grünen nach den vielen Debakeln noch geblieben, kein kritischer Umweltschützer, keine reformorientierte Linke würde der Partei noch guten Gewissens eine Stimme spenden. Konsequenterweise hängt es nun an einem extrovertierten Wirtschaftsradikalen von der liberalen Konkurrenz, der Öko-Partei den Todesstoß zu versetzen. Aber sei's drum, später wird danach niemand mehr fragen. Einen Sekt auf Jürgen Möllemann!