Rückkehr des Afro-Pessimismus

Ethische Wehrertüchtigung

Noch vor einem halben Jahr war die Berliner Zeitung voller Hoffnung. »Eine kleine Erfolgsgeschichte« sei das Abkommen von Lomé, das den Führern der Ruf-Rebellen in Sierra Leone Ministerposten zusicherte. Jetzt, nach der erneuten Eskalation, sollen Köpfe rollen: Einen zweiten faulen Kompromiss dürfe es nicht geben, »Gerechtigkeit für Sierra Leones Schlächter« wurde nun vergangene Woche gefordert.

Afrika ist wieder einmal nicht mehr zu retten. Nachdem der Economist mit »The Hopeless Continent« vorgelegt hatte, zogen Woche und Zeit mit »Der Blackout-Kontinent« bzw. »Ein Kontinent in Flammen« nach. Die letzte Welle des Afro-Optimismus, die aus Meles Zenawi, Isaias Afwerki, Laurent Kabila und Yoweri Museveni die »neuen Führer Afrikas« machen wollte, ist in Fatalismus umgeschlagen.

Eine »afrikanische Wirtschaftsrationalität«, der »naive Glauben, (...) ein kapitalistisches Geschäft funktioniere von alleine, man müsse es nur besitzen« (Woche) sowie »hemmungslose Regierende und selbst ernannte Milizenführer« (FAZ) werden als Ursachen für die Konflikte benannt. Hier und da bemüht man das Ende des Kalten Krieges, den Rohstoffreichtum oder Waffenexporte zur Erklärung.

So unterschiedlich die Analysen, in einem Punkt herrscht Einigkeit: Es hilft nur draufhauen. Wirtschaftssanktionen und internationale Ächtung da, wo der militärische Einsatz aussichtslos, Intervention dort, wo die Lage handelbar scheint. »Zur Ermutigung: Vor fünf Jahren wurden die 5.000 bis 10.000 Banditen, die sich Rebellen nennen, von Executive Outcomes besiegt. Der unerwünschten Söldnertruppe aus Südafrika gelang das mit 300 Mann!« übt sich in der Zeit Bartholomäus Grill in Wehrertüchtigung am Beispiel Sierra Leone.

Wirtschaftlich ist Afrika weitgehend abgeschrieben. Wenige Enklaven, reich an natürlichen Ressourcen, ziehen das Interesse der internationalen Konzerne auf sich. Auf die Protektion durch den Staat können sie verzichten, ihre Förderstätten werden von Söldnern gesichert. Nach Angola, vom Bürgerkrieg zerstört, flossen 1997 zehnmal so viele Direktinvestitionen wie ins relativ stabile Mosambik. Ob Elf Aquitaine seine »Steuern« für die Ölförderung an die MPLA-Regierung oder die Unita zahlt, bestimmt der aktuelle Frontverlauf.

IWF und Weltbank förderten mit der Kopplung von politökonomischen Konditionen an die Kreditvergabe die weitgehende Auflösung der Institutionen in den ohnehin schwachen Staaten. Die Folge: eine Wirtschaftsweise, die mit Blick auf Liberia als »radikal freie Marktwirtschaft der gewaltoffenen Räume« charakterisiert wurde. In ihr ist der Krieg für Jugendliche zur Überlebensstrategie geworden.

Die »ethische Außenpolitik« der europäischen Staaten findet schnell ihre Grenzen, wenn es ans Zahlen geht. Mögen die Landbesetzungen in Zimbabwe auch populistisch motiviert sein - daran, dass sich Großbritannien bis heute weigert, enteignete Großfarmer zu entschädigen, ändert das nichts.

Namibia, dessen fruchtbares Ackerland ebenso ungleich wie in Zimbabwe verteilt ist, wird einem Bericht der FAZ zufolge demnächst finanzielle Forderungen an Deutschland stellen. Mit dem Geld sollen die Farmen aufgekauft werden, die sich das Deutsche Reich um die Jahrhundertwende zusammenraubte und an Großgrundbesitzer verteilte. Gespannt darf man sein, wie viel der ehemaligen Kolonialmacht die »vorbeugende Konfliktprävention« im konkreten Fall wert ist.

An der Peripherie zeigt der moderne Kapitalismus kurz nach dem weltweiten Triumph seine hässliche Fratze. In den Zentren ist man gelangweilt bis moralisch entrüstet, die Uno, besser noch die OAU, soll's richten. Sollte nun auch noch das Interesse von CNN an den Kriegen in Afrika nachlassen, dann wäre auch in Deutschland Zeit für eine neue Runde Afro-Optimismus. Damit verbunden sein wird die Abschiebung von Flüchtlingen in die Battlefields von Sierra Leone, Liberia, Angola und Kongo-Kinshasa.