Nachhaltige Image-Produktion

Ein Parcours durch Pavillons, weltweite Projekte und das corporate design der Expo 2000.

Die Entwicklungspolitik will raus aus ihrer Nische. Sie will ins Rampenlicht einer globalisierten One World. Sie will helfen, neue postpolitische Welten zu konstruieren. Das ist das erklärte Ziel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf der Expo 2000.

Bereits unter der Kohl-Regierung stellte das BMZ 100 Millionen Mark für die Expo bereit. Die Gelder sollten dafür sorgen, dass die politisch-ideologische Einfluss-Sphäre des Gastgeberlandes nicht an der Schwelle des eigenen Pavillons und mit der Konzeption der Themenparks endet. Deshalb reklamiert die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) als ausführendes Organ des BMZ für sich, nicht unwesentlich zu dem ersten symbolischen Erfolg der Expo beigetragen zu haben: Die Anzahl der teilnehmenden Staaten und Organisationen war noch nie so hoch wie in Hannover. Über 180 werden voraussichtlich vertreten sein. Eine ganze Reihe Trikont-Staaten hat die GTZ beraten und mit ihren Sondermitteln finanziell gefördert.

Als Effekt dieses monetären und ideologischen Briefings orientieren sich viele Staaten des Südens stärker an der inhaltlichen Vorgabe der Expo - Nachhaltigkeit und Agenda 21 - als die Bundesrepublik selbst. Während im deutschen Pavillon mit 47 überdimensionalen national-relevanten Köpfen folkloristischer Geniekult im Stil der fünfziger Jahre betrieben wird, ein netter Unterhaltungsfilm Infotainmentqualität der Neunziger beweist und Attraktionen aus den verschiedenen Bundesländern - etwa ein Felsstück der Zugspitze - präsentiert werden, informieren die Trikont-Staaten nicht nur über das Beste der Nation, sondern auch über sozio-kulturelle Projekte und Naturschutzgebiete.

Eine wichtige Rolle bei der Außendarstellung der Expo spielen die weltweiten Projekte. Sie sind ein Novum auf der Weltausstellung. Von den annähernd 770 Projekten hat die GTZ rund 300 in die Auswahl eingebracht. Darunter befindet sich ein Programm zur Reinhaltung der Luft in Mexiko, eine Initiative zur Wahrung des Weltkulturerbes in Nepal, eine mobile Datenbank fürs wildlife-Management in Südafrika und die Förderung medizinischer Versorgung und so genannter Familienplanung auf Madagaskar.

Insgesamt fügen sich alle Beiträge reibungslos in das Konzept der One World ein. Unter dieses Motto hat das BMZ seine Aktivitäten gestellt. Broschüren, Hinweisschilder und Presse-Informationen sollen den Projekten mit Hilfe eines entsprechenden Logos ein integriertes corporate design und besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Nicht zufällig wird hier eine Begrifflichkeit der sozialen Bewegungen, die Eine Welt, aufgegriffen. Wie generell im Nachhaltigkeitsdiskurs werden in emanzipativen Kontexten geformte Begriffe gewendet und zur Legitimation der herrschenden Verhältnisse benutzt. An die Stelle politischer Analysen tritt die leere Postulierung von Menschheitsinteressen. Aktuelle und historische Konflikte wie die Kolonialisierung verschwinden im Nebel globaler postpolitischer Problemfelder wie Ernährung, Gesundheit, Migration, Stadt oder Wissen.

Anders als bei den Auseinandersetzungen mit der Expo in Sevilla 1992 gibt es nur wenige pointierte Kritiken am imperialen Gestus der Weltausstellung. In Sevilla wurde unter dem Motto »Zeitalter der Entdeckungen« 500 Jahre äußerer Kolonisierung gefeiert, was den Widerstand der damals noch stärkeren Internationalismus-Bewegung zur Folge hatte. In Hannover liegt der Schwerpunkt auf der inneren Kolonisierung. Das Motto »Mensch-Natur-Technik« markiert eine neue biopolitische Perspektive der Weltausstellung.

Bio- und Computertechnologien sollen die Lösungskompetenzen der Metropolen modernisieren. Soziale Fragen werden zu technischen Problemen erklärt, politische Fragen zu Steuerungs- und Managementproblemen. Diese Technisierung des Politischen zieht sich seit der ersten Ausstellung in London 1851 wie ein roter Faden durch die Geschichte der Weltausstellungen. Die Inszenierung ökonomischer, aber auch kultureller Hegemonie der Metropolen soll im Zirkelschluss ihre globale Problemlösungskompetenz legitimieren. Birgit Breuel, Generalkommissarin der Bundesregierung für die Expo, hat das so formuliert: »Jede Weltausstellung ist eine Art Mikrokosmos des globalen Wettbewerbs der jeweiligen Zeit.«

Welche Art von Entwicklungspolitik BMZ und Expo-Management aus der Nische führen wollen, erschließt sich, wenn man die inhaltlichen Reststücke in den Events und Spektakeln der Weltausstellung wieder zusammensetzt: Erster gewünschter Effekt ist selbstverständlich ein Zugewinn an internationaler Reputation. Deutschland will sich nicht nur als bedeutender Wirtschaftsstandort, sondern als weltoffenes und multikulturelles Land darstellen. Vergessen werden sollen die nationalsozialistische Vergangenheit und Nachrichten über rassistische Übergriffe wie in Rostock-Lichtenhagen, die durch die Weltmedien gegangen sind.

Vergleicht man diese weiche nationale Image-Produktion mit der Außenpolitik unter Joseph Fischer, wird klar, dass es um den Entwurf einer ideologischen Verpackung für eine neue deutsche Interventionspolitik geht. Damit soll beispielsweise das mittelfristige Interesse, einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat zu bekommen, flankiert werden. Nur durch einen derartigen Abgleich der Expo-Botschaften mit der realen Politik macht eine politische Bewertung dieser Veranstaltung einen Sinn und erklärt, warum BMZ und Bundesregierung bereit sind, mehrere Hundert Millionen Mark in die Expo zu investieren.

Eine solche Betrachtungsweise, die die ideologisch-ästhetischen Produktionen der Expo im Rahmen internationaler Herrschaftsverhältnisse thematisiert, versuchen die beteiligten NGOs zu umgehen. Der Verband Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (Venro), Brot für die Welt, TransFair und amnesty international reihen sich umstandslos in die Ausstellungskonzeption ein. Von den Expo-Partnern aus der Wirtschaft - DaimlerChrysler, der Verband der Chemischen Industrie, Bertelsmann oder Lufthansa - unterscheiden sie sich nur durch ihre kleinere Anzahl, die marginalere Repräsentationskraft und geringere Finanzmittel. Von den politischen Perspektiven der Zivilgesellschaft sind auf der Expo lediglich die vollmundigen Versprechungen vom ökologischen Wirtschaften, von sozialer Gerechtigkeit und Demokratisierung geblieben. Tatsächlich ist der politische Streit um die Nachhaltigkeit seitens der NGOs schon längst verloren. Der Beitrag von Venro im inhaltlichen Herzstück der Expo, dem Themenpark »Mensch«, illustriert das: Der Verband lässt an die Decke des Ausstellungsbereichs Slogans wie »Die Zukunft beginnt mit einer Vision und dem Willen, sie zu verwirklichen« projizieren. Die Visionen aber konzipieren dann die Geldgeber vom BMZ. Die haben ihre inhaltliche Auftaktveranstaltung zur Expo Ende letzten Jahres unter das Thema »Bevölkerungswachstum und Nachhaltige Entwicklung« gestellt.

Quer durch alle Themenparks wird Bevölkerungswachstum als Ursache für die globalen Probleme genannt. Birgit Breuel buchstabiert, wie danach die neue neokoloniale Rollenverteilung zwischen Nord und Süd aussieht und die eigentlichen politischen Hintergründe ausgeblendet werden: »Die Agenda 21 ist ein Programm, die Umweltbelastung in der Welt mit den Mitteln einer wachsenden Wirtschaft zu reduzieren. Das gilt für die Entwicklungsländer: bei ihrer Aufgabe der Armutsbekämpfung und der Kontrolle des Bevölkerungswachstums. Und das gilt für die IndustrieLänder ebenso. Denn von ihnen wird erwartet, dass sie umweltpolitisch den technischen Fortschritt, der möglich ist, auch in ihrem Produktionsapparat so schnell wie möglich im Interesse einer Entlastung der Umwelt umsetzen.«

Die multikulturellen Expo-Spektakel - wie die Eröffnung unter dem Motto »Feste der Welt« - färben die in die Jahre gekommene Neue Weltordnung etwas bunter. Welterbe und Weltkultur sind dabei die kulturalisierten Markennamen einer neoliberalen One World. Die Hegemonie der Metropolen ist auf der Expo 2000 so ungebrochen wie sie es 1851 im Widerschein des Kristallpalastes des britischen Empires war.