Gabriele Zimmer, PDS-Fraktionsvorsitzende in Thüringen

»Wir brauchen breite Bündnisse«

Bisky geht, Zimmer kommt: So will es zumindest der PDS-Bundesvorstand. Ein paar Intrigen reichten aus, um die bisherige Anwärterin auf den Posten der Vorsitzenden, die Berliner Landeschefin Petra Pau, zu kippen, dann hatte selbst der Vertreter der Kommunistischen Plattform nichts mehr gegen die Vorstands-Kandidatin einzuwenden: Gabriele Zimmer, die 45jährige PDS-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, soll auf dem Parteitag im Oktober in Cottbus zur neuen Vorsitzenden der Demokratischen Sozialisten gewählt werden.

Sind Sie die rote Antwort auf die »schwarze Angie»?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich glaube, ich bin in erster Linie die Antwort der PDS auf ihre eigene Situation.

Die Chancen der PDS haben sich ja nicht gerade verbessert, seit der CDU mit Angela Merkel eine ostdeutsche Frau vorsteht.

Es stimmt, dass die PDS damit vor neue Herausforderungen gestellt wird. Die Vertretung von Ost-Interessen wird uns in Zukunft sicherlich nicht mehr in den Schoß fallen.

Sie sind nicht die erste Frau, die sich um die Nachfolge von Lothar Bisky bemüht. Petra Pau hatte ebenfalls Ambitionen, die nicht zuletzt von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zunichte gemacht worden sind. Wirft das nicht ein schlechtes Licht auf Ihre eigene Kandidatur?

Das sehe ich nicht so. Ich habe mich aus diesen Personal-Debatten immer herausgehalten und meine Arbeit - auch die für den Bundesvorstand - in erster Linie von Thüringen aus betrieben. Das erweist sich nun als Vorteil: Die PDS braucht jemanden, der oder die in bestimmte interne Strukturen nicht so verwoben ist.

An Bartsch werden Sie kaum vorbeikommen.

Ich habe zu Dietmar Bartsch ein offenes, solidarisches, aber durchaus auch kritisches Verhältnis. Es hängt jetzt ohnehin erst einmal davon ab, dass der Bundesvorstand den nächsten Parteitag in Cottbus ordentlich vorbereitet, dass mit den Landesverbänden darüber diskutiert wird, wie ein Personal-Paket insgesamt aussehen kann. Ich bin hier ziemlich offen - und gehe davon aus, dass die Basis mitzieht.

Auf dem letzten Parteitag in Münster war das nicht der Fall. Die Delegierten weigerten sich, Uno-Kampfeinsätzen zuzustimmen. Sie hingegen stimmten für den Vorstands-Antrag, der die Zustimmung zu solchen Einsätzen vorsah.

Ja, aber aus der Haltung heraus, dass die Uno als derzeit einzige Institution zur Verhandlung von Völkerrechts-Angelegenheiten verteidigt werden muss gegen Bestrebungen, sie den Interessen der Nato unterzuordnen. Es war sicherlich ein Fehler, diese Entscheidung zu suchen, ohne die Basis vorher ausreichend in die Diskussion einbezogen zu haben.

Ein taktischer Fehler?

Nein. Wir waren inhaltlich noch nicht so weit, ein komplettes Konzept zur Außen- und Sicherheitspolitik vorzulegen. So musste es wirken, als ob hier einseitig eine Änderung der friedenspolitischen Positionen angestrebt worden wäre.

Und die ist jetzt erst einmal auf nächstes Jahr vertagt?

Wir werden über die Friedens- und Sicherheitspolitik im Rahmen unserer Programm-Debatte diskutieren. Was dabei herauskommen wird, ist also noch völlig offen.

Die PDS im Osten diskutiert gerade andere Probleme: So weigerte sich der sächsische Landesvorstand, eine linke Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Grimma zu unterstützen. Die Bundesjugendkonferenz der Partei, die am Wochenende in Leipzig zusammenkommt, wird über das Abrücken der PDS vom Antifaschismus diskutieren. Wie antifaschistisch muss die Partei Ihrer Meinung nach denn sein?

Ich habe mich in Thüringen immer dafür engagiert, dass die PDS einen festen Platz in antifaschistischen Bündnissen hat. Darüber hinaus haben wir erreicht, dass ein Konsens - wenn auch nur ein minimaler - zwischen den Parteien im Thüringer Landtag erzielt wurde, der sich deutlich gegen rechts wendet. Das war nach dem Anschlag auf die Erfurter Synagoge so, und dieses Bündnis hat auch verhindert, dass im Landtag eine Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen stattfinden konnte: ein einmaliger Vorgang - und ein Erfolg nicht nur der PDS. Natürlich muss aber auch den Mitgliedern des Bundes vermittelt werden, dass sie mit der Akzeptanz ihres thüringischen Vorsitzenden - dem bekennenden Revanchisten Paul Latussek - dazu beitragen, weiter rechtsextremistisches Gedankengut zu verbreiten.

In Sachsen haben sich PDS-Funktionäre mit dem Ex-NPD-Bundesvorstand Gregor Janik getroffen, um über dessen Eintritt in die PDS zu diskutieren. Entspricht das Ihrem Verständnis von Antifaschismus?

Ich betrachte Antifaschismus in erster Linie als eine Auseinandersetzung um Toleranz, um Widerstand gegen Antisemitismus und Rassismus. Dazu brauche ich breite Bündnisse. Ich muss überlegen, mit wem ich reden kann. Es gibt für mich Leute, die sind außerhalb jeglicher Gesprächsfähigkeit.

Leute wie Gregor Janik?

Das kann ich nicht beurteilen. Da müsste ich schon Konkreteres über diesen Menschen wissen. Von vornherein würde ich mich nicht prinzipiell auf ein Gespräch mit ihm einlassen wollen.

Gilt das für Vertreter anderer faschistischer Parteien auch?

Ich unterscheide schon zwischen den Funktionären und jenen, von denen ich hoffe, dass sie sich aus diesem Spektrum lösen können. Um es deutlicher zu sagen: Einem Tino Brandt, der beim NPD-Parteitag in Thüringen Anfang Mai gesagt hat, er werde sich zur Juden-Verfolgung nicht äußern wegen möglicher strafrechtlicher Konsequenzen, würde ich zum Beispiel jedes Gespräch verweigern.

Bündnisse mit Partnern aus dem rechten CDU-Spektrum sind aber okay?

Ein Bündnis mit einem CDUler ist für mich so lange möglich, wie dieser deutlich gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit auftritt. Da bin ich auch bereit, mich mit ganz konservativen CDU-Mitgliedern in einer Demonstration einzureihen oder in eine Menschenkette zu stellen. Das ist für mich überhaupt kein Problem.

Und der Rechtsextremist, der genauso gegen den Kapitalismus ist wie viele in der PDS, ist dann auch irgendwann ein Bündnispartner?

Nein. Ich habe von CDUlern, mit denen ich gemeinsam gegen Rechtsextremisten vorgehe, gesprochen, und nicht umgekehrt. Ein Mensch, der die Menschenrechte nicht akzeptiert, der Andersdenkende oder Andersliebende oder wen auch immer nicht akzeptiert, der diese weghaben will, mit dem kann ich keine Bündnisse eingehen. Das ist doch klar. Ob diese sich in ihrem Programm gegen den Kapitalismus aussprechen oder die USA als Welt-Gendarm ablehnen, spielt da keine Rolle. Entscheidend ist, ob sich jemand zu den Grundsätzen von Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz bekennt. Nur auf dieser Grundlage gehe ich Bündnisse ein.

In Sachsen nicht unbedingt Konsens ...

Die Diskussion in Sachsen ist schwierig und wird es auch bleiben, solange es vordergründig um den »besseren« Antifaschismus geht. Dass diese Position nicht Konsens ist, ist sicher richtig - nur kann man davon ausgehend keine pauschalen Aussagen treffen über die Gesamtpartei.

Wie national muss die PDS denn sein?

Eine Korrektur unseres bisherigen Nationen-Verständnisses ist nicht nötig. Die PDS muss in erster Linie ein souveräneres Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland gewinnen - sie aber nicht in Umkehrung bisheriger Verhältnisse als Nabel der Welt betrachten, sondern als eingeordnet in Europa. Bislang hat die Partei die Bundesrepublik vor allem deshalb abgelehnt, weil sie eine völlig andere Gesellschaft mit sich brachte. Je mehr die PDS sich in der bundesdeutschen Gesellschaft bewegt, ohne sich in ihr einfach einzunisten und zu sagen »Das ist es nun«, umso eher wird sich auch ein souveräner Umgang mit Deutschland einstellen.