Frauenbewegung und Expo

Ausgepowert in Hannover

Der bevölkerungspolitische Diskurs ist ein Paradebeispiel für neue Koalitionen zwischen der Frauenbewegung und dem Mainstream. Bilder einer Ausstellung IV.

Die Expo funktioniert als Kopiergerät von Begriffen. Sie reichert ihren Diskurs mit Worten an, die sie von den reformorientierten und kooperationsbereiten Teilen der sozialen Bewegungen bezogen hat. Nachhaltigkeit, Zivilgesellschaft und Partizipation sind die Fixsterne in diesem diskursiven Sonnensystem. Sie sollen der Weltausstellung ein wenig emanzipatorischen Glanz verleihen.

Der bevölkerungspolitische Diskurs, der den den Expo-Themenpark begleitet, ist ein Paradebeispiel für diese partizipatorischen Vorgänge, die meistens mit Begriffs- und Imagetransfers beginnen. Seit der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 ist sichtbar geworden, dass das bevölkerungspolitische Establishment mit Teilen der Frauenbewegung Begriffe ausgetauscht hat. Ein Term, der seit Kairo en vogue ist, lautet Empowerment. Am Anfang sollte damit die Ermächtigung von Frauen unabhängig von staatlichen oder entwicklungspolitischen Interessen beschrieben werden. Inzwischen ist er fester Bestandteil der schönen neuen Bevölkerungspolitik, wie sie die Expo repräsentiert (Jungle World, 20/00).

Als feministisches Konzept tauchte Empowerment erstmals 1985 während der Weltfrauenkonferenz in Nairobi auf. Es wurde von dem internationalen Frauennetzwerk Dawn (Development Alternatives with Women for a New Era) eingebracht. Die Vorstellung, sich selbst jenseits staatlicher Interessen und Kontrollen zu ermächtigen, fand bei der internationalen Frauenbewegung großen Anklang.

In den folgenden Jahren hat der Begriff Karriere gemacht. Empowerment wurde zum Shooting Star des bevölkerungspolitischen Diskurses und bis weit in Regierungsorganisationen hinein rezipiert. Was mit der Idee begann, Frauenprojekte zu gründen und Frauen in kollektiven Strukturen Stärke zu vermitteln, wurde für ökonomische Interessen instrumentalisiert. Danach buchstabierte sich Empowerment so: Mit einer Statusverbesserung von Frauen wird der Zugang zur Human-Ressource Frau erweitert, die die wirtschaftliche Entwicklung verbessert und Nachhaltigkeit intensiviert.

In der Bilderpolitik der UN-Entwicklungsabteilung sieht das folgendermaßen aus: Auf der Titelseite des UNDP-Berichts über Empowerment ist eine Frau aus Bangladesh abgebildet, die einen Traktor fährt - auf einem Stück Land, das ihr nicht gehört. Sie arbeitet gegen Lohn. Vorher hatte sie ein Stück Land für die Selbstversorgung besessen, das ihr im Zuge der grünen Revolution weggenommen wurde. Das sekundäre Versprechen der UNDP, das den Status quo nicht antastet, lautet: Kapitalisierung der Landwirtschaft und die Einführung moderner Technologie haben diese Frau zwar entmächtigt; der Zugang zu dieser Technologie wiederum ermächtigt sie aber auch, überhaupt einen Traktor zu fahren. Kein Wort fällt über den Kampf von Frauen aus Bangladesh, die Kontrolle über das Saatgut zurückzuerobern, die ihnen durch moderne Technologien und die damit verbundenen Patentierungen genommen wurde.

Aus bevölkerungspolitischer Sicht geht es bei Empowerment inzwischen darum, Frauen im Sinne westlicher Normativität zu emanzipieren, damit sie sich frei und selbstbestimmt dafür entscheiden, maximal zwei Kinder zu bekommen. Dieser ideologische und praktische Kompromiss wurde zwischen Teilen der Frauenbewegung und Regierungsvertretern auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 geschlossen - und damit der feministische Konsens der achtziger Jahre gebrochen. Ab jetzt ging es darum, Bevölkerungspolitik von unten statt von oben zu betreiben. Als Voraussetzung für eine feministische Reform galt eine mindestens fünfzigprozentige Beteiligung von Frauen in allen bevölkerungspolitischen Bereichen.

Ein Beispiel aus Peru dokumentiert diese neue Logik: Im Laufe einer Kampagne für reproduktive Rechte und Familienplanung wurden in Peru zwischen 1996 und 1997 rund 300 000 Menschen, vorwiegend Frauen, sterilisiert. Die Kampagne richtete sich vor allem an die indigene und arme Landbevölkerung. Auf so genannten Dorffesten oder in Sterilisationscamps wurden die Menschen angehalten, sich einer Sterilisation zu unterziehen.

Der Gesundheitsdienst, der mit dieser Kampagne beauftragt wurde, bekam pro sterilisierter Frau zehn US-Dollar. Die Frauen wurden zur Operation gedrängt. Der ganze Vorgang wurde erst zu Beginn dieses Jahres bekannt. Die Frauengesundheitsbewegung in Peru bezog keine Stellung zu diesen Vorfällen, obwohl ihre Vertreterinnen mit Regierung, Kirche und United Nations Population Fund am runden Tisch saßen.

In der letzten Zeit wird der Zwangscharakter von Bevölkerungspolitik zu Gunsten eines frauen- , armen- und umweltfreundlichen Images kaum mehr thematisiert. Seitdem gibt es keine Hochglanzbroschüre der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, keinen UN-Weltbevölkerungsbericht mehr ohne das strahlende Label Empowerment - das natürlich auch auf der Expo auftaucht.

»Gender« blieb aber als Querschnittsthema der Expo 2000 trotzdem nur eine Forderung des Vereins Frauen und Expo. Womit sich die Expo allerdings schmücken kann, ist die Internationale Frauenuniversität (IFU).

Doch auch deren Veranstalterinnen müssen sich fragen, ob sie nicht ebenfalls nur der Legitimation der Expo dienen - so wenn zum Thema Migration feministische Theoretikerinnen aus der ganzen Welt anreisen wie Jaqui Alexander oder Gayatri Chakravorty Spivak, die die Beteiligung von NGOs auf der Weltfrauenkonferenz in Bejing scharf angriff. Nun findet diese Diskussion um Migration, Postkolonialismus und globalen Kapitalismus im Rahmen der Expo 2000 statt, die von einer global world träumt, in der alle Probleme technokratisch lösbar sind. All diese Reformierungs- und Partizipationsversuche gelingen nur, wenn sie mit herrschenden Interessen kompatibel sind. Die ursprüngliche Widerständigkeit verschwindet, Begriffe wie Empowerment tauchen sinnentleert in allen Debatten auf und verschaffen ihnen ein emanzipatorisches Image.