Jürgen W. Möllemann

»Es gibt keine politischen Lager mehr«

Einer wie Haider, nein, das wollte er nie sein. Einzig, wenn es um die Methoden des Wahlkampfes und die Öffentlichkeitsarbeit geht, akzeptiert Jürgen W. Möllemann den Vergleich mit dem österreichischen FPÖ-Chef. Nun, nachdem ihn die Düsseldorfer Sozialdemokraten vorläufig nicht als Koalitionspartner wollen, setzt der Politprofi auf den Volkswillen: Von der Nischenpartei zu einer Freidemokratischen Volkspartei will Möllemann seine FDP pushen.

Herr Möllemann, Sie kennen die Situation aus eigener Erfahrung: Man kämpft und kämpft, und am Schluss hat man doch ein paar Prozent weniger und muss sich obendrein noch vom Koalitionspartner öffentlich vorführen lassen. Haben Sie Mitleid mit den Grünen?

Nein. Und außerdem hat sich das Kämpfen ja gelohnt: 9,8 Prozent haben wir bei der Landtagswahl am 14. Mai in Nordrhein-Westfalen geschafft. Das ist weit mehr als eine Verdopplung im Vergleich zu 1995. Dass sich die Grünen von Wolfgang Clement jetzt so vorführen lassen, werden sie, glaube ich, bitter zu spüren bekommen. Sie verlieren damit auch noch das letzte Stückchen Profil. Das wird sich bei den kommenden Wahlen rächen.

Worin unterscheidet sich Ihre Partei noch von den Grünen - jetzt, nachdem Ihnen die Ökos, offenbar aus Verzweiflung, auch noch in Sachen Automobil Konkurrenz machen?

Wir unterscheiden uns nach wie vor fundamental. Während wir den Menschen die freie Entfaltung ermöglichen wollen, versuchen die Grünen unverändert, viele Lebensbereiche zu regulieren. Und das aus ideologischer Sicht heraus, unter dem Blickwinkel der Gleichmacherei. Das ist das Gedankengut der Alt-68er, über das die Grünen nicht mehr hinauskommen.

Wäre es für eine liberale Partei, die sich anschickt, den dritten Platz im parlamentarischen Spektrum einzunehmen, nicht an der Zeit, ökologische Aspekte aufzugreifen?

Die FDP hat als allererste Partei die Ökologie in die Politik eingebracht: 1971 mit den Freiburger Thesen. Menschen können sich doch nur frei entfalten, wenn sie eine intakte Umwelt haben. Das muss aber nicht heißen, dass ich deshalb alles und jedes bis in Kleinste reguliere, vorschreibe und verbiete. Die Bürger sind doch viel vernünftiger, als es die Grünen und auch viele Politiker aus den beiden Volksparteien glauben. Die brauchen keine Anweisungen für jeden Schritt, den sie im Leben tun.

Befürchten Sie, dass Ihnen die Grünen Ihren Platz als Koalitionspartner der Union streitig machen?

Es gibt in Deutschland keine politischen Lager mehr. Wer mit wem koaliert, richtet sich nach inhaltlichen Übereinstimmungen. Koalitionen sind keine Liebesheiraten, sondern zeitlich befristete Zweckverbindungen.

Vom Höhenflug in die Talsohle - das schlechte Erscheinungsbild aller anderen Parteien hat sicher einen Teil dazu beigetragen, dass die FDP in Nordrhein-Westfalen so stark wurde. Macht Ihnen das keine Angst? Die Zeiten, in denen Ihre Partei aus einem Parlament nach dem anderen herausflog, sind noch nicht so lange her.

Das ist richtig. Aber jetzt starten wir wieder durch. Ich bin sicher, dass wir mit der richtigen Strategie in den nächsten Jahren eine Freidemokratische Volkspartei werden können, mit dauerhaft zweistelligen Ergebnissen. Wir haben dazu in NRW das Projekt 18 - das steht für 18 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2002 - gestartet. Im Übrigen gewinnt man keine Wahl, nur weil die anderen ein schlechtes Erscheinungsbild haben. Man muss auch die richtigen Konzepte zur Lösung der drängendsten Probleme parat haben und diese glaubwürdig umsetzen wollen.

Dann stellt sich nach den von Ihnen prognostizierten Erfolgen der Freidemokraten nur noch die Frage: Wann werden die Grünen den Laden dicht machen?

Das ist deren Sache. Auf jeden Fall drängt sich der Eindruck auf, dass die Grünen eine Ein-Generationen-Partei sind, die zudem noch an ideologischen Überzeugungen hängen und nahezu ausschließlich danach handeln.

Zum »Projekt 18»: die FDP auf dem Weg zur Freidemokratischen Volkspartei, die auf einen Wähleranteil von 18 Prozent kommt. Das klingt ambitioniert. Nur: Wie wollen Sie das machen?

Die Parteienlandschaft verändert sich: In den Niederlanden, in Dänemark, in Belgien, in Portugal und in Italien sind die christdemokratischen Parteien in den vergangenen 20 Jahren erodiert, teilweise ganz weggebrochen. Eine entsprechende Entwicklung ist in Deutschland auch gegeben. Wir haben jetzt die Chance, mit vernünftigen Konzepten auf Dauer eine breite Wählerbasis zu gewinnen.

Wie wär's mit Bungee-Springen, nachdem die Sache mit dem Fallschirm so gut gelaufen ist?

Nein. Man sollte nur das machen, was einem auch wirklich Spaß macht. Fallschirmspringen ermöglicht es mir, die Dinge von oben zu betrachten - und damit immer wieder die nötige Distanz zu bekommen.

Haben Sie sich schon bei den Simpsons beworben? Da kommt kein Politiker dran vorbei, der auf Popularität setzt.

Wenn Sie mir noch sagen, wie ich mich in eine Zeichentrick-Figur verwandeln kann ... Übrigens hat man ohne Bekanntheit - also auch Popularität - keine Chance, seine Konzepte zu Gehör zu bringen. Und heute sind die Stilmittel, mit denen man seine Inhalte an die Wähler bringt, nun einmal nicht mehr die aus den fünfziger Jahren.

Spielen denn politische Inhalte im Wahlkampf eine Rolle?

Ja, natürlich. Wir hatten zwei Schwerpunktthemen im Landtagswahlkampf: Bildung und Verkehr. In beiden Feldern hatten die Menschen in NRW vor der Wahl den Eindruck, dass hier die größten Schieflagen bestehen. Und in beiden Feldern müssen wir schnell grundlegende Verbesserungen erreichen, um Arbeitsplätze zu erhalten, zu schaffen und das Land nicht noch weiter im nationalen und internationalen Vergleich zurückfallen zu lassen.

Also war es Ihr bildungspolitisches Konzept, was die nordrhein-westfälischen Wähler aus dem Bett und zu den Urnen getrieben hat, um der FDP ihre Stimmen zu geben?

Auch das, ja.

Immerhin halten Sie große Stücke auf Haiders Methoden, wenn es um Populismus im Wahlkampf geht. Kann man den Inhalt von der Form trennen?

Ich lege überhaupt keinen Wert auf Populismus im Wahlkampf. Wir müssen uns nur überlegen, wie wir in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden, die wichtigen Themen und die Lösungsansätze für die Probleme zu den Menschen transportieren können. Im Übrigen sind Haiders historische Vergleiche gefährlich und absoluter Unfug. Er hat die Methoden des Wahlkampfes und der Politikvermittlung, mit denen er arbeitet, außerdem nicht selbst erfunden. Das ist zu einem guten Teil von Amerika abgeguckt.

Unter welchen Umständen wären Sie bereit, ihren Schnäuzer abzurasieren?

Ich kürze ihn häufiger. Aber abrasieren möchte ich ihn eigentlich gar nicht.