Medizin und BioTech-Industrie

Karriere eines Klons

Bundesärztekammer und BioTech-Industrie wollen mit embryonalen Stammzellen arbeiten. Das Versprechen lautet: Künstliche Organe, neue Gewebe, gesunde Embryonen.

Die Biomedizin träumt von der Gegenwart der Science Fiction: Embryonen im Acht-Zell-Stadium wird eine Zelle entnommen. Auf Petrischalen und in Reagenzgläsern werden aus ihr Organe und Gewebe produziert. Könnte aus ihr - wie es in der SciFi-Literatur beschrieben wird - ein vollständiges Individuum B wachsen, das als Organreservoir für Individuum A dienen würde?

Mit der Verabschiedung des Embryonenschutzgesetzes vor zehn Jahren sollten den Begehrlichkeiten der biomedizinischen Forschung klare Grenzen gezogen werden. Die so genannte verbrauchende und fremdnützige Embryonenforschung wurde verboten. Inzwischen wird das Gesetz als unvollständig bezeichnet, da viele neue Verfahren wie die ungeschlechtliche Fortpflanzung bei der Klonierung oder die Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht ausdrücklich geregelt sind.

Vor allem von Seiten der Ärzte und der biomedizinischen Industrie geriet das Embryonenschutzgesetz immer stärker unter Druck. Dabei geht es hauptsächlich um drei Punkte: die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID), die Embryonenforschung und das Klonen.

Bei der PID wird einem in vitro erzeugten Embryo im Acht-Zell-Stadium eine Zelle entnommen und auf genetische und chromosomale Besonderheiten untersucht. Nur »genetisch einwandfreie« Embryonen werden in die Gebärmutter eingesetzt, die übrigen ausgesondert oder der Forschung zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen kollidiert mit dem Embryonenschutzgesetz, das es verbietet, einen Embryo »für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden«. Die Bundesärztekammer sprach sich dennoch Ende Februar für die Einführung der PID aus und forderte eine Veränderung des Embryonenschutzgesetzes. Um diese rechtlichen Unklarheiten zu regeln, soll das Embryonenschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode durch ein Fortpflanzungsmedizingesetz abgelöst werden.

Auf einem Ende Mai vom Bundesgesundheitsministerium veranstalteten Symposium wurden die unterschiedlichen Positionen in der aktuellen Debatte um Fortpflanzungsmedizin deutlich: Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, setzte sich für die Einführung der PID ein. Wie die pränatale Diagnostik solle sie ausschließlich bei einer »schweren genetischen Erkrankung« zum Einsatz kommen. Da darüber gestritten wird, was eine »schwere Erbkrankheit« ist, befürchten viele KritikerInnen eine allmähliche Ausweitung der PID. Schließlich lasse sie sich potenziell auch zur Auswahl von Augen- und Haarfarbe sowie zur Geschlechtsbestimmung verwenden.

Die Münsteraner Humangenetikerin Irmgard Nippert zeigte anhand der Entwicklung der pränatalen Diagnostik, wie die allmähliche Ausweitung medizinischer Maßnahmen funktioniert: »Die pränatale Diagnostik sollte bei ihrer Einführung 1970 nur Frauen mit schweren chromosomalen Störungen vorbehalten bleiben.« Heute werde die Pränataldiagnostik allen Schwangeren angeboten.

Vertreter der Behindertenbewegung kritisierten, dass mit der PID die Unterscheidung von lebenswertem und lebensunwertem Leben in Deutschland wieder auftauche: »Das Lebensrecht von Behinderten« werde in solchen Diskursen »zunehmend in Frage gestellt«, sagte ein Vertreter der Initiative Selbstbestimmt Leben. Die Grenze zwischen medizinischer Prävention von Krankheiten und eugenischer Selektion könne nicht gezogen werden.

Das Bestreben, die PID einzuführen, hängt eng mit der Embryonenforschung und der Transplantationsindustrie zusammen: »Die PID ist der Türöffner für die Embryonenforschung«, sagte Regine Kollek, Vorsitzende des Ethik-Beirats beim Bundesgesundheitsministerium. Die biomedizinische Industrie möchte aus voll entwicklungsfähigen embryonalen Stammzellen, die zum Beispiel nach einer negativen PID zur Verfügung ständen, transplantierbare Organe und Gewebe züchten. Die hierfür notwendige Forschung würde menschliche Embryonen als Material »verbrauchen«. Laut Embryonenschutzgesetz ist es aber untersagt, »eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt«. Da auch aus embryonalen Stammzellen gezüchtete Organe nach einer Transplantation abgestoßen werden können, möchten viele Forscher einen Schritt weiter gehen und Organe klonen. Dazu soll dem Patienten eine Körperzelle entnommen und ihr Kern in eine entkernte Eizelle transferiert werden. Das bezeichnete Henning Beier vom Aachener Institut für Anatomie und Reproduktionsmedizin als »therapeutisches Klonen« - eine »Vision, die wir als Wissenschaftler propagieren müssen«.

An diesem Beispiel lässt sich die Lückenhaftigkeit des Embryonenschutzgesetzes besonders gut verdeutlichen. Es verbietet, »dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht«. Ein Embryo wird hier als befruchtete Eizelle definiert, während Klone Produkte ungeschlechtlicher Fortpflanzung in entkernten Eizellen sind. Weil die Möglichkeit einer sauberen Entkernung umstritten ist, wird wahrscheinlich kein Klon eine genaue Kopie der ursprünglichen Körperzellen-DNA darstellen. Außer durch Verunreinigung mit DNA-Resten der Eizelle kann auch deshalb ein Wesen mit nicht-identischer Erbinformation entstehen, weil der Klon genetisch manipuliert wurde.

Diese Schlupflöcher müssten in einem neuen Fortpflanzungsmedizingesetz geschlossen werden. Viele der auf dem Symposium anwesenden Ärzte betonten jedoch permanent ihre »hochrangigen therapeutischen Ziele«. Demgegenüber wies die Politologin Ingrid Schneider aus Hamburg auf die Interessen der Embryonenforschung hin: Wettlauf um Patente, Profite der BioTech-Industrie und persönliche Karriereträume.

Während die politische Diskussion gerade erst beginnt, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereits ein neues Schwerpunktprogramm »Embryonale Stammzellen« beschlossen. Es soll nächstes Jahr starten und sieht vor, »grundlegende Fragen der Biologie von Stammzellen« zu untersuchen, um deren Potenzial »für einen therapeutischen Einsatz in der Medizin nutzen zu können«.