Suspendierung des thüringischen VS-Chefs

»Roewer ist kein Einzelfall«

Interview mit Wolfgang Nossen

Nachdem die Zusammenarbeit des thüringischen Verfassungsschutzes mit dem Neonazi Thomas Dienel bekannt geworden ist, ist Helmut Roewer als VS-Chef suspendiert worden. Vorläufig, wie es aus dem Innenministerium heißt. Ist das für Sie nur ein erster Schritt, und müsste mehr folgen?

Es ist ein erster Schritt, ein Schrittchen, das Mindeste, was Innenminister Christian Köckert tun musste. Es gab im Vorfeld ja schon Äußerungen von Herrn Roewer, die man nicht von ihm erwartet hätte: Wenn er zum Beispiel die positiven Seiten im Dritten Reich betont hat, dann stand er auf einer Stufe mit Jörg Haider.

Nach dem Tod des früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, hat Dienel die Hälften eines Schweinekopfes auf den Hof der Erfurter Synagoge geworfen.

Ich habe Dienel damals vor der Synagoge fotografiert. Vor Gericht hat er darauf bestanden, selbst eine Hälfte dieses Schweinekopfes über den Zaun geworfen zu haben.

Der Verfassungsschutz hat ihn trotzdem angeworben und sich so einen bekannten Neonazi ins Haus geholt. Ein Zufall?

Neonazi haben Sie gesagt, ich würde einfach nur Nazi sagen. Klar ist, wenn ich Informationen aus einem bestimmten Kreis haben möchte, dann muss ich jemanden aus diesem Kreis umdrehen, muss mich für ihn verwenden und wohl auch ein bisschen was bezahlen, um von dort Informationen zu bekommen.

Und da muss man sich einen bekennenden Antisemiten auswählen?

Sicher nicht. Es war ja bekannt, dass Herr Dienel ein ganz überzeugter Nazi ist, da hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Man hätte sicher einen weniger Standhaften auswählen können, der hätte dann wohl auch nicht mit Staatsgeldern diese Hetzschriften gegen das Judentum finanziert.

Was erwarten Sie nun von der Landesregierung, um diese Verflechtung von staatlichen Organen mit der extremen Rechten aufzuklären?

Man muss diesen ganzen Verfassungsschutz nun gründlich durchleuchten. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass Herr Roewer in der Behörde ein Einzelfall ist.

Haben Sie schon mit der Landesregierung darüber gesprochen?

Wenn Innenminister Köckert mich ansprechen würde, würde ich ihm das Gleiche sagen wie Ihnen. Für die Einstellung von Herrn Roewer ist er nicht verantwortlich, das war vor seiner Zeit.

Verantwortlich ist er aber als Dienstherr der Polizei für die schlampigen Ermittlungen nach dem versuchten Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge am 20. April. Erst eine Woche nach dem Anschlag wurde auf dem Dach ein zweiter Brandsatz, der nicht gezündet hatte, gefunden. In der Zwischenzeit war eifrig gegen Linke ermittelt worden, obwohl ein Bekennerschreiben der extremen Rechten vorlag.

Auch mir war anfangs unklar, was es mit diesem Bekennerschreiben der so genannten Scheitelträger auf sich hatte. Von der Polizei ist dann vermutet worden, dass die extreme Linke den Nazis etwas in die Schuhe schieben will. Da habe ich auch nachdenken müssen. Aber ich habe keine Sekunde an eine Urheberschaft von Linken geglaubt. Ich wüsste nicht, was die gegen die jüdische Gemeinde haben. Wenn es sich um die israelische Botschaft gehandelt hätte, ein Symbol Israels, hätte da noch was dran sein können.

Wolfgang Nossen ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen