Bewaffneter Kampf in Spanien

Kontrollierter Bomben

Eine Serie von Anschlägen hat das Interesse der spanischen Sicherheitsbehörden von der Eta auf die Grapo gelenkt.

Ein Jahrestag schuf den Anlass für die ungewöhnliche Pressekonferenz imnordspanischen Zaragoza. Fünf Jahre nach der Entführung des Unternehmers Publio Cord-n durch die Antifaschistischen Gruppen des Ersten Oktober (Grapo) lud die Tochter des Entführten, Mar'a Cord-n, in der vergangenen Woche die Presse zu sich. Kurz vor der Entführung ihres Vaters, berichtete sie, habe die Nationalpolizei einen Agenten in die Grapo eingeschleust. Von diesem Mann habe die Familie erfahren, dass Cord-n nach der Zahlung des Lösegeldes von fünf Millionen Euro im November 1995 in Barcelona freigelassen worden sei.

Cord-n ist aber bis heute verschwunden, der spanische Staat weiß von nichts. »Offiziell hat es nie eine Infiltration gegeben«, habe ein Sprecher des Innenministeriums der Familie zugesichert. Der Schwager des Entführten, Jesœs Muro, empörte sich auf der Pressekonferenz: »Was muss passieren, damit die Regierung und die Polizei bemerken, dass es zwei terroristische Banden gibt, die Eta und die Grapo, und dass die zweite, obwohl politisch ungefährlicher, aus Sicht der Bürger gefährlicher ist?«

Ihre politischen Forderungen hatte die Grapo zuletzt im Sommer 1996 festgelegt: Das Ende der Isolationshaft für 70 Gefangene aus der Grapo und der ihr nahestehenden PCE(r), die Abschaffung der Ausnahmegesetze und der Gerichte zur Aufstandsbekämpfung sowie die Aufklärung des Staatsterrorismus. Daneben geht es der Grapo aber auch um soziale Forderungen: bezahlbaren Wohnungsbau in großem Umfang und die Abschaffung von befristeten Arbeitsverträgen.

Auch wenn die Eta für die spanischen Repressionsapparate zweifelsohne die größere Herausforderung ist - die Familie Cord-n findet jetzt wieder mehr Gehör mit ihren Beschwerden als vor einem Jahr. Denn die Grapo hat sich mit einem Überfall und einer mehrtägigen Bombenkampagne in der Öffentlichkeit zurückgemeldet.

So scheiterte am 8. Mai dieses Jahres im galizischen Vigo zunächst ein geplanter Überfall auf einen Geldtransporter. Die Polizei meinte sofort, die Handschrift der Grapo zu erkennen: Nur montags führe der Geldtransporter auf dieser Route viel Bargeld mit sich - fünf Millionen Euro -, und nur durch eine präzise Dosierung des Sprengstoffes konnte der Wagen lahmgelegt werden, ohne dass Unbeteiligte verletzt wurden. Das Begleitpersonal verteidigte den Transporter sofort mit Schusswaffen, zwei Wachmänner starben, ein Grapo-Mitglied und ein Passant wurden verletzt.

Vier Wochen später veröffentlichte das Zentralkommando der Grapo das erste Mal seit Jahren ein Bekennerschreiben: »Das Ziel der militärischen Aktion konnte wegen eines Fehlers in der Kalkulation nicht erreicht werden.« Die Grapo bekannte sich in dem Schreiben auch zu dem gescheiterten Überfall auf einen Geldtransporter in Madrid im Dezember 1999 sowie zu Anschlägen auf das Nationale Statistik-Amt und Wahlbüros der Regierungspartei PP und der sozialdemokratischen PSOE. Die Erklärung der Grapo schloss mit der Ankündigung, den Kampf fortzusetzen. Daneben ein fünfzackiger Stern und ein Gewehr der Marke Star aus spanischer Produktion.

Am 7. Juni folgte dann eine Bombenkampagne in landesweit vier Städten. Zuerst wurde eine Bombe an der Justizbehörde von Valencia entdeckt und entschärft. In der Nacht darauf flogen in Barcelona zwei Büros der Zeitarbeitsfirma Adecco in die Luft, der Firma also, die bei der Expo in Hannover bereits zahlreiche Leiharbeiter entlassen hat.

Bei einer anderen Zeitarbeitsfirma entdeckten Polizisten eine Bombe, die aber nicht detonierte. Um 7 Uhr morgens meldete sich ein anonymer Anrufer bei der Feuerwehr von Barcelona und teilte mit, eine vierte Bombe bei der Zeitarbeitsfirma Iman-Labor sei nicht explodiert. Es handele sich um eine Aktion der Grapo. Wenige Stunden später erklärte Juan Manuel Tapia von der Gewerkschaft CCOO, »diese Aktion« sei »den Interessen der Arbeiter in den Zeitarbeitsfirmen und der Lohnarbeitenden überhaupt radikal entgegengesetzt«.

Am 9. Juni wurde in einem Rucksack, der vor einem Justizgebäude in Miranda de Ebro abgestellt war, eine weitere Bombe entdeckt und kontrolliert gesprengt. Tags darauf explodierten Sprengsätze in zwei Zeitarbeitsfirmen in Madrid - wieder mitten in der Nacht, als niemand in den Büros war, und wieder gab es zwar Sachschaden, aber keine Verletzten. In der gleichen Nacht machte ein anonymer Anrufer, diesmal bei der Polizei, auf eine nicht explodierte Bombe in einem dritten Büro aufmerksam.

Nach dieser Anschlagserie begannen in Spaniens Medien Diskussionen und Spekulationen über »Ein Gespenst namens Grapo«, wie El Mundo schrieb. Verschwörungstheoretisch orakelte die Zeitung, es sei merkwürdig, dass die Polizei die Aktionen der Grapo nicht verhindern könne. In einem Editorial argumentierte El Mundo anders: Die Juni-Kampagne der Grapo zeige, dass die Gruppe in denselben Regionen Spaniens aktiv werden wolle wie früher und dass sich auch ihre Angriffsziele nicht geändert hätten - Symbole des Staates und des Kapitalismus. Im Gegensatz zur Eta habe die Grapo aber fast kein soziales Umfeld, so dass ihre Bekämpfung eine rein polizeiliche Aufgabe sei.

Damit ruft El Mundo wie andere Zeitungen nach einer stärkeren Kriminalisierung des kleinen Umfeldes der Grapo. Als vor einem Jahr Fernando Hierro, ein Grapo-Aktivist der siebziger Jahre, nach 20 Jahren aus der Haft entlassen wurde, feierten 200 GenossInnen mit ihm. Hierro erklärte, es sei nötig, »ein weiteres Mal in die Berge zu gehen«. El Mundo wertete diese Aussage als Startsignal zur Vorbereitung der diesjährigen Grapo-Kampagne.