Kohl im Untersuchungsausschuss

Wer das Geld hat, hat die Macht

Helmut Kohl beherrschte die Grundregeln der freien Marktwirtschaft einfach besser als die abgehalfterten Ex-68er der rot-grünen Regierung. Freies Geleit für den Altkanzler

Sechzehn Jahre hat Helmut Kohl erst die BRD und später dann Gesamtdeutschland regiert - »16 gute und erfolgreiche Jahre für Deutschland« (Kohl). Und das alles soll jetzt in den Dreck gezogen werden. Seit Monaten hat sich die rot-grüne Regierung im Verbund mit linksliberalen Medien auf den Altkanzler eingeschossen.

Den Höhepunkt der Kampagne bildete in der vergangenen Woche Kohls Vorladung vor den Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die Spendenaffäre der CDU beleuchten soll. Doch so sehr sich die rot-grünen Obmänner im Ausschuss auch mühten - das Denkmal Kohl brachten sie nicht zum Wanken. Da half es ihnen auch nicht, dass sie die Befragung nach wenigen Stunden in einem Eklat eskalieren ließen - wegen einer Lappalie: Weil sich Kohl regelmäßig vor Ausschusssitzungen mit den CDU-Mitgliedern des Gremiums getroffen haben soll, wollen SPD und Grüne jetzt rechtliche Schritte einleiten. Der grüne Fraktionschef Rezzo Schlauch warf dem Alt-Kanzler gar »unparlamentarisches Verhalten« vor.

Dabei gehört das Klüngeln und Strippenziehen doch geradezu zur parlamentarischen Grundausbildung - als ob ausgerechnet Schlauch davon keine Ahnung hätte. Andreas Schmidt, Obmann der CDU im Ausschuss, befand denn auch, dass es sich um einen »ganz normalen Vorgang« gehandelt habe. Und davon einmal abgesehen, erscheint schon der Untersuchungsauftrag des Bundestagsausschusses samt der Vorladung Kohls mehr als fraglich. »In einem Akt beispielloser Diffamierung wird versucht, durch Falschmeldungen, Unterstellungen und Verdrehungen mich zu kriminalisieren«, findet nicht nur Helmut Kohl. Denn was hat man dem Kanzler der Einheit denn schon groß vorzuwerfen?

Er habe schwarze Kassen unterhalten, wird er beschuldigt. Ja und? Helmut Kohl hat immer betont, dass er sich als Enkel Konrad Adenauers fühle. Und schon der ließ sich durch großzügige Spenden der Industrie seine unternehmerfreundliche Politik und die Rehabilitation von Nazi-Verbrechern vergelten. Ein Teil des Geldes, das das Großkapital Adenauer und seiner CDU über diverse Geldwaschanlagen wie die Staatsbürgerliche Vereinigung zukommen ließ, wurde in einem Tresor im Kanzleramt gehortet - selbstverständlich in bar. Den Schlüssel für den Safe besaß der damalige Kanzleramtschef Hans Globke - jener Globke, der einst den Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetzen verfasst hatte. Auf Anweisung Adenauers öffnete Globke so manches Mal seinen Tresor und übergab an verdiente Personen oder Parteigruppierungen eine kleine oder auch größere Spende. Wurde Adenauer deswegen etwa aus den Geschichtsbüchern gestrichen, wurde sein großartiges politisches Wirken deshalb verunglimpft? Nein!

Helmut Kohl aber hat gut aufgepasst. Und weil er ein geschichtsbewusster Mensch ist, hat er Adenauers Tradition fortgesetzt. Er ließ weiterhin Geld des Großkapitals einsammeln, um wohlgesonnene Parteifreunde mit Zahlungen aus seinen schwarzen Kassen bei Laune zu halten. Und weil er ein Mann mit Prinzipien ist, ließ er sich auch von der Flick-Affäre nicht davon abhalten.

Seine Politik sei käuflich gewesen, wirft man Helmut Kohl vor. Als ob nicht ohnehin klar wäre, dass im Kapitalismus die Industrie die Richtung der Politik vorgibt. Helmut Kohl ließ sich und seine CDU wenigstens dafür bezahlen, dass er Eisenbahner-Wohnungen statt an asiatische Firmen an einen gutdeutschen Unternehmer wie den Hamburger Karl Ehlerding verhökerte oder dass er die Lieferung von 36 Fuchs-Spürpanzern des Thyssen-Konzerns nach Saudi-Arabien genehmigte. Wenn nun Gerhard Schröder für VW bei der EU interveniert, um teure Altautoverordnungen zu verhindern, macht er das (vermutlich) umsonst - sieht man mal von diversen Hubschrauberflügen zum Wiener Opernball ab.

Gleiches gilt für Außenminister Joseph Fischer, wenn er sich in den USA dafür einsetzt, dass dort Schadensersatzklagen von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern gegen ihre einstigen deutschen Herren niedergeschlagen werden - alles gratis. Und wenn Jürgen Trittin eine Vereinbarung zum Weiterbetrieb von Atomanlagen als Atomausstieg verkauft, dann ist seine einzige Belohnung dafür, dass er sein Ministersalär noch zwei Jahre länger beziehen darf. Mit solchen Kinkerlitzchen hätte sich Kohl nicht abspeisen lassen. Er beherrscht die Grundregeln der freien Marktwirtschaft eben besser als die abgehalfterten Ex-68er in der Regierung. Und eine davon lautet: Was nix kostet, ist auch nix wert.

Und überhaupt: Bei dem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien ging es schließlich darum, einen guten Verbündeten gegen seinen bösen Nachbarn zu stärken, nämlich gegen den Irak - einer von jenen Schurkenstaaten, denen die neue Bundesregierung Panzer liefert, die sie - wie im Jugoslawien-Krieg - sogar selbst rollen lässt.

Ach ja, dann gibt es noch diese leidige Leuna-Geschichte. Aber was soll daran verwerflich sein? Ja, die CDU/FDP-Regierung hat das ostdeutsche Chemiedreieck samt der Minol-Tankstellenkette an den französischen Elf-Aquitaine-Konzern verscheuert. 13 Millionen Mark Schmiergelder sollen allein die Christdemokraten dafür erhalten haben. Tant pis. Immerhin sorgte Kohl dafür, dass nicht nur Daimler-Benz und Deutsche Bank sich den Osten unter den Nagel rissen, sondern dass dabei auch die Franzosen ein Stückchen abbekamen. So deutschnational, wie sich die heutige rotgrüne Regierung gebärdet - man denke nur an den Sprachenstreit in der EU oder Deutschlands großkotziges Auftreten in Sachen IWF-Vorsitz -, kann man nur froh sein, dass damals Kohl in Besitz von Geld, Macht und Recht war und nicht »Schröderfischer« (Titanic).

Und jetzt will man dem Ehren-Europäer auch noch wegen »Urkundenunterdrückung« ans Bein pinkeln. Nur weil im Kanzleramt nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 ein paar Dateien gelöscht wurden - drei Gigabyte genauer gesagt. Das entspricht, so hat es die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet, gerade mal 1,2 Millionen Blatt Papier. Darüber hinaus sind laut Sonderermittler Burkhard Hirsch (FDP) zahlreiche Akten des Kanzleramtes unvollständig oder gar nicht mehr vorhanden. So etwa die Akten über die bereits erwähnten Panzerlieferungen an Saudi-Arabien, den Eisenbahnerwohnungsverkauf und den Leuna-Deal sowie über die Privatisierung zahlreicher DDR-Unternehmen wie der Staats-Airline Interflug, der Rostocker Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei, der Motorradwerke in Zschopau oder der Mitteldeutschen Kalibergwerke. Auch die Korrespondenz mit dem im kanadischen Exil lebenden Waffenhändler Karlheinz Schreiber über eine geplante Thyssen-Panzerfabrik in Kanada ist nur noch unvollständig vorhanden.

Aber mal ehrlich: Das kann doch passieren - Sie sollten mal meinen Schreibtisch sehen, was da schon alles verschwunden ist. Außerdem: Würden nicht auch Sie ihren Computer gründlich aufräumen, wenn Sie wüssten, dass demnächst Gerhard Schröder daran rumhantieren würde? Und drittens: Wer weiß denn heute schon, was nach der Abwahl der rotgrünen Regierung 2002 alles in den Aktenschreddern und in den Computer-Papierkörben des Kanzleramtes verschwindet?

Bis dahin jedenfalls sollten wir alle Helmut Kohl unseren aufrichtigen Dank zollen. Nicht nur für 16 gute und erfolgreiche Jahre für Deutschland. Auch dafür, dass er uns gezeigt hat, wie man die alte linke Weisheit mit Leben erfüllt, wonach der Revolutionär die Gesetze eines Staates nur als Straßenverkehrsordnung betrachten soll.

Besonders im ganz konkreten Umgang mit dem Gesetz und seinen Hütern lohnt es sich, auch in Zukunft die weisen Worte des großen Ex-Vorsitzenden im Gedächtnis zu behalten. Sollte Sie zum Beispiel demnächst ein Fahrkartenkontrolleur beim Schwarzfahren erwischen, schleudern Sie ihm einfach folgendes Originalzitat Helmut Kohls entgegen - am besten auf Pfälzisch: »Ich werde keine Namen nennen. Ich habe mein Ehrenwort gegeben und dazu stehe ich.« Und wenn Sie am kommenden Wochenende auf der Love Parade von einem Polizisten mit ein paar bunten Pillen erwischt werden sollten, beschwichtigen Sie ihn einfach mit den Worten: »Ich habe einen Fehler gemacht, das bedauere ich. Ich hatte einen ziemlichen Durchhänger, aber jetzt bin ich aus der Sache raus.«