Französische Globalisierungsgegner

Kritische Bovisten

Ein linker Bauerngewerkschafter mag keine bouffe rapide und wird deshalb zum super-étoile.

Zur Zeit ist José Bové zweifellos der beliebteste Mensch in Frankreich. Kaum eine Zeitschrift oder Zeitung, auf deren Titelseite man in diesen Wochen nicht seinen Schnauzbart sieht, und fast immer sind die Kommentare positiv. Der Auftritt Bovés und seiner Mitangeklagten in Millau war ein Triumph. Manche schlagen ihn ernsthaft als Kandidaten der Linken für die nächsten Präsidentschaftswahlen vor. Seine Bauerngewerkschaft muss täglich Städter ablehnen, die Mitglied werden wollen.

Solch eine Begeisterung für die von Bové repräsentierten Themen wäre noch vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen. Die 1987 gegründete Confédération paysanne (Bauernvereinigung) wäre in anderen europäischen Ländern undenkbar: eine linke Bauerngewerkschaft. Sie kämpfte von Anfang an gegen die von der Regierung und der EU forcierte Reduzierung der Landwirtschaft auf eine kleine Anzahl ausgedehnter, industriemäßig betriebener Höfe, verteidigte das Kleinbauerntum und trat für eine Höchstgrenze der staatlichen Förderung pro Hof ein. Die in ihr organisierten Bauern verlangen das, was in anderen Ländern nur die so genannten Verbraucher fordern: eine gesunde Agrarproduktion nach Qualitäts- statt Profitmaßstäben, die umweltverträglich ist und solidarisch mit dem Süden der Welt. Die Confédération brach das Monopol des korporatistischen und klientelistischen Bauernverbandes FNSEA, den sie beschuldigt, Erfüllungsgehilfe der Regierungen bei der Vernichtung der Bauernklasse in den letzten Jahrzehnten gewesen zu sein.

Hinzu kam, dass ein radikaler Flügel - zu dem auch Bové zählte - ab 1998 zur direkten Aktion überging und mehrfach Forschungseinrichtungen zur Gentechnologie oder mit genmanipulierten Pflanzen bebaute Felder zerstörte und die folgenden Prozesse zur Propaganda seiner Positionen benutzte, obwohl die Spitzen der mittlerweile in den Ministerien zugelassenen Confédération nicht sehr begeistert davon waren. Das alles änderte sich, als nach dem symbolischen Abbau der McDonald's-Filiale in Millau eine Richterin die Urheber partout verhaften lassen wollte und Bové so schlau war, die Kaution nicht zu zahlen. Er blieb drei Wochen im Gefängnis und wurde zum Märtyrer.

Nun, nach einem Jahr, steht der Subversive sogar als Nationalheld da und als neuer Asterix. Aber der Durchbruch in die große Öffentlichkeit ist teuer bezahlt. Einerseits mit einer, dazu noch rein auf die Person Bovés bezogenen, Mediatisierung: Bové lehnt kein Interview ab und keine noch so blöde Talkshow. Sein Buch »Die Welt ist keine Ware« ist in jedem Supermarkt erhältlich, und er gab im Fernsehen sein Menü fürs Neujahrsessen bekannt. Er verschmäht keine Art von Gesellschaft: Er unterhielt sich mit Präsident Chirac und speiste mit Ministerpräsident Jospin, traf sich mit der Witwe Mitterrands und trat bei der stalinistischen Gewerkschaft auf.

Die Aktionen gegen die Genmanipulation trafen noch auf einen realen gesellschaftlichen Konflikt, weil sie die Rolle von Wissenschaft und Technik in Frage stellten. Die Massen- und Medienzustimmung hingegen kam nach der »McDo-Affaire»: Gegen den »Drecksfraß« ist natürlich jeder, und darauf wurde der Inhalt immer mehr eingeengt. Auch ist es in Frankreich nicht schwer, im Namen des Roquefort gegen die amerikanische Kolonialisierung Stimmung zu machen. In der Tat kam auch bald der Beifall der Verteidiger der nationalen Souveränität und der »kulturellen Ausnahme«, in deren Schlachtruf »Die Kultur ist keine Ware« bereits das Zugeständnis enthalten ist, dass der Rest ruhig eine solche sein kann.

Zwar wahrt Bové einen gesunden Abstand von solchen falschen Freunden, gleichwohl lässt er sich von den Resten aller linken Parteien und Splittergruppen (und deren Anhänger, und nicht etwa Bauern, machten das Gros der Demonstranten in Millau aus) instrumentalisieren zu ihrem Versuch, sich einer relevanten sozialen Bewegung anzuhängen. Nicht mehr der Kapitalismus als solcher, sondern Globalisierung und Ultraliberalismus sind jetzt der Feind, und dann ist es nicht schwer, ebenso breite wie verworrene Fronten zu schaffen.

Aber nicht alle sind mit diesem Ausverkauf einverstanden. René Riesel, einst Mitglied der Situationistischen Internationale und einer der Anführer der Besetzung der Sorbonne 1968, wurde später, wie auch manch anderes aus der Stadt kommendes Mitglied der Confédération, Schafzüchter in Südfrankreich. Er war einer der Wortführer der Confédération, bis er wegen deren zunehmender Institutionalisierung zurücktrat, und nahm zusammen mit Bové an den Zerstörungen von genmanipuliertem Mais teil. Für ihn waren das keine symbolischen Aktionen, sondern echte Sabotageakte in der Tradition der Luddisten. In seiner gerade veröffentlichten »Erklärung über die transgenetische Landwirtschaft und diejenigen, die vorgeben, sich ihr zu widersetzen« sieht er in den »Bürgern-Umweltschützern-Verbrauchern« mit ihren Schlagworten der Transparenz, der Kontrolle, der Sicherheit und der Bürgerbeteiligung, auf die sich nunmehr auch Bové beschränkt, besonders raffinierte Verteidiger des herrschenden Systems. Sie wollen nicht die Ökonomie aufheben, sondern nur eine »Ökonomie mit menschlichem Gesicht« schaffen. Die von der Confédération betriebene Kritik des Produktivismus hatte laut Riesel zu einer Kritik der Technik und der »Entwicklung« führen sollen, aber dann hatte man einsehen müssen, dass die Probleme der Landwirtschaft nur durch ein Ende des Verkünstlichungsprozesses lösbar sind - dazu jedoch wäre etwas ganz anderes als eine »Bürgerkontrolle« nötig.

Riesel will allerdings nicht in die Vergangenheit zurückkehren, und erst recht nicht zu deren schlechtesten Aspekten, wie der Kontrolle aller durch alle, sondern die von der industriellen Warengesellschaft zerstörte »Gesamtheit all der Entwicklungs- und Aufhebungsmöglichkeiten« wiederfinden, welche die vormoderne Bauerngesellschaft enthielt und im Süden der Welt zum Teil noch enthält. Die libertären Bauernkollektive in Spanien 1936 bis 1938 sind ein Beispiel für dieses Potenzial. Aber dazu kommt man sicher nicht, wenn man, wie Bové heute, den »Staat an seine Pflichten erinnern« will und keynesianische und etatistische Nostalgien hegt, wie sie in Le Monde diplomatique oder der Attac-Vereinigung zu Hause sind.

Ohne dass man von einer wirklichen Strömung sprechen könnte, wird Riesels Kritik doch von anderen geteilt, so von der internationalen Landkommune Longo Mai in der Provence. Aber den interessantesten Beitrag lieferte die Encyclopédie des Nuisances (in etwa: Enzyklopädie der Schädlichkeiten), eine ursprünglich von den Situationisten angeregte Gruppe, die sich seit längerem einer radikalen Kritik des so genannten Fortschritts widmet und auch Riesels Büchlein herausgebracht hat.

In einem letztes Jahr veröffentlichten Pamphlet kritisieren sie diejenigen, für die in der französischen Landwirtschaft alles zum Besten bestellt war, bevor man dort genmanipulierten Mais pflanzte. »Aber in welchem Namen kann man sich dem Projekt widersetzen, industriell die Natur der Natur zu verändern, wenn man nichts gegen die Agro-Industrie zu sagen hatte, die, indem sie Pflanzen und Tiere wie Maschinen behandelte, bereits an sich ein ganzes Programm war?« Es handele sich dabei keineswegs um eine Fortsetzung der früheren »Humanisierung der Natur«, sondern um deren totale Verneinung.

Dieser brillante Text hält sich nicht mit wissenschaftlichen Details auf (obwohl er viele haarsträubende Einzelheiten zu erzählen weiß), noch will er zwischen »guten« und »schlechten« Anwendungen der Biotechnologien unterscheiden oder sich auf ebenso vage wie ohnmächtige ethische Grundsätze berufen. Er will stattdessen ein gesellschaftliches Urteil über die Biotechnologien abgeben und fragt sich, wie eine solche Verirrung wie die Genmanipulation und eine öffentliche Meinung, die sie akzeptiert, überhaupt haben entstehen können. Es genüge, die völlige Verantwortungslosigkeit zu betrachten, mit der die Genetiker vorgehen, ihre komplette Abhängigkeit von den Profiterwartungen ihrer Arbeitgeber und die Ausgrenzung, die sie skeptischen Kollegen angetan haben, damit es berechtigt ist, diese Techniken a priori abzulehnen, statt Jahre abzuwarten, um ihre Wirkungen feststellen zu können. Denn wir alle seien die Versuchskaninchen bei diesen Experimenten, und die ganze Welt sei nun ein Laboratorium, in dem, wie im Falle der Atomenergie, jede neue Erfindung sofort in Lebensgröße und mit unwiderruflichen Folgen ausprobiert wird. Fast alle Aspekte der Reproduktion und Erhaltung des Lebens würden von einigen Konzernen monopolisiert, welche die Menschheit endgültig vom Zugang zu ihren Ressourcen abschneiden, um ihr dann Ersatzstoffe zu verkaufen. Auch unser bloßes Überleben werde von patentierter Technologie abhängen, wie im Fall der autosterilen Samen, die die Bauern jedes Jahr neu kaufen müssen.

Mit der künstlichen Befruchtung wolle man den Menschen sogar der Fähigkeit berauben, sich ohne das Zutun der Wissenschaft fortzupflanzen. Auch in der Gentechnologie gelte also das Grundprinzip des Kapitalismus: die Menschen vom selbstbestimmten Zugang zu ihren Ressourcen abzuschneiden. Deswegen bleibe jede Kritik an den Biotechnologien ohnmächtig, die nicht an deren Wurzeln geht, nämlich an die »ökonomische Vernunft«.

Aber, so muss man hinzufügen, das ist sicher nicht das Problem der medialen Betreiber der gegenwärtigen Bové-Bewegung.