Banken-Skandal in Tschechien

Zu groß, um zu fallen

Was ist ein Bankraub im Vergleich zur Gründung einer Bank? Manchmal haben sogar konservative Politiker eine Antwort auf diese Frage. Zum Beispiel Vaclav Klaus. Der tschechische Oppositionspolitiker hatte Ende Juni den Verkauf der Investitions- und Postbank IPB durch die Regierung als einen kriminellen Akt bezeichnet.

Der Vorgang gleiche einem lang vorbereiteten Bankraub, der noch dazu am hellichten Tag und mit Unterstützung des Staates erfolgt sei, ereiferte sich der Vorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Auch die Verantwortlichen konnte er sogleich benennen: Das ganze Land sei von einem durch »alte (kommunistische) Seilschaften beherrschten Mafia-Kapitalismus« durchdrungen, sagte Klaus.

Anlass der harten Worte ist die größte Bankenpleite in Tschechien seit 1990. Die IPB ist nach der Bilanzsumme das drittgrößte Geldhaus des Landes, nach Anzahl der drei Millionen Kunden sogar das größte; es verwaltet rund ein Fünftel des nationalen Spar-Aufkommens.

In Schwierigkeiten geriet die Bank, weil sie zu viele Kredite vergeben hatte, ohne für entsprechende Rückstellungen zu sorgen. Zuletzt war sie nicht einmal mehr in der Lage, eine Bilanz für 1999 vorzulegen. Seit vergangenem Monat wird die IPB daher zwangsweise von der tschechischen Zentralbank verwaltet.

Das Debakel der IPB ist allerdings keine Erblast des Realsozialismus, wie Klaus suggeriert; es ist auch nicht die Folge einer überstürzten Privatisierung. In den osteuropäischen Transformationsländern werden bei ökonomischen Krisen solche »historischen Umstände« gerne als Erklärung angeführt.

Auf IPB treffen diese Erklärungen nicht mehr zu. Bereits 1997 beschloss die Regierung, ihre Einlagen an »strategische Partner« im Ausland zu verkaufen. So ging der staatliche Anteil von 40 Prozent der IPB-Aktien an das japanische Bankhaus Nomura-Securities. Der Deal galt als Beispiel für die erfolgreiche Liberalisierung des staatlich dominierten Finanzsektors.

Davon ist heute keine Rede mehr. Im Gegenteil: Nomura verlangte sogar staatliche Unterstützung - wohl wissend, dass sich die sozialdemokratische Minderheitsregierung einen Zusammenbruch gar nicht erlauben könnte. Nach Schätzungen ist die IPB mit mindestens einem Drittel, möglicherweise sogar mit der Hälfte der tschechischen Wirtschaft eng verflochten. Sie ist zu groß, um zu fallen.

Finanzminister Pavel Mertlik wies zwar die Forderungen nach Finanzhilfen brüsk zurück; der Staat sei schließlich nicht für die Fehler privater Unternehmer verantwortlich. Doch um den drohenden Konkurs abzuwenden, organisierte die Regierung wenig später einen Blitzverkauf: Die IPB wurde von der Handelsbank (CSOB) übernommen, die wiederum zur belgischen KBC-Gruppe gehört. Die Regierung musste sich zuvor verpflichten, die Verluste zu begleichen: vermutlich mehr als 100 Milliarden Kronen (2,7 Milliarden Euro).

Für das japanische Geldhaus hat sich das Engagement hingegen gelohnt: Allein der Verkauf der IPB-Anteile von Pilsner Urquell übertraf sämtliche Investitions-Kosten. Nomura habe den Kauf der IPB stets als reines Investment betrachtet und nie vorgehabt, die Bank zu leiten, erklärte ein Sprecher des Instituts nach der Übernahme.

Klaus will nun den Verkauf in den nächsten Wochen durch eine parlamentarische Kommission untersuchen lassen. Sie könnten dem Parteivorsitzenden noch ganz neue Erkenntnisse über die politische Ökonomie bescheren. Mit der IPN war schließlich die gesamte Elite des Landes eng verbunden: Sowohl die regierenden Sozialdemokraten wie auch die Bürgerpartei von Klaus sind bei der Bank hoch verschuldet.