Neue Eta-Anschläge in Spanien

Ein Sommer voller Bomben

Die Eta setzt mit ihrer jüngsten Anschlägen in Madrid und Malága weiter auf Konfrontation.

Als José Asenjo morgens um kurz nach neun in der Calle Pepita Jiménez in Málaga seinen Honda Civic startete, gab es nur einen lauten Knall. Und doch ist der stellvertretende Vorsitzende der PSOE Andalusiens am Donnerstag letzter Woche noch einmal davongekommen. Unter seinem Auto waren 1,5 Kilo Dynamit angebracht worden, aber die Zündung hatte versagt. Was danach kam, war Routine. Eine Spezialeinheit der Polizei entfernte den Sprengstoff. Und wenig später eilten die ersten Politiker zum Ort des Anschlags, um ihrer Abscheu über die Eta Ausdruck zu verleihen.

Nur vier Tage zuvor hatten sie sich in einem Neubauviertel von Málaga zu einem ähnlichen Anlass eingefunden. Am vorvergangenen Wochenende war dort José Mar'a Mart'n Carpena, ein Stadtrat der konservativen Partido Popular (PP), mit sechs Pistolenschüssen vor seinem Auto getötet worden.

Nach dem Mord an Carpena organisierte die PP in Málaga die mit 300 000 Teilnehmer größte Demonstration in der Geschichte der Stadt. Viele hatten sich die Handinnenflächen weiß angemalt - ein seit 1997 gängiges Symbol, um die eigene Friedfertigkeit zu betonen. Der Bürgermeister Francisco de la Torre von der PP verstand es, an das Selbstbild vieler Andalusier anzuknüpfen, die sich von der Eta bedroht sehen. »Ihr könnt einen von uns ermorden, ihr könnt viele von uns ermorden. Aber solange nur ein Málaguene übrig bleibt, werdet ihr uns nicht die Freiheit nehmen!« Er bekam viel Applaus.

Unterstützung erhielt der konservative Bügermeister auch von den Sozialisten. Der Ministerpräsident der zentralspanischen Region La Mancha, José Bono, erklärte zu der Anschlagsserie: »Eta hat mehr politische Macht als jemals zuvor in der Geschichte.« Und pathetisch fuhr er fort, dass nur mit jenen verhandelt werde, »die mit erhobenen Händen kommen«.

Am Wochenende hat Bono gute Chancen, vom Parteitag der sozialdemokratischen PSOE zum neuen Parteichef gewählt zu werden. Er gilt als Favorit. Gegen ihn kandidiert Rosa D'ez aus dem Baskenland, die aber gleichfalls auf eine spanisch-nationale Formierung setzt und Verhandlungen mit der Eta ablehnt, die für sie »faschistische Terroristen« sind.

Die weitverbreitete Anti-Eta-Stimmung ist eine Reaktion auf die massive Sommer-Kampagne der Organisation. Seit dem Ende ihrer Waffenruhe hatte die Eta bis zum Juni monatlich ein Attentat verübt. Seit Anfang Juli führt sie mindestens zwei Aktionen pro Woche durch, in den letzten zwei Wochen sogar jeden zweiten Tag eine. So explodierte vor zwei Wochen im Stadtzentrum von Madrid eine Autobombe vor einem Kaufhaus der Kette El Corte Inglés. Die dreifache Warnung der Eta vor der Explosion wurde ernst genommen, das Gebiet geräumt. Dennoch gab es neben hohem Sachschaden auch neun Verletzte. Die Besitzer dieser Kaufhauskette hatten in den achtziger Jahren der damals regierenden PSOE Spenden zukommen lassen, um die Todesschwadronen der GAL, die Jagd auf vermeintliche Eta-Mitglieder in Südfrankreich machten, mit zu finanzieren.

Nur wenige Tage nach dem Anschlag auf das Kaufhaus explodierte in der Nähe der nordspanischen Stadt Soria eine Autobombe vor einer Kaserne der paramilitärischen Guardia Civil. Noch am selben Tag meldete sich der spanische Ministerpräsident José Mar'a Aznar von der PP, der sich gerade in Algerien zu einem Staatsbesuch aufhielt, zu Wort. »Sie werden uns nicht in die Knie zwingen«, verkündete er in Algier. Vergangenes Jahr wurde Aznar noch heftig von der PSOE und etlichen Regionalparteien dafür kritisiert, dass er das Verhandlungsangebot der Eta nur zum Schein angenommen hatte. Die regierende PP wolle sich, so der Vorwurf damals, nur genügend Spielraum verschaffen, um die Führung der Eta auszuschalten. Das Vorhaben gelang. Es gab etliche Festnahmen, die Eta brach die Verhandlungen ab und griff wieder zu den Waffen.

Die Polizei geht jetzt davon aus, dass die Anschläge in Madrid und Málaga von neuen Eta-Gruppen ausgeführt wurden, die über genaue Kenntnisse und Strukturen vor Ort verfügen: Das »Kommando Madrid« und das »Kommando Andalusien«. Ein Signal der Eta an den spanischen Staat, dass der Konflikt um das Baskenland nur politisch gelöst werden kann - erst vor zwei Jahren hat die Polizei die letzte Generation dieser Kommandos verhaftet.

Im Baskenland gibt es mehrere aktive Gruppen der Eta. Ihre Aktionen richten sich zur Zeit allerdings weniger gegen den spanischen Staat: So wie der Anschlag des »Kommandos Bizkaia« Ende Juni in Getxo bei Bilbao, dem traditionellen Wohnort der baskischen Bourgeoisie, wo eine Autobombe hohen Sachschaden abrichtete. Es gab zwei Vorwarnungen, die Straße wurde geräumt. Ein Anrufer erklärte, das Attentat ziele »gegen die Finanzoligarchie«.

Die baskische Regionalregierung beeilte sich sofort, den Anschlag scharf zu verurteilen. Javier Balza, der regionale Innenminister, erklärte, mit der Autobombe von Getxo wolle die Eta ihre »Revolutionssteuer« eintreiben. Seit Mai verschickt die Separatisten-Organisation wieder Briefe an örtliche Unternehmer, in denen diese zur Zahlung von jeweils festgelegten Geldsummen aufgefordert werden.

Mit Revolution hat das wenig zu tun, mehr mit einem eigenen Inkassobetrieb. Die Reichen von Getxo, aufgebracht über den Anschlag vor ihren Haustüren, beschimpften den Bürgermeister von Getxo, I-aki Zarraoa von der PNV. Sie machen die baskisch-nationalistische Partei dafür verantwortlich, dass die Eta wieder agieren kann.

Die PNV steht unter Druck, weil sie in zahlreichen Rathäusern mit der Partei Baskische Bürger (EH) kooperiert, die sich nie von der Eta distanziert hat. Seit Ende vergangener Woche hat die PNV damit begonnen, in zahlreichen Kommunen jede kommunale Zusammenarbeit mit EH aufzukündigen.

Kurz zuvor ließ Eta eine Bombe in einem Einkaufszentrum von Vitoria-Gasteiz explodieren - ein klares Signal an die regionale baskische Regierung der PNV, die in Vitoria ihren Sitz hat. Die Eta will die PNV und die mit ihr verbündete EA dazu bringen, mit den spanisch-nationalen Parteien zu brechen.